Prozesswärme mit Hochtemperatur­wärmepumpen: Schlüssel­komponenten im Fokus

Ganzheitliche Entwicklung von Komponenten, Systemen und Prozessen

Die Abwärme industrieller Prozesse stellt eine wertvolle, jedoch häufig ungenutzte Ressource dar. Hochtemperaturwärmepumpen bieten eine wirtschaftlich attraktive Lösung, indem sie vorhandene, meist nicht verwertbare Niedertemperaturabwärme auf ein höheres Temperaturniveau anheben und als Prozesswärme nutzbar machen. Dadurch schaffen sie Unabhängigkeit von den schwankenden Preisen fossiler Energieträger und ermöglichen es Industriebetrieben, ihre Energie- und Betriebskosten zu senken. Auch die CO2-Bilanz der Produktionsprozesse profitiert, denn die Wärmerückgewinnung und -aufwertung mithilfe von Hochtemperaturwärmepumpen reduziert zusätzlich CO2-Emissionen. Die Basis bilden effiziente und zuverlässige Anlagenkomponenten, die speziell für die anspruchsvollen Betriebsbedingungen konzipiert wurden.

Bitzer entwickelt seit über 40 Jahren Verdichter für industrielle und gewerbliche Wärmepumpen, zum Beispiel die 1978 vorgestellte BHS-Hubkolbenverdichterserie, und hat sein Portfolio kontinuierlich erweitert. Dazu zählen sowohl Hubkolben-, Schrauben- als auch Scrollverdichter sowie passende Wärmeübertrager und elektronische Komponenten wie Frequenzumrichter. Seit 2014 liegt ein spezifischer Fokus der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten des Unternehmens auf Komponenten für Hochtemperaturwärmepumpen. In diesem Artikel bezeichnen Hochtemperaturwärmepumpen Anlagen, die industrielle Prozesswärme mit Nutztemperaturen von circa +70 °C bis +150 °C bereitstellen. Das entspricht Verflüssigungstemperaturen der Verdichter zwischen +80 °C und +160 °C.

Breite Einsatzmöglichkeiten in der Industrie

Ob Trocknen, Sterilisieren, Pasteurisieren oder Destillieren – viele industrielle Verfahren sind ohne Prozesswärme undenkbar. Mit bis zu 1.415 TWh pro Jahr entfällt mehr als die Hälfte des gesamten Endenergiebedarfs in Deutschland auf den Wärmesektor. Der Anteil der Prozesswärme liegt dabei bei etwa 40 %, wobei der Wärmebedarf überwiegend durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Erdöl, Erdgas und Kohle gedeckt wird*. Dies geht einher mit hohen CO2-Emissionen. Mit Blick auf die steigenden CO2-Preise von bis zu 55 € pro ausgestoßener Tonne (Stand 2025) stellen Hochtemperaturwärmepumpen eine zukunftsweisende Lösung dar, um Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern zu reduzieren. Sie eröffnen erhebliche Kosteneinsparpotenziale für Industriebetriebe und tragen zur Dekarbonisierung der Produktionsprozesse bei. Hochtemperaturwärmepumpen können hohe Prozesstemperaturen bereitstellen, indem sie vorhandene Niedertemperaturabwärme energieeffizient auf ein höheres, verwertbares Temperaturniveau anheben. Potenzielle Anwendungsfelder finden sich in verschiedenen Industriezweigen, wie in der Lebensmittel-, Papier-, Chemie- und Metallverarbeitung – überall dort, wo höchst wärmeintensive Prozesse erforderlich sind. 

Derzeit bietet Bitzer Serienkomponenten für Verflüssigungstemperaturen bis zu +125 °C und arbeitet intensiv mit vielen Projektpartnern und beteiligten Anwendern daran, diese Grenze effizient und zuverlässig auf +160 °C zu erweitern. Um Wärmepumpen noch effizienter zur Bereitstellung industriell nutzbarer Prozesswärme bei deutlich über +100 °C einzusetzen, ist auch eine Weiterentwicklung der Prozesse selbst entscheidend. Diese sind bisher hauptsächlich auf hohe Temperaturen und den Einsatz fossiler Brennstoffe ausgelegt. Optimierungen zur Senkung der erforderlichen Prozesstemperaturen sind essenziell, um den COP (Coefficient of Performance) von Wärmepumpen weiter zu verbessern und sie damit für industrielle Entscheidungsträger als wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu fossilen Brennstoffen darzustellen. Daher ist eine ganzheitliche Entwicklung von Komponenten, Systemen und Prozessen erforderlich. Bitzer ist als kompetenter Partner für Verdichtung und Wärmeübertragung aktuell in vielen Entwicklungsprojekten involviert.

