Umstrukturierung bringt Vorteile

Interview mit Dr. Hugo Blaum, GEA Refrigeration Technologies

Zum Jahresbeginn hat sich die Konzernstruktur der GEA Group merklich verändert – Geschäftsbereiche wurden zusammengelegt, das Personalkarussell drehte sich. Künftig gibt es statt neun Divisionen nur noch fünf Segmente. Eines heißt „Refrigeration Technologies“ (Kältetechnik) und wird seit 1. Februar 2010 von Dr. Hugo Blaum geleitet. Er erläutert im Gespräch mit der KKA-Redaktion die Veränderungen im Konzern und die Auswirkungen für Kunden.

? Herr Dr. Blaum, bitte versuchen Sie sich zuerst einmal an der Quadratur des Kreises und erläutern Sie für unsere Leser kurz, was sich bei der GEA Group seit Januar 2010 verändert hat.

Dr. Blaum: Um es auf den Punkt zu bringen: Die wichtigste Änderung ist das Abbilden der Geschäfte auf fünf Segmente statt auf neun Bereiche – wir nannten sie früher Divisionen. Die Segmentierung fand im Hinblick auf die Produkte und ihre Anwendungsgebiete statt, um möglichst viele Synergien zu schaffen und den Kunden stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Das bedeutet, dass manche Gesellschaften neu zugeordnet wurden, um den Synergieeffekt zu maximieren. Zugleich dient die Umstrukturierung dazu, Hierarchien abzubauen, Know-how zu bündeln und Kosten zu senken. Das schafft neue Freiräume für Kreativität und organisches Wachstum und kommt nicht zuletzt unseren Kunden zugute.

? Wenn in diesen Tagen über Unternehmen berichtet wird, bei denen „Geschäftsbereiche zusammengelegt“ werden, ist das oft nur ein verbales Deckmäntelchen für ein krisenbedingtes finanzielles Streichkonzert. Was waren bei der GEA die Gründe für die Umstrukturierungen?


Dr. Blaum: Sicherlich geht die Krise auch an Unternehmen des GEA-Konzerns nicht spurlos vorbei, aber die Reorganisation wäre sowieso gekommen, denn es war ein ‚Krisenzeitpunkt’ gekommen. Damit spiele ich auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Krise an: Das altgriechische ‚krínein’ heißt ja eher ‚Entscheidung’. Und GEA hat im Herbst 2009 Entscheidungen zur Reorganisation getroffen. Der Grund ist, dass sich die Konzernstruktur seit zwölf Jahren quasi nicht geändert hat. Zwischenzeitlich wurden Unternehmen hinzugekauft, sind gewachsen, haben sich verändert. Sie können sich vorstellen, wie viele neue Äste ein ehemals klar strukturierter Organigramm-Baum im Laufe der Jahre bekommt.
Im Segment GEA Refrigeration Technologies sind relativ wenige Änderungen erfolgt, denn die frühere Division hatte ohnehin ein klar abgegrenztes Tätigkeitsfeld, das insbesondere die Branchen Eisproduktion, Lebensmittelverarbeitung und -lagerung, die Prozessindustrie sowie den Energiesektor und zum Beispiel den Fischfang adressierte. Zu den nicht industriellen Einsatzgebieten gehören unter anderem Eissportstadien.

? Welche Firmen und Aktivitäten stehen hinter dem Segment Refrigeration Technologies?

Dr. Blaum: Die Firmen aufzuzählen, nähme fast kein Ende, denn zu unserem Segment gehören Werke, Vertriebsorganisationen und Servicezentren rund um den Globus. Um ein paar Namen zu nennen: Aerofreeze, AWP, Geneglace, Grenco, Grasso oder Matal sind sicherlich keine Unbekannten in der Branche. Sie haben eins gemeinsam: Sie beschäftigen sich mit Kältetechnik, meist im Hinblick auf industrielle Anwendungen. Dabei ergänzen sich innerhalb unseres Segments die Entwicklungs- und Fertigungskompetenz, und dank der Vertriebs- und Serviceunternehmen sowie Contractoren ist uns auch das anwendungsorientierte Denken in Fleisch und Blut übergegangen. GEA Matal zum Beispiel hat sich darauf spezialisiert, kältetechnische Systeme an die jeweiligen Prozesse der Kunden anzupassen. Diese Lösungskompetenz und Kundennähe ist für uns sehr wichtig, denn sie hilft uns, Produkte optimal auf die Marktanforderungen abzustimmen.

? Werden die Umstrukturierungsmaßnahmen dazu führen, dass bekannte Firmennamen im Bereich der Kältetechnik bei GEA künftig vom Markt verschwinden werden? Wie sieht Ihre Markenpolitik aus?

Dr. Blaum: Die Reorganisation und die damit verbundene Präsenz in der Öffentlichkeit werden vermutlich dazu beitragen, dass die Dachmarke GEA stärker in den Vordergrund rückt. Aber GEA ist nicht alleiniges Label unserer Produkte und soll es auch nicht werden. Viele Kunden reden beispielsweise von ‚dem Grasso’ oder ‚Aerofreeze’, und so soll es bleiben. Diese Unternehmen stehen für eine Tradition und ihre Namen verleihen unseren Produkten Profil.

