Langlebige Saurier der Technik
Historische Laufzeiten von Kältemittelverdichtern
Was meinen Sie, mit welcher Laufzeit kann man bei Kältemittelverdichtern rechnen? Bei Kühlschrankverdichtern geht man von einer zu erwartenden mittleren Betriebszeit von 10 bis 15 Jahren aus. Das bedeutet bei einer Einschaltdauer von 30 bis 50 % eine Laufzeit des Hermetikverdichters von 40.000 bis 65.000 Betriebsstunden. Bei modernen Schraubenverdichtern in Industrieanlagen mit entsprechender smarter Überwachung, kann man heute vermutlich von einer mittleren Laufzeit von 80.000 bis 100.000 Betriebsstunden ausgehen – alles beachtliche Zahlen im Vergleich zum Automobilmotor, mit einer Lebenserwartung von ca. 600 Betriebsstunden. Doch einige Saurier der Kältetechnik laufen heute noch.
Der Verein „Historische Kälte- und Klimatechnik e. V.“ (HKK) entdeckte in einer kleinen Brauerei in Bayern zwei liegende Linde Kreuzkopfverdichter, hergestellt 1934 von der Maschinenfabrik Esslingen. Die Verdichter sind heute noch in Betrieb und vermutlich in den 85 Jahren um die 500.000 Betriebsstunden gelaufen. Nach Aussage des Betreibers gab es nur eine Generalinspektion vor ca. 30 Jahren durch Linde.
Diese Verdichter laufen noch heute zur Solekühlung und das erstaunlich wirtschaftlich. Denn eigentlich sollten die „alten“ Verdichter durch moderne ersetzt werden. Die Amortisation der Investition sollte durch die Energieeinsparung eines modernen Verdichters erfolgen, so die Auflage des Betreibers. Die Gegenüberstellung des Energiebedarfs fiel jedoch negativ aus –der neue Verdichter wäre nicht wirtschaftlicher zu betreiben gewesen. Der Austausch wurde deshalb verworfen.
Nachteil der Kreuzkopfverdichter ist allerdings, dass sie keine Leistungsregelung besitzen und von Hand mit einer entsprechenden Prozedur, an- und abgeschaltet werden müssen. Um das zu umgehen, ist jetzt die Drehzahlregelung eines der Verdichter mit Frequenzumformer geplant. Der Drehzahlbereich könnte damit zur Leistungsanpassung im Dauerbetrieb z. B. von 100 bis 300 U/min variiert werden – ohne Ab- und Anschaltung. Das hätte übrigens auch einen wesentlichen Vorteil hinsichtlich Dichtheit der Kolbenstangendichtung: Die Stopfbuchse ist im Betrieb weitgehend dicht, da die Stopfbuchskammer bei diesen Maschinen unter Öldruck der Zentralschmierung steht, der im Stillstand jedoch fehlt.
Wie kam es dazu, dass diese doch sehr aufwändige Verdichterkonstruktion, die wegen der Kolbenstangendurchführung nie ganz dicht zu bekommen ist, sich so lange am Markt behaupten konnte? Dabei gab es, wie der HKK bei der Digitalisierung des Fachbuches „Die Kältemaschine“ von Georg Göttsche feststellte, schon 1907 die ersten schnelllaufenden Verdichter z. B. von der Firma Freund in Düsseldorf. Der HKK glaubt den Grund in der bereits beschriebenen Wirtschaftlichkeit dieser langsam laufenden doppeltwirkenden Kreuzkopfverdichter gefunden zu haben.