Integration von Hochtemperatur-Wärmepumpen in erneuerbare Energiesysteme
Teil 2: Experimentelle Ergebnisse und Thermo-ökonomische Analysen
Die Energiewende wurde lange Zeit als reine Stromwende betrachtet. Doch durch den hohen Anteil des Wärmemarktes am deutschen Endenergieverbrauch ist es zwingend notwendig, auch in diesem Sektor eine Dekarbonisierung zu forcieren. Hochtemperatur-Wärmepumpen (HTWP) könnten in Zukunft einen großen Teil dazu beitragen. Allerdings war die Nutzung lange nicht wirtschaftlich und die Forschung zum Teillastverhalten von HTWP steht noch am Anfang. Mit dieser Motivation wurde in dieser Arbeit das Teillastverhalten einer HTWP auf Basis eines Simulationsmodells als auch anhand eines Versuchstandes mit einer thermischen Leistung von 35 kW untersucht. Die Erkenntnisse dienen thermo-ökonomischen Analysen für die Integration von HTWP in geothermische Energiesysteme. Dabei wurde zum einen die Vorlauftemperaturanhebung eines Fernwärmenetzes bei mitteltiefer Geothermie und zum anderen die Spitzenlastdeckung mittels HTWP bei tiefer Geothermie betrachtet. Im ersten Teil dieses zweiteiligen Beitrags (s. KKA 1/2023) wurden die Versuchsanlage und die Simulationsumgebung dargestellt. Der zweite Teil beschreibt nun die experimentellen Ergebnisse und thermo-ökonomische Analysen.
Experimentelle Ergebnisse
Die Versuchsanlage wurde in 10 verschiedenen Teillastpunkten vermessen. Dabei wurden die Randbedingungen von Wärmequelle und Wärmesenke möglichst konstant gehalten. Die Eintrittstemperaturen lagen jeweils bei 60 °C, die Wärmequelle wurde, je nach Betriebspunkt, bis auf 49 °C heruntergekühlt, die Wärmesenke auf eine Maximaltemperatur von bis zu 104 °C aufgeheizt. Vermessen wurde die Anlage in 5 Hz-Schritten von 25 Hz bis 70 Hz, also den vom Verdichter Hersteller zugelassenen Bereich.
In Abbildung 5 ist der Verlauf des COP, sowie der des Temperaturhubs über die steigende Verdichterfrequenz dargestellt. Mit steigender Frequenz und damit einer Erhöhung des Massenstroms des Arbeitsmediums, nimmt der COP ab und der Temperaturhub nimmt zu.
Somit lässt sich bei 25 Hz ein maximaler COP von 5,92, bei einer Heizleistung von 18,8 kW und einem Temperaturhub von 24,8 °C, erreichen. Auf der anderen Seite beträgt der maximale Temperaturhub, bei einer Frequenz von 70 Hz, 44,9 °C. Die abgegebene Heizleistung beträgt in diesem Betriebspunkt damit 35,2 kW und der COP 3,52.
In Abbildung 6 sind die thermischen Leistungen der Wärmequelle und Wärmesenke aufgetragen, sowie die vom System aufgenommene elektrische Leistung (Pel,Verdichter). Die Linien stellen die mit dem Simulationsmodell ermittelten Werte dar.
Die gemessenen Leistungen sind die von Wärmequelle (QWQ) und -senke (QWS) aufgenommenen, bzw. abgegebenen Leistungen. Damit werden hier also die Wasserkreisläufe betrachtet und die Wärmeverluste die an die Umgebung verloren gehen berücksichtigt. Diese sind im Simulationsmodell nicht berücksichtigt und trotzdem kann in den Messungen auf Seiten der Wärmesenke und -quelle eine höhere Leistung erzielt werden. Das lässt darauf schließen, dass die Korrelationen für die Wärmeübertrager noch angepasst werden müssen.
Dies verdeutlicht auch die Abweichung des berechneten COPs zu den Messwerten, in Abbildung 7 dargestellt. So steigen die Abweichungen im Teillastbereich noch verstärkt durch die Kombination von der aufgenommenen elektrischen Leistung, die im Teillastbereich zu hoch ist, und der thermischen Leistung der Wärmesenke, die im Teillastbereich zu niedrig ist. Somit ist die Anpassung der aktuellen Teillastmodelle Teil der aktuellen und weiterführenden Arbeiten.
