Hygienegerechter Betrieb von Verdunstungskühlanlagen

VDI 2047 Blatt 2 Rückkühlwerke

Aufgrund der Legionellenepidemien in Ulm und Warstein hat der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) eine neue Richtlinie und Vorgaben erarbeitet, die für die Betreiber, Planer und Anlagenbauer von offenen Verdunstungskühlanlagen bezüglich der Hygiene bindend sind. Neuanlagen werden unter klaren Vorgaben geplant, in Betrieb genommen und betreut. Für bestehende Anlagen ist eine Gefährdungsbeurteilung unter hygienischen Gesichtspunkten zu erstellen. Auf dem ersten Blick ein kompliziertes Verfahren, auf den zweiten Blick eine sinnvolle Herangehensweise, die auch viele Vorteile bringt: Transparenz, höhere Betriebssicherheit und Einsparmöglichkeiten.

Durch den Fall Ulm ist eine neue Verordnung für Kühltürme (derzeit noch im Eckpunktepapier) in der Erstellung, die voraussichtlich noch 2015 als BImSchG erscheinen soll. Durch diese neue Verordnung wird der Stellenwert der VDI 2047-2 weiter angehoben.

Bei den vergangenen Legionellenausbrüchen, die auf offene Verdunstungskühlanlagen zurückzuführen sind, gab es keine gesetzliche Handhabe, um gegen die Verursacher vorzugehen. Das wird sich nun ändern. Es gibt eine CAPNETZ-Hochrechnung, dass in Deutschland bis zu 3000 Menschen jährlich durch Legionellenerkrankungen sterben. Der wohl größte Teil der Opfer ist auf zu schlecht betreute Trinkwassersysteme zurückzuführen, aber es gibt auch eine Grauzone im Bereich der offenen Rückkühlwerke. Daher war eine Reaktion des Gesetzgebers die logische Konsequenz. So wie man mit der neuen Trinkwasserverordnung Kontrollen bei größeren Anlagen zur Pflicht gemacht hat, will man sich  nun einen Überblick über die neuen und bestehenden offenen Verdunstungskühlanlagen verschaffen. Für Betreiber, die sich in der Vergangenheit mit ihren offenen Kühlanlagen beschäftigt haben, werden wenige Änderungen anstehen. Für Betreiber, die ihren Kühlturm nur als ein unbekanntes Etwas auf dem Dach kannten, wird eine neue Zeit anbrechen.

Wesentliche Inhalte der VDI 2047 Blatt 2

Anwendungsbereich

Die VDI 2047 Blatt 2 gilt für Verdunstungskühlanlagen und -apparate, bei denen Wasser verrieselt oder versprüht wird oder anderweitig in Kontakt mit der Atmosphäre kommen kann. Dabei ist es unerheblich, ob das Kühlwasser als Kühlmedium im Prozess direkt eingesetzt wird oder die Prozesswärme über Wärmeüberträger aus einem Primärkühlkreislauf auf einen Wasserkühlkreislauf übertragen wird.

Ziel der Richtlinie

Ziel ist es, die Betriebssicherheit der Anlagen sicherzustellen sowie die Minimierung von Gesundheitsrisiken. Der Betreiber einer Verdunstungskühlanlage hat den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene gemäß §4 des Arbeitsschutzgesetzes wahrzunehmen und zu erfüllen. Unter diesen Voraussetzungen ist die Wahl des Aufstellungsorts von untergeordneter Bedeutung.

Wasserbeschaffenheit

Aufbereitung des Rohwassers

Entfernung von Feststoffen (Filtration, Enteisenung, Entmanganung, Flockung)

Entfernung gelöster Stoffe (Enthärtung, Entkarbonisierung, Teil- und Vollentsalzung)

Desinfektion (hygienerelevante Parameter müssen vor Befüllung bekannt sein)

Behandlung des Kreislaufwassers

Entfernung von Feststoffen (Filtration)

Dosierung von Stoffen (Härtestabilisatoren, Korrosionsinhibitoren, Dispergiermittel)

Begrenzung mikrobiologischer Belastungen (Biozide, UV-Bestrahlung)

Betrieb und Instandhaltung

Ziel ist es, eine Verdunstungskühlanlage mit möglichst geringem hygienischem Risiko zu betreiben. Der regelmäßigen technischen Instandhaltungs- und Hygienekontrolle kommt ein großer Stellenwert zu.

Gefährdungsbeurteilung

(von einer hygienisch fachkundigen Person nach hygienischen Aspekten zu erstellen)

a) Risikoanalyse

Identifikation von Gefährdungen

Risiken hinsichtlich des potentiellen Schadensausmaßes und Eintrittswahrscheinlichkeit für die Gefährdungen betrachten

b) Risikobewertung        

Priorisierung der Risiken hinsichtlich ihrer potentiellen Auswirkungen auf die hygienische Sicherheit

Einschließlich einer vollständigen Dokumentation der Verdunstungskühlanlage.

Hinweis: Auch der Einsatz von Gefahrstoffen ist zu berücksichtigen.