Robuste Komponenten für flexible Anlagendesigns

Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten für Hochtemperaturwärmepumpen in der Industrie gehen mit unterschiedlichen Anforderungen an das Anlagendesign einher. Da Wärmequellen und Wärmesenken in der Regel nicht am selben Ort und zur selben Zeit verfügbar sind, sind maßgeschneiderte Lösungen zur Wärmeerzeugung erforderlich. Auf dem Weg zu Standardisierungen benötigen Anlagenbauer und Planer Flexibilität bei der Auswahl an Komponenten und Kältemitteln. Speziell für den Einsatz in Hochtemperaturwärmepumpen bietet Bitzer sowohl Hubkolben- als auch Schraubenverdichter, wobei im Folgenden der Fokus vorrangig auf der Schraubenverdichtertechnologie liegt.

Die Verdichter können mithilfe von externen Frequenzumrichtern betrieben werden, um eine hohe Effizienz der Wärmepumpe insbesondere bei Teillast sicherzustellen. Das ist notwendig, wenn auf große Pufferspeicher verzichtet werden soll und gleichzeitig für den Prozess eine exakte Vorlauftemperatur bereitgestellt werden muss. VARIPACK Frequenzumrichter enthalten zum Patent angemeldete Funktionen für einen besonders robusten und energieeffizienten Verdichterbetrieb unter erschwerten Bedingungen, wie es bei Wärmepumpen üblich ist. Eine passende Ergänzung bieten zudem wassergekühlte Rohrbündelverflüssiger der CRF Serie. Die Verflüssiger sind optimal auf den Hochtemperaturbereich abgestimmt und zeichnen sich durch ausgezeichnete Wärmeübertragungseigenschaften und Leistungen bis zu 1.680 kW aus (Abb. 1).

Kältemittel für Hochtemperaturwärmepumpen

Abb. 2 zeigt einige Temperaturbereiche typischer Kältemittel, die sich für den Einsatz in Hochtemperaturanwendungen eignen, in Abhängigkeit von der Verdampfungstemperatur, die etwas unterhalb der Wärmequellentemperatur liegt, und der Verflüssigungstemperatur, die etwas oberhalb der Wärmesenkentemperatur liegt. Grundsätzlich bieten sich Kältemittel mit günstigen thermodynamischen Eigenschaften wie einer möglichst hohen volumenstrombezogenen Wärmeleistung und hohem COP an.

Zusätzlich gilt es, die Vorgaben aktueller Kältemittelregularien zu bedenken. In der EU sind dabei allen voran die EU-F-Gase-Verordnung 573/2024 maßgeblich und mögliche PFAS-Verbote im Rahmen der EU-REACH-Chemikalienverordnung. Mit Blick auf den beschleunigten Phase-Down fluorierter Kältemittel werden insbesondere für Neuanlagen in der EU natürliche Kältemittel zunehmend an Bedeutung gewinnen. In Europa ist schon heute sichtbar, dass die Nachfrage nach Anlagenkonzepten für Hochtemperaturwärmepumpen auf Basis zukunftssicherer natürlicher Kältemittel weiter steigt.

