Spezialisten rund um den Ventilator

Interview mit Dr. Thomas Schräder,  VDMA

Der VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.) vertritt 3000 Mitgliedsunternehmen aus der Industrie und ist damit einer der mitgliederstärksten und bedeutendsten Industrieverbände in Europa. Doch was auf den ersten Blick wie ein unübersichtlicher Koloss wirkt, entpuppt sich als Gesamtheit kleiner aber schlagkräftiger Gruppen, wenn man den „großen VDMA“ auf die einzelnen Fachverbände herunterbricht. Dies gilt auch für den Fachverband Allgemeine Lufttechnik im VDMA. In einem Interview mit der KKA-Redaktion erläutert der Geschäftsführer Dr. Thomas Schräder die Ziele und Aufgaben seines Fachverbands und kommentiert die aktuelle Branchensituation.

? Herr Dr. Schräder, welche Firmen sind hauptsächlich in Ihrem Fachverband Allgemeine Lufttechnik organisiert und welche Dienstleistungen erbringt der VDMA für sie?

 

Schräder: Allgemeine Lufttechnik ist ein Sammelbegriff von spezialisierten Teilbranchen, in denen das Bewegen von Luft eine wichtige Rolle spielt. Geordnet nach Umsatzvolumina sind das die Bereiche Klima- und Lüftungstechnik, Kälte- und Wärmepumpentechnik, Oberflächentechnik, Luftreinhaltung und Trocknungstechnik. Salopp formuliert: Irgendwo in diesen genannten Disziplinen dreht sich immer ein Ventilator. Wir beschränken uns allerdings nicht nur auf den lufttechnischen Kern, sondern bilden die Branchen technologisch komplett ab, d.h. von Einzelkomponenten über Teilmaschinen bis hin zu Komplettanlagen. Insgesamt sind rund 260 Herstellerunternehmen in unserem Fachverband organisiert. Sie finden darunter ebenso Hersteller von Kältemittelverdichtern, wie Spezialisten für komplette Lackieranlagen, aber auch Filterlieferanten. Um eine Größenordnung zu nennen, mit einem Jahresproduktionsvolumen von knapp 13 Mrd. Euro – das ist die Zahl für 2008 – stellt die Allgemeine Lufttechnik innerhalb des VDMA die viertgrößte Maschinenbaubranche.

Ihre offene Frage nach den Dienstleistungen des VDMA ist nicht ganz ungefährlich, weil die Antwort hier den Rahmen sprengen könnte. In Kürze: Als Fachverband konzen­trieren wir uns im Wesentlichen auf die technische Interessenvertretung. Es ist offensichtlich, dass Aspekte wie Maschinensicherheit, Arbeits- und Umweltschutz, darunter auch Ressourcen- und Energieeffizienz für unsere Branche eine hohe Bedeutung haben. Für uns beginnt die Arbeit also etwa mit Frühwarnsystemen für Neuvorhaben im Ordnungsrecht, gestützt auf unsere Büros in Brüssel und Berlin. Wir steigen mit der Expertise unserer Unternehmen damit frühzeitig in die Mitgestaltung neuer Rahmenbedingungen wie EG-Richtlinien, nationale Gesetze und Verordnungen ein und schaffen mit der Erarbeitung eigener Spezifikationen wichtige Hilfen und die Voraussetzung für eine vernünftige Umsetzung von Ordnungsrecht in die Praxis. Mit unseren guten Kontakten zu den einschlägigen Ministerien sind wir in der Lage, den Dialog zwischen Politik und Industrie seriös zu moderieren. Der Nutzen unserer Arbeit erschließt sich als Wissensvorsprung für unsere Mitglieder. Unsere Branche ist vor allem klein- und mittelständisch strukturiert. Besonders dort, wo eigener Overhead fehlt, unterstützen wir mit unseren Beratungsleistungen. Über die Technik-Themen hinaus leisten wir klassische Absatzförderung über alle Medienkanäle und entwickeln gemeinsam Zielmarktkonzepte für das Ausland. Bei einer Exportrate von durchschnittlich etwa 70 % geht die Hälfte aller Ausfuhren in Regionen außerhalb Europas. Unsere Unternehmen haben daher auch Fragen zu Lieferverträgen für das Ausland, zu steuerlichen Aspekten von Montagepersonal in Kanada oder Indien, Zolltarifen in Korea oder Claimsmanagement auf einer Anlagenbaustelle irgendwo anders auf der Welt. Zu all diesen Themen beraten unsere Querschnittsabteilungen für Steuern, Recht, Außenwirtschaft und Betriebswirtschaft. Gerade für exportorientierte Mittelständler sind sie von großer Bedeutung. Dazu ließe sich aber an anderer Stelle vielleicht ein weiteres Gespräch führen.

? Abgesehen von den geschilderten Dienstleistungen, von denen Mitgliedsunternehmen direkt profitieren – in welcher Weise zeigt der Fachverband Allgemeine Lufttechnik Außenwirkung und leistet übergeordnete Branchenarbeit? 

