Synthetische Schmiermittel für die Kältetechnik

Interview mit Gilles Delafargue, ExxonMobil

Noch nie kam der Kälte zur Deckung der weltweiten Bedürfnisse in der Lebensmittelkette, im Gesundheitswesen oder auch im Automobilbereich eine derartige Bedeutung zu. Die Anforderungen des Umweltschutzes, insbesondere durch die Protokolle von Montreal und Kyoto, haben zu einem Technologiewechsel bei den Kältemitteln für die Kälteproduktion durch Kompression geführt. Dieses hat auch Auswirkungen auf die Wahl der Schmiermittel.

Gilles Delafargue, Spezialist des technischen Kundendienstes für Europa, Afrika und den Mittleren Osten bei ExxonMobil erklärt uns, wie synthetische Schmiermittel den Entwicklungen im Bereich der Kälteproduktion durch Kompression Rechnung tragen können und gleichzeitig die Energieeffizienz der Anlagen verbessern.

KKA: Herr Delafargue, können Sie uns Ihre Vision hinsichtlich der Entwicklung des Kältemittelmarktes erläutern?

Delafargue: Im Montreal-Protokoll (1989) wurde der progressive Abbau von Stoffen festgelegt, die ein hohes Ozonabbaupotential (OPD) besit­zen. Zusätzlich wurde die Verwendung von Käl­temitteln vom Typ Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW) verboten bzw. bei teilhalogenierten Flu­orchlorkohlenwasserstoffen (HFCKW) das Ver­wendungsverbot eingeleitet. Im Kyoto-Protokoll (1997) wurden die Ziele zur Verringerung der Treibhausgase festgelegt. Diese Entscheidungen haben Auswirkungen auf bestimmte Fluorkohlenwasserstoffe (FKW). Zwar besitzen sie ein hohes Treibhauspotential (GWP), schädigen die Ozonschicht aber nicht. Als Fol­ge fand die Entwicklung der Fluorwasserstoffo­lefine (HFO) statt.

Diese Entwicklungen in der Gesetzgebung ha­ben indirekt zu einer Rückkehr zur Verwendung von Ammoniak (NH3), von Kohlendioxid (CO2) und in bestimmtem Maß von Kohlenwasserstof­fen (KW) geführt. Die Verwendung von KW be­schränkt sich auf kleinvolumige Haushaltsgeräte. Die KW-Befürworter wollen jedoch weiterhin die Nutzung auf größere Anlagen wie z. B. industriel­le Eismaschinen, Tiefkühlgeräte oder auch Küh­ler ausdehnen. Obwohl Fluorkohlenwasserstoffe zunehmend durch Fluorwasserstoffolefine (HFO) mit einem niedrigen GWP-Wert ersetzt werden, sind sie immer noch weit verbreitet. In Europa konnte ein stärkerer Absatz von CO2 und an­schließend von HFO-1234yf für Klimaanlagen im Automobilbereich festgestellt werden.

KKA: Welche Kriterien sollten angesichts dieser Veränderungen bei der Wahl des Schmiermittels berücksichtigt werden?

Delafargue: Die meisten industriellen Kälteanlagen sind Kompressionssysteme, bei denen die Kälte durch die Verdampfung eines Kältemittels (FKW, HFO, KW, Ammoniak oder CO2) erzeugt wird. Die Art des Schmiermittels sowie seine Viskosi­tät hängen von der Beschaffenheit des Kälte­mittels, vom Kompressortyp und der Verdamp­ferendtemperatur ab. Hierbei sind insbesondere die Mischbarkeit und die Löslichkeit der Kältemit­tel/Schmiermittel-Mischung zu berücksichtigen.

Für sogenannte „mischbare“ Anwendungen (Systeme ohne Ölabscheider) ist eine adäquate Mischbarkeit von Kältemittel und Schmiermit­tel ausschlaggebend. Wichtig ist hierbei, dass die Kältemittel/Öl-Mischung bis zum Ende der Verdampfung homogen bleibt, damit sie in den Kompressor zurückgeführt werden kann. Bei Trennung der beiden Stoffe aufgrund einer schlechten Mischbarkeit kann das Öl den Ver­dampfer nicht mehr verlassen. Dieses führt zu einer deutlichen Verschlechterung der Effizienz der Kälteanlage bzw. beeinträchtigt die einwand­freie Funktion des Kompressors durch niedri­gen Ölstand.

Der hohe Druck sowie die hohe Temperatur im Kompressor haben eine Viskositätsabnahme des Schmiermittels in Verbindung mit der Lös­lichkeit des Kältemittels im Öl zur Folge, wodurch der Verschleißschutz verringert wird. Durch die Auswahl des richtigen Öltyps mit der geeigneten Viskosität können diese schädlichen Auswirkun­gen der Viskositätsabnahme verhindert werden. ExxonMobil hat zahlreiche Mischbarkeitskurven sowie „VDT“-Kurven (Viskosität/Druck/Tempera­tur) erstellt, um somit sicherzustellen, dass das ausgewählte Schmiermittel den Einsatzanforde­rungen im Hinblick auf die Mischbarkeit und die Viskosität entspricht. Außerdem steht den Kun­den ein technischer Kundendienst mit Fachleu­ten vor Ort oder das europäische Technik-Center von ExxonMobil zur Verfügung.

