Steuerungstechnik der Zukunft
Interview mit Dr. Hugo Blaum, Präsident GEA Refrigeration Technologies
Mit der Einführung des „GEA Omni Control Panel“ löst sich GEA Refrigeration Technologies von klassischen Steuerungskonzepten und setzt auf ein offenes System mit Industrie-PC und Touch-Screen-Bedienung. Im Interview mit der KKA erläutert Dr. Hugo Blaum, Präsident der GEA Refrigeration Technologies und Innovationskoordinator der GEA Group, welche Ideen und Potenziale sich hinter dem hochauflösenden Display verbergen.
KKA: Mit „GEA Omni“ hat GEA Refrigeration Technologies eine Steuerung mit Touch-Display für Kälteanlagen auf den Markt gebracht. Der Siegeszug der Smartphones hat dazu geführt, dass die meisten Nutzer mit grafischen Oberflächen und der Bedienung mittels Ein- und Mehrfingergesten vertraut sind. Ist diese Bedienung bei kältetechnischen Anlagen ein Novum?
Blaum: Bei der Beantwortung dieser Frage haben uns Hunderte von Kunden geholfen, die wir im Zuge einer Befragung einbezogen haben. Tatsächlich ist die Touch-Screen-Technik in dieser Form in der Kältetechnik noch nicht präsent. Innovativ daran ist aber weniger die Tatsache, dass wir ein hochauflösendes Touch-Panel für „GEA Omni“ verwenden, es ist die Bedienung. Wie die Umfrage gezeigt hat, wünschen sich unsere Kunden eine Technik, die Maschinenbediener leicht erlernen können und in der sie wichtige Funktionen und Anzeigen schnell erreichen. Ziel sind kurze Einarbeitungszeiten, schnelle Reaktionsmöglichkeiten und daraus resultierend ein störungsfreier Anlagenbetrieb.
KKA: Warum ist die Touch-Panel-Bedienung leichter zu erlernen als die gewohnte Tastensteuerung?
Blaum: Zum einen ist die Bedienung über Ein- oder Mehrfingergesten aus dem Privatleben vielen vertraut und intuitiv. Zum anderen konnten wir eine kontextsensitive Menüführung umsetzen. Wichtige Inhalte sind nur ein bis zwei Bedienschritte entfernt und die für den Anlagenbetrieb täglich benötigten Befehle und Schaltflächen logisch gruppiert. Zugleich haben wir klassische Elemente integriert. Zum Beispiel stellt „GEA Omni“ wichtige Messwerte im Stil klassischer Rundinstrumente dar, denn die Position der Zeiger ist leichter zu erkennen und zu überwachen als ein Zahlenwert. Diese Darstellung, Bedienung, die Bedienerführung durch die verschiedenen Oberflächen, flache Hierarchieebenen und die Gestensteuerung sind jedoch erst durch die Verwendung des HD-fähigen Displays möglich. Es ist daher essenziell für die Steuerung der Zukunft.
KKA: Sie nennen „GEA Omni“ die „Steuerung der Zukunft“. Rechnen Sie damit, dass sich dieses Konzept in der Kältetechnik oder sogar in anderen Bereichen durchsetzt?
Blaum: Ich gehe davon aus, dass „GEA Omni“ die erste Steuerung einer neuen Generation ist. Sie ist zwar für Kälte- und Gasverdichtungsanlagen gedacht, aber das Konzept ist universell: Wir kombinieren einen übersichtlich verdrahteten Schaltschrank, Ein- und Ausgabemodule nach marktgängigen Industrie-Bus-Standards, Ethernet-Anbindung und einen Industrie-PC mit einem guten Touch-Display. Diese Plattform ist geräteunabhängig und kann zum Steuern einer Kälteanlage ebenso eingesetzt werden wie für eine Abfüllanlage, einen Industrieofen oder andere Anlagen.
Als Innovationskoordinator der GEA Group denke ich hier übergreifend: Das Konzept von „GEA Omni“ eignet sich gut für fast alle komplexen Industrieprozesse und es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir es innerhalb der GEA auf andere Einsatzbereiche übertragen. Davon würden nicht nur die Bediener, sondern auch wir als Anbieter profitieren, denn GEA könnte auf Basis eines Steuerungskonzepts viele Varianten bilden. Die daraus resultierenden Synergien bei der Entwicklung und Systempflege vermeiden Doppelarbeit und verkürzen die Zeit bis zur Markteinführung.