Zahlreiche Neuproduktentwicklungen speziell für Hochtemperaturanwendungen in der EU legen daher auch einen Fokus auf den Betrieb mit natürlichen Kältemitteln. Wie in Abb. 2 ersichtlich, eignen sich dafür insbesondere verschiedene Kohlenwasserstoffe wie Isobutan (R600a), Butan (R600) und Isopentan (R601a). Bitzer verfügt über eine langjährige Erfahrung im Umgang mit Kohlenwasserstoffen. Halbhermetische und hermetische Verdichter von Bitzer erreichen durch die Ausführung und Prüfung ihrer Dichtsysteme eine erhöhte Dichtheit entsprechend EN1127-1 und gelten damit als dauerhaft technisch dicht. Diese Einstufung erlaubt beim Einsatz brennbarer Kältemittel, dass keine ATEX-Zone um den Verdichter angenommen werden muss. Dies vereinfacht die vom Anlagenhersteller auszuführende Risikobeurteilung der Anlage.

Forschung als Schlüssel zum Erfolg

Eine wichtige Grundlage für effiziente und betriebssichere Komponenten sind diverse Forschungsprojekte, von denen in den letzten Jahren bereits mehrere erfolgreich abgeschlossen wurden und weiterhin viele in laufender Bearbeitung sind. Bitzer arbeitet intensiv mit Forschungseinrichtungen und Industriepartnern zusammen, um die Weiterentwicklung und Optimierung von Hochtemperaturwärmepumpen voranzutreiben und die neuesten Ergebnisse in die eigene Produktentwicklung zu integrieren. Halbhermetische Hubkolbenverdichter von Bitzer waren beispielsweise schon Teil des HighRef-Forschungsprojektes (2014), das wichtige Erkenntnisse zur Eignung des Kältemittels R1336mzz(Z) für den Einsatz bei Verflüssigungstemperaturen bis zu +160 °C lieferte.

Das Kältemittel R245fa wurde bei der DryPump-Studie (2015) für den Einsatz in einer Hochtemperaturwärmepumpe für die industrielle Ziegeltrocknung umfassend getestet. Der Aufbau basierte auf einem halbhermetischen Schraubenverdichter von Bitzer. Die Temperatur der Wärmequelle betrug +90 °C und der Wärmesenke +130 °C.

Ein wegweisendes Forschungsprojekt für die Optimierung von Verdichterbauteilen für Hochtemperaturwärmepumpen war DryFiciency (2016–2020), das im Rahmen des EU-Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 gefördert wurde. Das Projektziel war die Entwicklung von Hochtemperaturwärmepumpen, die ungenutzte Abwärme industrieller Trocknungsprozesse als Prozesswärme mit bis zu +160 °C nutzbar machen. Zwei Anlagendesigns gingen aus diesem Projekt hervor, die unter realen Produktionsbedingungen in kooperierenden Industriebetrieben getestet wurden.

In Zusammenarbeit mit Agrana Stärke wurde in einer dieser Wärmepumpen die Beständigkeit von Bauteilen eines modifizierten, halbhermetischen HS74 Schraubenverdichters gegenüber hohen Temperaturen untersucht. Die Temperatur der Wärmesenke betrug +150 °C. Als Kältemittel kam R1336mzz(Z) zum Einsatz. Bewertet wurden die chemische Beständigkeit von Metallen und Kunststoffen sowie interne Toleranzen. Untersucht wurden Bauteile wie O-Ringe und Dichtungen am Druckentlastungs- und Rückschlagventil, mechanische und elektrische Teile sowie Kältemaschinenöle.

Leistungsstark bei ­Höchsttemperaturen

Die Ergebnisse des DryFiciency-Forschungsprojektes flossen maßgeblich in die Entwicklung der neuen CSH2T Serie ein, die Bitzer auf der Chillventa 2024 präsentierte (Abb. 3). Die CSH2T Kompaktschraubenverdichter mit integriertem Ölabscheider können mit Verflüssigungstemperaturen bis zu +125 °C Prozesswärme bis zu +120 °C für Wärmepumpenanwendungen bereitstellen und repräsentieren damit aktuell die Spitze der Schraubenverdichter für Hochtemperaturwärmepumpen im Bitzer Portfolio. Sämtliche Bauteile des Verdichters – von den Motoren über die Lager bis hin zum eingesetzten Kältemaschinenöl – wurden für die Betriebsbedingungen im Hochtemperaturbereich angepasst. Die Verdichter sind im ersten Schritt für R1233zd(E) und R245fa freigegeben und mit dem externen Frequenzumrichter VARIPACK verfügbar. Diese Kombination ermöglicht eine effiziente Drehzahlregelung und gewährleistet höchste Betriebssicherheit. Pro Verdichter kann circa 1 MW Wärmeleistung erreicht werden (Betriebspunkte: t0 = +70 °C, tC = +120 °C bei 60 Hz, Ausführung: CSH2T9583-240-35D mit R1233zd(E) im Economiserbetrieb). Größere Leistungen können bei Bedarf durch Parallelbetrieb mehrerer Wärmepumpen erreicht werden. Dadurch kann für kritische Prozesse auch die Redundanz gesteigert werden.