KKA: Welche Schmiermittel haben Sie für Kühlanlagen entwickelt?

Delafargue: ExxonMobil verfolgt die gesetzlichen Ver­änderungen genau und konnte den Anforderun­gen des Umweltschutzes durch die Marktein­führung hochleistungsfähiger Schmiermittel für den Einsatz mit Ammoniak, HFO und CO2 Rech­nung tragen. Die synthetischen Schmiermittel „Mobil EAL Arctic“ (Environmental Awareness Lu­bricant) wurden speziell für die Schmierung von Kompressoren sowie für Systeme entwickelt, die FKW-Kältemittel verwenden. Sie wurden auf der Grundlage von Polyolester (POE)-Grund­ölen formuliert und verfügen über hervorragende Schmier- und Verschleißschutzeigenschaften. Zusätzlich besitzen sie eine hervorragende che­mische Stabilität und eine sehr hohe Beständig­keit gegen thermischen Abbau. Die „Mobil EAL Arctic“-Schmiermittel lassen sich mit FKW mi­schen und verfügen mit zahlreichen FKW-Käl­temitteln über genau festgelegte VDT-Eigen­schaften.

Große Anlagen, in denen Ammoniak, der kaum oder nicht mit Kohlenwasserstoff-Schmiermit­teln mischbar ist, als Kältemittel verwendet wird, sind mit Ölabscheidern ausgestattet. Um den Eintritt von Öl in den Kreislauf zu vermeiden oder zu minimieren, ist es wichtig, ein Schmiermit­tel einzusetzen, das mit dem Kältemittel abso­lut nicht mischbar ist und einen niedrigen Dampf­druck besitzt.

Die Öle der „Mobil Gargoyle Arctic SHC 200“-Rei­he wurden auf der Grundlage von Polyalphao­lefin (PAO)-Grundölen formuliert und werden für die Schmierung von Kältekompressoren mit sehr hohen Betriebstemperaturen und für Sys­teme mit sehr niedrigen Verdampferendtempe­raturen empfohlen. Dank ihrer geringen Lös­lichkeit und Mischbarkeit mit Kältemitteln bilden sie in Gegenwart von Kältemitteln unter Druck stärkere Schmierfilmschichten aus und können Undichtigkeiten an den Schaftdichtungen des Kompressors verringern. Aufgrund ihrer enor­men Scherfestigkeit, ihres hohen Viskositäts­index sowie ihrer hervorragenden Fließeigen­schaften bei Tieftemperaturen sind die Öle der „Mobil Gargoyle Arctic SHC 200“-Reihe für den Einsatz unter schweren Betriebsbedingungen mit Ammoniak geeignet. Sie eignen sich eben­falls für die Schmierung von CO2-Anlagen, die nicht oder wenig mischbar sind. Die Öle der „Mo­bil Gargoyle Arctic SHC 200“-Reihe sind zudem gemäß den Anforderungen von NSF H1 regist­riert. Das hat den Vorteil, dass sie auch für An­wendungen eingesetzt werden, bei denen ein unvorhergesehener Kontakt mit Lebensmitteln stattfinden könnte.

KKA: Kann sich die Wahl des Schmiermittels auf die Energieeffizienz der Anlage auswirken?

Delafargue: Heutzutage wird für viele Kälteanlagen Ammoniak als Kältemittel verwendet. Die wich­tigsten Schmiermitteltechnologien für den Be­trieb mit Ammoniak:

Naphtenische Mineralöle (NM) und paraffini­sche Mineralöle (PM), raffiniert auf der Grundla­ge von Rohöl mit naphtenischen und paraffini­schen Eigenschaften.

Synthetische Öle, formuliert auf der Grund­lage von Polyalphaolefinen (PAO) oder auf der Grundlage von Mischungen auf der Basis von PAO/AB (Alkylbenzol).

Synthetische Schmiermittel auf der Grundlage der PAO-Technologie sind potentiell die bessere Wahl für den Betrieb mit Ammoniak im Vergleich zu den NM- und PM-Technologien. Gründe hierfür sind das hohe Verbesserungspotential hinsichtlich der Anlageneffizienz, die besseren Tieftemperatureigenschaften, die bessere Kon­trolle der Fließeigenschaften, die hervorragende Viskositätskontrolle bei Hochtemperaturanwen­dungen und die besseren Entgasungseigen­schaften. Eine 2011 im EMRE-Forschungszen­trum (ExxonMobil Research & Engineering) in den USA durchgeführte Detailstudie hat dieses deutlich bewiesen.