? Reden wir eigentlich nur über firmeninterne Abläufe oder haben die Maßnahmen auch Auswirkungen auf die Geschäftsabläufe mit ihren Kunden? Was wird sich hier ändern?

Dr. Blaum: Ich bin mir sicher, dass die neue Organisation nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kunden Vorteile bringt. Damit meine ich weniger Synergien in klassischen Querschnittsfunktionen wie EDV oder Buchhaltung, sondern vielmehr die Gemeinsamkeiten auf Entwicklungs- und Vertriebsseite. Forschung und Entwicklung können künftig noch pointierter erfolgen, Ziel ist ein standortübergreifendes Engineering mit höchster Effizienz. So können Experten aus verschiedenen Bereichen ihr Wissen ergänzen und wir vermeiden, dass an unterschiedlichen Stellen die gleiche Entwicklungsarbeit parallel abläuft. Dadurch müssen wir Neues nicht zweimal erfinden. Lieber machen wir es einmal, aber aufgrund der Synergien schnell, gründlich und marktgerecht.
Beim Vertrieb und Service lassen sich ebenfalls Gemeinsamkeiten nutzen. Denkbar ist, dass manche Kunden nur eine unserer Marken kennen, die Produkte der Schwesterfirmen aber nicht. Wenn wir hier die anderen Produktfelder bekannt machen und die Bandbreite des Portfolios präsentieren, können wir vielleicht noch mehr anbieten, aus einer Hand. Der Kunde hätte den Vorteil, dass er für seine Kältetechnik nur einen Ansprechpartner hat, und zwar für Beratung, Konzeption, Umsetzung und Service. Und er erhält eine perfekt aufeinander abgestimmte Gesamtlösung.

? Wagen Sie doch bitte zum Schluss einmal einen Ausblick ins Jahr 2015. Welche Veränderungen kommen auf den Kältetechnikmarkt im Allgemeinen zu und welche Entwicklung erhoffen Sie sich für dieses Segment innerhalb der GEA Group?

Dr. Blaum: Zweifellos werden die Anforderungen an Effizienz und Umweltschutz steigen. Daher arbeiten wir intensiv an besseren Maschinen und dem Einsatz optimaler Kältemittel. Aber die Technik muss bezahlbar bleiben. Klima- oder Umweltschutz, der nicht finanzierbar ist, hat keine Chance. Wir behalten deswegen die Lebenszykluskosten im Auge – ein Gedanke, den Sie von mir aus den GEA Lufttechnik-Zeiten kennen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben: Viele der heute verwendeten Kältemittel sind – auch wenn sie heute deutlich umweltfreundlicher sind als vor Jahrzehnten – nicht frei von Risiken. Konventionelles Kältemittel hat ein Treibhauspotential und kann entweichen. GEA Grasso setzt auf klimafreundliche natürliche Kältemittel wie Ammoniak und CO2 und arbeitet an immer effizienteren Produkten. Das hilft den Kunden und der Umwelt.

Auf der Chillventa 2008 in Nürnberg haben wir die Kompressorserie „Grasso V“ angekündigt, die Schritt für Schritt im Markt eingeführt wird. Sie sparen gegenüber den Modellen der Serie „Grasso 12“ bzw. „Grasso 12 E“ etwa 2 bis 6 % Energie. Bei der Entwicklung der „V-Serie“ haben wir darauf geachtet, dass wir sie zu einem angemessenen Preis anbieten können; außerdem haben wir den Ölverbrauch halbiert sowie großzügigere Wartungsintervalle realisiert. Zu verdanken ist das u.a. der Reduktion der Bauteile, der geringen thermischen Belastung und dem internetbasierten Monitoring, das die Zahl der Starts und die Betriebszustände registriert und zustandsorientierte Serviceintervalle erlaubt. Ein anderes Beispiel für den technischen Fortschritt sind unsere neuen Schraubenverdichter, die den energieeffizienten Einsatz von Kohlendioxid in Wärmepumpen ermöglichen.

Worüber ich gerade geredet habe, ist jedoch eine normale Weiterentwicklung, die durch Marktanforderungen, Umweltauflagen und unsere unternehmerische Verantwortung motiviert ist. Als Unternehmen sind wir aber nicht nur unseren Mitarbeitern, Gesellschaftern und Aktionären gegenüber verpflichtet, sondern allen Menschen. Eine Idee von uns zielt darauf ab, Menschen in trockenen Regionen zu helfen, indem ein energieautarkes System Trinkwasser gewinnt: Das technische Auskondensieren von Luftfeuchtigkeit könnte preiswerter sein als der Transport von Trinkwasser oder die Entsalzung von Meerwasser. Dazu müssen Energieerzeugung und Kältetechnik aufeinander abgestimmt werden. Doch noch ist das nur ein Gedanke. Wenn wir soweit sind, werden wir unseren Ansatz näher erläutern.

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