Thermo-ökonomische Analysen
In dem folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der thermo-ökonomischen Analysen zur Integration von HTWP in Geothermiesysteme vorgestellt. Zum einen wird im Anwendungsfall 1 (AF1) die Substitution bestehender Spitzenlastsysteme wie Öl- oder Gaskesseln in Geothermie-Heizwerken untersucht. Zum anderen die Anhebung der Vorlauftemperatur bei mitteltiefer Geothermie (AF2). Die Anwendungsfälle werden mit Hilfe der Annuitätenmethode nach VDI 2067 [7] im Hinblick auf Ihre Wirtschaftlichkeit bewertet.
Annuitätenmethode nach VDI 2067
Die Annuitätenmethode zählt zu den dynamischen Investitionsrechnungen und wird für die Bewertung energietechnischer Projekte standesgemäß verwendet. Sie nutzt den Annuitätenfaktor a (Gleichung (3)), um eine Vorhersage über die jährlichen Kosten im Betrachtungszeitraum T zu geben.
Die weiteren Berechnungsgrundlagen und Randbedingungen für die thermoökonomischen Analysen wurden analog zu Jeßberger et al. [8] durchgeführt und können dort entnommen werden. Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen wurden zum einen auf Basis der Energiekosten aus dem ersten Quartal des Jahres 2021 (Q1/21) durchgeführt, mit Berücksichtigung des Förderprogramms „Modellvorhaben Wärmenetze 4.0“ [9]. Zum anderen wurden Preise aus dem ersten Quartal des Jahres 2022 (Q1/22) und das neue Förderprogramm „Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW)“ [10] herangezogen. Zu den Betriebskosten für Öl- und Gaskessel kommen noch die CO2-Abgaben die in dieser Studie auf 60 €/t CO2 festgesetzt sind. Die entsprechend betrachteten Szenarien der Energiekosten sind in Tabelle 1 dargestellt.
Die Investitionskosten des Öl- und Gaskessels sind im Basisszenario auf 100 €/kWth festgesetzt und die der HTWP auf 500 €/kWth. Im Folgenden werden nun die für den jeweiligen Anwendungsfall spezifischen Randbedingungen vorgestellt und anschließend die Ergebnisse diskutiert.
AF1: Spitzenlastdeckung mittels HTWP in einem Geothermie Heizwerk
Das dem AF1 zugrunde liegende Heizwerk befindet sich im Süddeutschen Molasse Becken, südlich von München und hat eine installierte thermische Leistung von 15 MW [11]. Das Heizwerk verfügt über zwei Förderbohrungen und eine Reinjektionsbohrung. Zur Spitzenlastdeckung werden Ölkessel mit einer Leistung von 8 MW eingesetzt, welche es in diesem Anwendungsfall durch eine HTWP zu ersetzen gilt. Da besonders im Bereich der Spitzenlastdeckung das Teillastverhalten der HTWP von Relevanz ist, wurde dieses für die Berechnung aus der Off-Design Simulation (Abbildung 4) herangezogen und der Jahreslastgang des Spitzenlastsystems aus dem Jahr 2015 als Input-Parameter verwendet (siehe Abbildung 8).
So wird für jeden Betriebspunkt (alle 15 min) der entsprechende COP der HTWP berechnet und fließt in das ökonomische Modell mit ein. In dem Heizwerk werden die Ölkessel nicht nur zur Spitzenlastdeckung, sondern auch zur Redundanz und zum Ausgleich von wartungsbedingten Ausfällen des Heizwerks genutzt. Durch die vergleichsweise hohen Investitionskosten einer HTWP werden diese beiden Einsatzbereiche in der Studie nicht berücksichtigt. Wie in Abbildung 8 zu sehen ist, kann das Heizwerk zwischen Mitte Mai und Mitte Oktober, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, den Wärmebedarf des Fernwärmenetzes (FWN) gänzlich decken. Ab Mitte Oktober steigt der Wärmebedarf dann an, um von Januar bis Mitte März etwa konstant bei etwa 4 MW zu liegen. Danach flacht der Bedarf wieder ab. Die Kurve zeigt nun, dass bei einer installierten thermischen Leistung von 8 MW die Wärmepumpe überwiegend unter 50 % der möglichen Leistung liefern muss. Außerdem ist in dem Modell eine festgesetzte Leistung von 800 kW der HTWP implementiert, wenn der Bedarf zwischen 0 % und 10 % Teillast liegt. In Abbildung 9 sind die Ergebnisse der ökonomischen Analyse dargestellt. Auf der linken Seite sind die Annuitäten für die vier betrachteten Szenarien (Gas, Öl, HTWP und HTWP unter Berücksichtigung der Fördermöglichkeiten) mit ihren Bestandteilen aufgetragen. Auf der rechten Seite die daraus resultierenden Wärmegestehungskosten (WGK). Die kapitalgebundenen Kosten spielen in AF1 eine sehr große Rolle, da durch die reine Spitzenlastdeckung die Vollaststunden in 2015 lediglich bei 308 h/a lagen.