Die Öle der „Mobil Gargoyle Arctic SHC 200“-Rei­he mit PAO-Technologie, ohne Paraffine, ha­ben bei nicht mischbarem Betrieb für Indus­triekompressoren, in Supermärkten oder bei Wärmepumpen und speziell beim Betrieb mit Ammoniak beachtenswerte Leistungen erzielt. Des Weiteren hat die Studie belegt, dass die Viskosität bei Tieftemperaturen der syntheti­schen Öle von ExxonMobil mit PAO-Techno­logie viel niedriger ist als bei Ölen der NM- und PM-Technologien. Durch die Minimierung der Isolierschichtstärke, die durch das im Verdamp­fer zurückgehaltene Öl entsteht und die die Wär­metauschereffizienz verringert, kann die Effizienz der Anlage deutlich verbessert werden.

Die Ergebnisse haben ebenfalls bestätigt, dass die genannten Öle einen außergewöhnlichen Schutz gegen ther­mischen Abbau und Oxidation bieten und eine hervorragende chemische Stabilität aufweisen. Hieraus ergeben sich weitere Vorteile hinsichtlich der Verlängerung der Lebensdauer des Schmier­mittels, der Ölwechselintervalle und der Filter­standzeiten sowie der geringeren Undichtigkei­ten an den Kompressorschaftdichtungen. So konnte zum Beispiel eine bedeutende und in Polen ansässige Brauerei durch die Verwendung von „Mobil Gargoyle Arctic SHC 226E“ in drei Jahren 100 200 € einsparen.

Nach der Umstellung auf ein synthetisches Schmiermittel anstelle eines Mineralöls konn­ten die Schmierintervalle auf ein Sechsfaches ausgedehnt werden, so dass ein Ölwechsel nur noch alle drei Jahre anstelle von zuvor zwei Öl­wechseln pro Jahr notwendig ist. Hierdurch wur­den die Kosten für den Ölwechsel und die War­tung für den Ölabscheider verringert und damit einhergehend die Kosten für Behandlung des Altöls minimiert. Zusätzlich konnten die War­tungskosten für den Kompressor aufgrund ei­ner hervorragenden Sauberkeitskontrolle ver­ringert werden.

KKA: Was ist Ihrer Meinung nach das Modell der Kälteproduktion in der Zukunft?

Delafargue: Derzeit kommen alternative Technologien der Kälteproduktion wie die „Magnetkälte“ auf den Markt. Bei dem energieeffizienten Verfahren der „Magnetkälte“ wird der Effekt ausgenutzt, dass bestimmte Legierungen unter dem Einfluss eines Magnetfeldes durch Temperaturverände­rung Kälte erzeugen (magnetokalorischer Effekt). Teure Kompressoren oder Kältemittel sind hier­durch nicht nötig. Zwei europäische Unterneh­men haben vor Kurzem angekündigt, dass sie in den nächsten zwei Jahren für Haushaltsgerä­te Systeme auf den Markt bringen werden, die auf der Technologie der „Magnetkälte“ beruhen.

Dennoch sind die klassischen Geräte mit Kom­pressor weiterhin auf dem Markt und werden da­hingehend weiterentwickelt, dass die Kältemittel einen niedrigen GWP-Wert aufweisen.

KKA: Was würden Sie letztendlich empfehlen?

Delafargue: Der Betrieb einer industriellen Kälteanlage bedingt eine entsprechende Wartung. Störfälle oder ein Leistungsabfall der Anlagen können si­gnifikante Produktionsverluste oder Verluste von Lagerwaren bedeuten. Mit der Verwendung von Kältemitteln wie Ammoniak, CO2 und Kohlen­wasserstoffen sowie dem progressiven Ersatz der Fluorkohlenwasserstoffe durch HFO-Kälte­mittel mit niedrigem GWP-Wert wird die Bereit­stellung von hochwertigen, umweltfreundlichen Schmiermitteln immer wichtiger. Durch die Entwicklung und den weltweiten Ver­trieb einer entsprechenden Produktserie konnte ExxonMobil dieser Entwicklung Rechnung tra­gen, um sich somit den Herausforderungen von morgen zu stellen. Gleichzeitig steht ExxonMobil seinen Kunden mit Empfehlungen und techni­schem Support zur Seite.

Anwendung einer
Mischbarkeitskurve

Die rote Kurve gibt die Grenze der Löslichkeitsbereiche zwischen „Mobil EAL Arctic 46“ und dem Kältemittel R407C in Abhängigkeit von der Schmiermittelkonzentration der Mischung an. Unterhalb dieser Kurve liegen zwei nicht vermischbare Phasen. Oberhalb dieser Kurve bilden das Schmiermittel und das Kältemittel nur eine einzige Phase
Numerische Anwendung:
Unabhängig von der „Mobil EAL Arctic 46“-Konzentration bilden bei einer Temperatur von -25 °C (grüne Linie) „Mobil EAL Arctic 46“ und das Kältemittel R407C nur eine Phase. Bei -40 °C (blaue Linie): eine einzige Phase bei „Mobil EAL 46“-Konzentrationen unter 7,5 %, zwei nicht mischbare Phasen bei „Mobil EAL Arctic 46“-Konzentrationen zwischen 7,5 und 38 %, eine einzige Phase bei „Mobil EAL Arctic 46“-Konzentrationen über 38 %.

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