Die CSH2T Serie ist eine Weiterentwicklung der bewährten CSH.5 Kompaktschraubenverdichter für HFKW-/HFO-Kältemittel. Die Einsatzgrenzen der CSH2T Serie sowie der CSH.5 Serie sind für synthetische Kältemittel in Abb. 4 dargestellt. Im Rahmen weiterer Entwicklungen wird die CSH2T Serie auch für Kohlenwasserstoffkältemittel wie Butan (R600) und Isopentan (R601a) qualifiziert.

Ein Beispiel eines norwegischen Futtermittelunternehmens verdeutlicht das Kosteneinsparpotenzial von Hochtemperaturwärmepumpen für die Praxis. Die neue Wärmepumpe, betrieben mit erneuerbarem Strom aus Wasserkraft, stellt die benötigte Prozesswärme für die Trocknung von Fischfutter bereit und ersetzt das bisherige Verfahren basierend auf der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Die im Trocknungsprozess entstehende Abluft gibt ihre Wärme über Zwischenkreise ab, wodurch diese zurückgewonnen wird. Die Hochtemperaturwärmepumpe hebt die zurückgewonnene Wärme auf das für den Prozess erforderliche Temperaturniveau an und führt sie dem Trocknungsprozess erneut zu. Zudem wird der in der Abluft enthaltende Wasserdampf über Luft-Wasser-Wärmeübertrager teilweise kondensiert.

Die Wärmepumpe stellt Prozesswärme mit bis +120 °C für die Trocknung des Fischfutters bereit und wurde von einem Fachpartner von Bitzer realisiert. Ihr Herzstück sind Kompaktschraubenverdichter der CSH2T Serie. Diese werden mithilfe eines externen Frequenzumrichters drehzahlgeregelt betrieben und sind mit dem Schutzgerät SE-i1 ausgestattet. Dank Economiserbetrieb kann der COP weiter gesteigert werden, was sich als wirtschaftlich vorteilhafte Lösung erweist. Durch die Optimierung der Prozesstemperaturen und den Einsatz einer Hochtemperaturwärmepumpe konnte der Energieverbrauch bei der Trocknung des Fischfutters um bis zu 75 % gesenkt und rund 3.000 Tonnen CO₂-Äquivalent pro Jahr eingespart werden, wodurch sich die Investition in die Wärmepumpe schnell amortisiert.

Auf dem Weg zur Dekarbonisierung industrieller Produktionsprozesse

Der Markt für Hochtemperaturwärmepumpen bietet Anlagenbauern und Serviceunternehmen vielfältige neue Anwendungs- und Geschäftsfelder. Nicht nur auf Komponentenebene sind weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten unabdingbar, um die zukünftigen Anforderungen optimal erfüllen zu können. Für einen noch effizienteren Betrieb von Hochtemperaturwärmepumpen in industriellen Prozessanwendungen müssen auch die Prozesse selbst überarbeitet werden, da sie ursprünglich für den Einsatz von fossilen Brennstoffen ausgelegt worden sind. Im Sinne einer energetisch effizienten Prozessführung sollte das Ziel sein, Prozesstemperaturen so weit wie möglich abzusenken, um Industriewärmepumpen noch effizienter implementieren zu können. Wesentlich für den Erfolg von technisch und wirtschaftlich rentablen Hochtemperaturwärmepumpen ist zudem eine noch stärkere Vernetzung von Industriebetrieben, Komponenten- und Anlagenherstellern sowie spezialisierten Ingenieurbüros und Fachplanern, um den Wissensaustausch zu fördern und von Praxiserfahrungen zu profitieren.

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