Neben den unterschiedlichen Energiequellen zeigt die Grafik außerdem den Einfluss der Preisänderungen zwischen Q1/21 und Q1/22. Somit steigen die bedarfsgebundenen Kosten bei Öl um 45,75 %, bei Gas um 121,61 % und bei der HTWP um 57,23 %. Im Falle der geförderten HTWP steigen sie um lediglich 20,55 % da das BEW eine Betriebskostenförderung für Wärmepumpen in Höhe von 70 €/MWh einschließt. Somit zeigen die Ergebnisse, dass die WGK der geförderten HTWP noch 2021 etwa doppelt so hoch wie die eines Gaskessels waren, in Q1/22 aber mit etwa 169 €/MWh 7,12 % darunter lagen. Die Ergebnisse zeigen, den großen Einfluss von Parametern wie den Energiepreisen, dem COP und weiteren. Daher werden im Folgenden die Ergebnisse für AF2 dargestellt und Sensitivitätsanalysen durchgeführt, die den Einfluss der einzelnen Parameter auf die WGK aufzeigen sollen.
AF2: Temperaturanhebung bei mitteltiefer Geothermie
Im zweiten Anwendungsfall wird eine Betrachtung ohne Berücksichtigung des Teillastverhaltens durchgeführt. Für ein mitteltiefes, geothermisches Energiesystem wird ein COP der HTWP von 4, bei einem Temperaturhub ∆THub von 25 °C und 4000 Volllaststunden angenommen [2]. Die Thermalwassertemperatur soll 60 °C betragen und die Reinjektionstemperatur 40 °C. Das führt bei einer Schüttung von 100 kg/s und einer spezifischen Wärmekapazität cp von 3,839 kJ/kgK zu einer thermischen Leistung von 7,678 MWth. In Abbildung 10 ist dieses Konzept zur Integration einer HTWP zur Anhebung der Vorlauftemperatur bei mitteltiefer Geothermie dargestellt. Die Bohrtiefe beträgt 2000 m.
Auf Seiten der Wärmesenke, soll die Rücklauftemperatur des FWN 60 °C und die Vorlauftemperatur 85 °C betragen. Anhand von den gegebenen Daten lässt sich über die Energiebilanz der HTWP und Vernachlässigung der Wärmeverluste im Wärmepumpenkreislauf, die erreichbare Leistung für die Wärmesenke und damit für das FWN zu etwa 10,1 MWth berechnen. Als alternative Technologien werden auch in diesem Fall wieder Öl- und Gaskessel untersucht. Um das System ökonomisch zu analysieren, sind die in Tabelle 2 aufgeführten Randbedingungen für die geologischen Gegebenheiten angenommen worden [8].
Die Tauchkreiselpumpe (TKP) fördert das Thermalwasser an die Oberfläche. Ihre Einbautiefe ist abhängig vom Wasserspiegel im Bohrloch und von der maximalen Absenkung. In der Regel wird eine TKP in einer Tiefe von einigen hundert Metern verbaut, weshalb in diesem Fall eine Einbautiefe von 700 m angenommen wird, was zu einer Leistung von etwa 490 kW führt. Durch das stark mineralisierte Thermalwasser, haben die TKP eine Lebensdauer von etwa 3 bis 7 Jahren und müssen dann ausgetauscht werden. Im Fall der mitteltiefen Geothermie, wurde eine Nutzungsdauer von 7 Jahren angenommen, auf Grund der geringeren Belastung durch die vergleichsweise niedrigen Temperaturen. Bei den genannten Investitionskosten spielt die Lebensdauer eine große Rolle, daher wird im Folgenden ihr Einfluss auf die WGK genauer untersucht.
In Abbildung 11 sind wie im vorherigen Kapitel die Annuitäten sowie die daraus resultierenden WGK aufgetragen. Das Bild ist ähnlich, allerdings spielen bei Gas und Öl die Investitionskosten keine große Rolle durch den großen Anteil an bedarfsgebundenen Kosten. Auch hier ist der Einfluss der Förderungen gut zu sehen. Die geförderte HTWP ist wirtschaftlicher als Gas- oder Ölkessel. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen vorgestellt.