 

Schräder: Marktgeschehen spielt sich immer unter Partnern ab. Im Vergleich zu anderen Maschinenbaubranchen ist das Gefüge in der Klima- und Lüftungstechnik sowie Kälte­technik besonders komplex. Als Verarbeiter spielt das Anlagen bauende Handwerk eine wichtige Rolle. Bedeutung haben ebenso Schulungseinrichtungen und technisch-wissenschaftliche Organisationen und Prüfinstitute und nicht zuletzt sehr kompetente ­Kundenorganisationen. Bei wichtigen Themen, wie wir sie u.a. in unseren VDMA-Einheitsblättern bearbeiten, gebietet es schlicht die Vernunft, alle Beteiligten rechtzeitig einzubinden. Bei aller Interessenvertretung für unsere Mitgliedsunternehmen verstehen wir uns bei den zentralen Themen als offene Plattform, die auch Politik- und Behördenvertreter nutzen. Beim Thema Energieeffizienz sitzen bei uns mit am Tisch z.B. die Organisationen VDKL, VDKF, BIV, BMU, GTZ, um nur einige Kürzel als Beispiele zu nennen. Wir selbst bringen die Expertise aus den von uns verantworteten Bereichen der Fachabteilung Kältetechnik, des Forschungsrats Kältetechnik, von eurammon und auch der Fachgruppe Kühlmöbel ein. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass unsere Arbeitsergebnisse immer wieder auf hohe Akzeptanz stoßen. Ich würde also in Anspruch nehmen, dies durchaus als übergeordnete Branchenarbeit, wie Sie es nennen, verstehen zu dürfen. Verschlossene Türen und stilles Kämmerlein sind also nicht angesagt. Dass wir bei unserer Arbeit an den wichtigen Branchenthemen richtig liegen, mögen Sie an dem Lob anderer und der Anerkennung, die wir durch die Politik erfahren, ablesen.

 

? In der aktuellen Diskussion um den neuen Zentralverband Kälte Klima Wärmepumpen (ZVKKW) haben Sie ja persönlich für einigen Zündstoff gesorgt, in dem Sie den ZVKKW öffentlich rundweg abgelehnt haben. Was stört Sie denn an dem Konzept?


Schräder: Zurückhaltend formuliert ist die Dichte an Interessenvertretungen in der Klima-, Lüftungs- und Kältebranche auffallend hoch. Neben den sich ergänzenden, komplementären Strukturen wie Hersteller, Verarbeiter, Kunden und den technisch-wissenschaftlichen Einrichtungen gibt es ebenso erhebliche Überschneidungen und Redundanzen in den Leistungsangeboten. Es ist mehr als Zweifel angebracht, ob der Anspruch einer stärkeren Interessenbündelung für Klima- und Kältetechnik durch die Gründung eines weiteren Verbands erreicht werden kann. Ich setze also auf die Bereitschaft bei gemeinsamen Fragestellungen oder auch strittigen Themen innerhalb der bestehenden Strukturen Lösungsansätze zu erarbeiten.


? Sie bezeichnen den ZVKKW als „Verhinderung der Bündelung von Gesamtinteressen“. Hierzu zwei Fragen: Gibt es in der Kälte-/Klima-/Wärmepumpenbranche überhaupt die oft genannten Gesamtinteressen oder sind doch eigentlich alle Firmen mehr oder weniger Einzelkämpfer? Und falls es die Gesamtinteressen geben sollte, glauben Sie, dass Ihr Fachverband bzw. eine andere schon bestehende Organisation diese besser vertreten kann als der ZVKKW in der geplanten Konstellation?


Schräder: Bei im Wettbewerb stehenden Unternehmen muss ich immer Einzelinteressen voraussetzen; sonst funktioniert Wettbewerb nicht. Dort, wo sich trotz Wettbewerbs Zusammenarbeit lohnt, um zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, entstehen Vereinigungen und Verbände. Die Sortierung nach Partikular­interessen, wie etwa die von Anbietern und Kunden oder auch nach anderen Aspekten, ist dann ein natürlicher Vorgang. Das schließt aber auch Zusammenarbeit solcher Gruppen nicht aus, wie wir sie in der Kältetechnik insbesondere mit unseren offenen Plattform­angeboten ermöglichen. Dies gilt ebenso für die Arbeit der Fachabteilung Kältetechnik wie für die des Forschungsrats Kältetechnik oder die europäische und inzwischen internationale Plattform eurammon. Einzelinteressen lösen sich damit nicht zwingend auf. Man muss also weder für jede neue gemeinsame Position einen Verband gründen, noch sollte man durch fortgesetzte Dopplung und Vervielfachung von Leistungen unnötig Ressourcen verschwenden. Wenn ich die Stimmung in unserer Branche richtig deute, sind die Grenzen der Facettierung erreicht. Sie werden vor allem gesetzt durch die begrenzten Personal-Ressourcen der Unternehmen.

 

? Der Gesetzentwurf zum Berliner Klima­schutzgesetz schlägt in der Branche ja der­zeit große Wellen, weil er vorsieht, den Neu­anschluss von Klimaanlagen in bestehenden Gebäuden zu verbieten. Wie stehen Sie dazu?