Dass wir die neue Steuerung zunächst für Kälte- bzw. Verdichtungsanlagen herausbringen, hat einen einfachen Grund: Durch das Zusammenwirken diverser Komponenten sind diese Anlagen so komplex, dass die Bediener hier einen sehr großen Vorteil aus der vereinfachten Bedienung haben. Und schlussendlich müssen wir ja auch erst einmal Erfahrungen mit dem neuen Konzept sammeln, zum Beispiel mit der Einbindung von Fremd-Komponenten. Das geht natürlich viel besser, wenn wir uns zunächst auf eine Anwendung konzentrieren und dafür eine saubere Lösung bieten, statt uns in der Vielzahl potenzieller Einsatzgebiete zu verzetteln.
KKA: Bietet die neue Steuerungstechnik neben der vereinfachten Bedienung und einem sicheren Anlagenbetrieb auch Investitionssicherheit?
Blaum: Auf jeden Fall. Durch die Schnittstellenvielfalt, den modularen Aufbau, das offene Systemkonzept und Möglichkeit, via Bus und Ethernet Geräte unterschiedlicher Hersteller einzubinden, hat der Käufer von „GEA Omni“ deutlich mehr Investitionssicherheit als beim Kauf proprietärer Steuerungen. Damit die Anwender lange Freude haben, haben unsere Ingenieure auf robuste Technik Wert gelegt, zum Beispiel staub- und spritzwassergeschützte Komponenten, einen stoßfesten Bildschirm und eine übersichtliche interne Verdrahtung.
KKA: Wie schaut es mit den Kosten aus: Ist „GEA Omni“ teurer als bisherige Lösungen?
Blaum: Etwas mehr als bei einer einfachen Steuerung müssen die Anwender schon zahlen, aber sie haben im Gegenzug auch finanzielle Vorteile, da die Steuerung für einen stabileren Anlagenbetrieb sorgen kann und dem Service- und Wartungspersonal Unterstützung bietet. Unter anderem haben wir spezielle Funktionen für Servicemitarbeiter sowie externe Software zur Datenanalyse entwickelt. Anhand dieser Informationen lassen sich die Betriebsparameter und die Energieeffizienz oder auch die Standby-Zeiten optimieren. Ziel ist, damit die Zahl der Betriebsunterbrechungen und Störungen zu senken, die Energieeffizienz der Kälteanlage zu verbessern und indirekt so die Produktivität der Kundenprozesse zu steigern.
Dass der Preis keine Hemmschwelle darstellt – und übrigens auch nicht die Art der Bedienung – haben wir in den USA erfahren. Dort wurde die neue Steuerung zuerst eingeführt und sehr gut vom Markt angenommen. Zu den Käufern gehören sogar einige, die „GEA Omni“ als Ersatz angeschafft haben, um ihre Kälteanlagen besser zu regeln.↓
KKA: Das Thema der Datensicherheit beherrscht ja derzeit die Medienwelt wie kaum ein anderes. Ihre Steuerung ist ein offenes System und bietet sicherlich auch die Möglichkeit des Fernzugriffs. Wie ist sichergestellt, dass Personen keinen ungewollten Zugriff erhalten – und zwar sowohl am Touch-Panel selbst als auch über das Internet?
Blaum: Sie vermuten richtig: „GEA Omni“ lässt sich über die eingebaute Ethernet-Schnittstelle vom internen Netzwerk und auch aus der Ferne ansprechen. Selbstverständlich müssen sich die Personen mit einem Kennwort anmelden, egal von wo aus sie auf das System zugreifen möchten. Darüber hinaus bekommen die Benutzer je nach Aufgabe verschiedene Berechtigungen. Wir unterscheiden in Bediener, Wartungspersonal und Administratoren. Die Gruppe Bediener kann nur die für den täglichen Betrieb relevanten Einstellungen ändern, das Wartungspersonal hingegen darf die Anlage zum Beispiel auch neu konfigurieren und die Administratoren haben die meisten Rechte.
Um unerwünschte Zugriffe auszuschließen, müssen dieselben Maßnahmen getroffen werden wie bei anderen Netzwerken – etwa im Bürobereich. Perfekt kann das aber nicht sein. Wer den Roman „Blackout“ gelesen hat, weiß, was ich meine. Jede IT-Umgebung ist verletzlich, auch in der Realität. Wer Hacker ausschließen möchte, sollte zum Beispiel keine Ethernet-Anbindung an das Firmennetz oder das Internet vornehmen.
(Das Interview für die KKA-Redaktion führte Ralf Dunker)