Sensitivitätsanalysen AF2
Um aussagekräftige Ergebnisse mit den Sensitivitätsanalysen zu erzielen, wurden acht Parameter ausgewählt, die einen Einfluss auf die WGK haben. Es wurden immer zwei Parameter gleichzeitig variiert, sodass ein Ergebnisraum entsteht, welcher verschiedene Kombinationen der beiden Parameter und ihr Zusammenspiel darstellt. Somit sind in Abbildung 12 auf der linken Seite der Einfluss der Nutzungsdauer (TKPNUTZ) sowie der Betrachtungszeitraum (T) dargestellt – auf der rechten Seite der Einfluss der Volllaststunden (tvh) sowie des Strompreises (celect).
Durch die Variation des Betrachtungszeitraums entsteht ein Optimum, welches durch notwendige Ersatzbeschaffungen für TKP und Wärmeübertrager bedingt ist. Der Einfluss der Nutzungsdauer zeigt deutlich, dass durch eine Weiterentwicklung der Technik die WGK bei sonst konstanten Bedingungen um bis zu 2 €/MWh gesenkt werden können, verglichen mit dem Basisfall. Im Falle von Tiefer Geothermie, wo die Nutzungsdauer geringer ist, würde die Einsparung dementsprechend größer ausfallen. Die Volllaststunden sowie auch der Strompreis zeigen einen sehr großen Einfluss wie auf der rechten Seite zu sehen ist.
In Abbildung 13 ist nun der Einfluss der einzelnen Parameter auf die WGK aufgezeigt. Daraus wird ersichtlich, dass die WGK am sensitivsten auf die Änderung des Strompreises reagieren, gefolgt von dem COP und den Volllaststunden. Aus den dargestellten Sensitivitätsanalysen lassen sich nun Schritte zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Verminderung der Umweltbelastung ableiten. Durch eine intelligente Wärmenetzplanung mit beispielsweise thermischen Speichern lassen sich die Volllaststunden erhöhen, sodass die WGK gesenkt werden können. Auf die Entwicklung der Energiepreise kann nur passiv durch Betriebskostenförderung, wie im BEW, Einfluss genommen werden. Durch eine Steigerung der Effizienz der Wärmepumpen, durch neue Anlagenkonzepte wie eine Kaskadenschaltung, Absorptions-Kompressions-Wärmepumpen oder neuartige Kältemittel, kann zum einen die Umweltbelastung verringert, sowie die Gewinne gesteigert werden.
Zusammenfassung und Ausblick
In dieser Arbeit wurden der Versuchsaufbau einer HTWP beschrieben, das dazugehörige Simulationsmodell vorgestellt und erste Messungen im Teillastbereich der HTWP, sowie thermo-ökonomische Analysen für die Integration von HTWP in geothermische Energiesysteme vorgestellt. Das Off-Design Simulationsmodell basiert auf bisher noch nicht angepassten Wärmeübertrager-Korrelationen sowie einer extrapolierten Verdichterkennlinie. Dennoch gibt das Teillastmodell der HTWP die Messwerte ausreichend genau wieder. Die ersten Messergebnisse zeigen einen maximaler COP von 5,92 bei einem Temperaturhub von 24,8 °C und einen maximaler Temperaturhub von 44,9 °C bei einem COP von 3,52. Zudem konnten weitere Forschungsaspekte für weiterführende Untersuchungen identifiziert werden. Hierzu zählen Einbauten wie eine Zylinderkopfkühlung, die Regelung der Durchströmung des IHX oder Anpassung der Überhitzung. Die thermo-ökonomischen Analysen zeigen im Fall der Temperaturanhebung bei mitteltiefer Geothermie als auch bei der Spitzenlastdeckung, dass die Integration von HTWP in Geothermiesysteme unter Berücksichtigung der aktuellen Förderbedingungen in Deutschland wirtschaftlicher ist als die Nutzung von Gas oder Öl.
Auf Basis dieser Arbeit werden in einem iterativen Prozess nun die Versuchsanlage und die Modelle optimiert und damit die ökonomischen Analysen verfeinert. Zusätzlich werden Stoffdatenanalysen durchgeführt, in welchen das Kältemittel und das Öl auf Dichte und Viskosität im Laufe der Messungen untersucht werden. In diesem Zusammenhang werden die Stoffe auch mittels gaschromatographischen Analysen auf mögliche Zersetzungsreaktionen untersucht.
Danksagung
Wir danken dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst im Rahmen des Projekts „Geothermie-Allianz Bayern“ für die Förderung.