 

Schräder: Wir wissen inzwischen aus diversen Studien, dass der Gebäudesektor in Deutschland allein für etwa 35 % des Primärenergieverbrauchs steht. Wir dürfen uns daher nicht wundern, dass die Politik angesichts der international vereinbarten ehrgeizigen Klimaschutzziele diesem Sektor besondere Aufmerksamkeit schenkt. Diese Aufmerksamkeit ist im Grundsatz alles andere als unangenehm. Sie bietet vielmehr erhebliche Chancen. Gegenüber neuen Anforderungen an die Energieeffizienz von Produkten verstehen sich unsere Unternehmen als kompetente Problemlöser, wenn es um die Verminderung von CO2-Emissionen und damit der Verringerung von Lebenszykluskosten geht. Im Rahmen der BDI-Initiative für Klimaschutz unterstützen wir den BDI in seiner Position, für Anforderungen an den Gebäudesektor nur eine Zielmessgröße zu definieren: und zwar den Primärenergiebedarf. Es ist sinnvoll, diesen Ansatz dann mit einer Gewährung von Technologiefreiheit zu begleiten. Die Unternehmen sollten also in die Lage versetzt werden, mit den effizientesten Lösungen in den Wettbewerb zu treten. Verbote bestimmter Produkte sind dann verzichtbar.


? Sowohl der ZVKKW als auch das FGK (Fachinstitut Gebäude Klima) reklamieren für sich, als Erste bzw. als Einzige gegen den Gesetzentwurf protestiert zu haben. Hat der VDMA sich zu dem Entwurf schon offiziell geäußert und falls ja – wann und in welcher Form?

 

Schräder: Anders als in Schulklassen ist es vielleicht hier nicht ganz so wichtig, die Frage zu klären, wer zuerst den Finger gehoben hat. Der Vorsitzende des Vorstands unseres Fachverbands, Herr Michael Nagl, hat mit dem Büro der Senatorin Katrin Lompscher Kontakt aufgenommen. Als Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensgruppe BerlinerLuft mit Sitz in Berlin hat er den Vorteil der kurzen Wege. Der Berliner Senatsentwurf lässt noch Fragen offen, ist also interpretierbar. Wir schlagen ein Gespräch vor, um die Sachlage zu erörtern. Es gilt dabei vor allem die hohe Bereitschaft unserer Branche zu dokumentieren, am Erreichen der Klimaschutzziele aktiv und konstruktiv mitzuarbeiten. Wir müssen dem immer noch weit verbreitetem Image entgegenwirken, dass Klima- und Kältetechnik in erster Linie dem Klima schaden.

 

? Was sind aus Ihrer Sicht die derzeit wichtigsten Themen, die die Kälte- und Klimabranche betreffen? Und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der VDMA?

 

Schräder: Aktuelle zentrale Themen im Maschinen- und Anlagenbau, d. h. im Investitionsgütersektor, sind die Ressourcen- und Energieeffizienz. Das gilt insbesondere für die Klima- und Kältetechnik. Wir haben dies ja nun im Verlauf des Gesprächs verschiedentlich angeschnitten. Der politische Wille zum Klimaschutz hat sich weltweit manifestiert. Die Ökodesign-Rahmenrichtlinie für Energie verbrauchende Produkte, prominent geworden unter dem Kürzel EuP, war der Startpunkt eines wachsenden, in Zukunft gesetzlich geregelten Bereichs. Mit der Klima-, Lüftungs- und Kältetechnik fallen wir inzwischen allein in fünf Arbeitspakete, sogenannte LOTs des EuP-Prozesses. Die Arbeitsergebnisse der Studien werden in Verordnungen für bestimmte Produktgruppen mit konkreten Effizienzanforderungen münden. Dazu gehören Kleinklimageräte, Ventilatoren, Kühlmöbel, Komponenten und Anlagen der Kältetechnik, sowie aller Voraussicht nach zentrale und dezentrale Klimageräte. Gemeinsam mit unseren Mitgliedsunternehmen investieren wir zurzeit erhebliche Personalressourcen in die konstruktive Begleitung dieses EuP-Prozesses. Unser Arbeitskreis Energieeffizienz von Kälteanlagen ist ein Beispiel dafür. Weitere Beispiele sind der von uns initiierte „Runde Tisch Supermarktkälte“ im Umweltbundesamt, sowie die Steuerung und Moderation des nicht einfachen Wegs zu einer gesetzlichen Anforderung an die Energieeffizienz von Ventilatoren. Unsere Aufmerksamkeit gilt ebenso nach wie vor der Kältemittelthematik und dabei der Aufgabe, zur Einsetzbarkeit natürlicher Kältemittel zu informieren. Es ist einleuchtend, dass sich unsere Aktivitäten auf die gesamte Kälte- und Klimabranche auswirken. Das macht, wie beschrieben, Zusammenarbeit sinnvoll und auch erforderlich.

 

! Herr Dr. Schräder, ich danke Ihnen für die offenen Worte.

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