Hygienekontrollen

(regelmäßige Inspektionen, mikrobiologische und chemisch-physikalische Untersuchungen)

Für die mikrobiologischen Untersuchungen des rückgekühlten Wassers wird eine Wasserprobe entnommen. Die Untersuchungen auf Legionella spp. sowie die allg. Koloniezahl sind mindestens alle drei Monate in einem nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditierten Labor durchzuführen. Die Untersuchung auf Pseudomonas aeruginosa liefert weitere Informationen und wird zusätzlich empfohlen.

Bedingt durch veränderliche Umgebungsbedingungen kann ein engeres Untersuchungsintervall, z.B. monatlich, sinnvoll sein.

Folgende Parameter sind zu untersuchen:

Allgemeine Koloniezahl: aerobe und fakultativ anaerobe, heterotrophe Bakterien. Die allgemeine Koloniezahl dient zur Überwachung des mikrobiologischen „Normalzustands“ des Kreislaufwassers. Die Einhaltung des „Normalzustands“ kann durch eine betriebsinterne Kontrolle, z.B. 14-tägig mittels Eintauchnährmedien (Dipslides) erfolgen.

Maßnahmen bei Veränderung der allgemeinen Koloniezahl:

Legionella spp: Krankheitserreger, deren Übertragung durch Aerosole stattfindet. Das Vorhandensein von Legionellen im Kreislaufwasser ist weder durch den Parameter „allg. Koloniezahl“ noch durch andere Indikatorbakterien nachweisbar. Ein direkter Nachweis dieses humanpathogenen Bakteriums ist im Sinne des Gesundheitsschutzes unabdingbar.

Maßnahmen in Abhängigkeit von der Legionellenkonzentration:

Chemische und chemisch-

physikalische Untersuchungen

Die elektrische Leitfähigkeit ist kontinuierlich, mindestens aber 14-tägig zu bestimmen.

Prozess- und anlagenspezifisch sind unter anderen folgende Parameter des Kreislauf-wassers nach Bedarf zu bestimmen:

pH-Wert

Gesamthärte

Chlorid

KS 4,3

Konzentration des Konditionierungsmittels

Der Zeitraum zwischen aufeinanderfolgenden Messungen darf auf bis zu zwei Monate ausgedehnt werden, sofern dokumentiert ist, dass die Werte im laufenden Betrieb stabil sind.

Checkliste für regelmäßige Inspektionen

Die VDI 2047-2 unterscheidet bei Neuanlagen die Verantwortlichkeiten der Beteiligten wie folgt↓

Realisierung einer Verdunstungskühlanlage

In Bezug auf Wasserqualität ist folgendes Vorgehen zu beachten

VDI-Qualifikationsschulung

Analog zur schon länger bestehenden Schulungsreihe der VDI 6022 (RLT Anlagen) und VDI / DVGW 6023 (Trinkwassersysteme) wird mit der VDI 2047 eine neue Schulungsreihe für den Kühlturmbetrieb gestartet, um auch hier den hygienischen Betrieb qualifiziert abzusichern.

Solche Schulungen werden von verschiedenen Unternehmen angeboten. Auch die Schweitzer-Chemie bietet als VDI-Schulungspartner VDI 2047 Blatt 2 Schulungen an, mit Originalrichtlinie VDI 2047-2 und VDI 4250-2 im Entwurf.

Zusammenfassung

Ziel der neuen Hygienerichtlinie für offene Verdunstungskühltürme ist es, das Legionellenrisiko zu minimieren. Die Betreiberverantwortung bekommt in diesem Zusammenhang einen hohen Stellenwert. Der Betreiber muss das Risiko der Legionellenverbreitung durch seinen Kühlturm durch regelmäßige Kontrollen, Wartungen und notwendigen Maßnahmen begrenzen. Der passenden Wasserqualität, der richtigen Wasserbehandlung, Filtertechnik, Dosiertechnik und der notwendigen Mess- und Regeltechnik kommt eine große Bedeutung zu. Die kompetente Abstimmung dieser Faktoren ist entscheidend für einen problemlosen Betrieb solcher Kühlsysteme. Die enge Abstimmung zwischen Planer, Anlagenbauer, Wasserfachmann und Betreiber ist die Basis für die erfolgreiche Umsetzung von Projekten mit offenen Verdunstungskühltürmen in denen Wasser versprüht oder verrieselt wird.

Die VDI 2047 B. 2 empfiehlt, dass die Betreiber von betroffenen Kühltürmen sich die fachliche Kompetenz aneignen, um die aktuelle Situation ihres Systems einschätzen zu können. Entsprechende Schulungen sind eine gute Möglichkeit.

Anlagen, die nur zeitweise betrieben werden (adiabate Kühler, Hybridkühler, prozessbedingte Unterbrechungen), müssen schon nach sieben Tagen Unterbrechung eine abgestimmte Inbetriebnahme durchführen – Maßnahmen, die mit einem gewissen Aufwand verbunden sind.

Neben den entsprechenden VDI 2047-Schulungen gibt es verschiedene Veranstaltungen, die dieses umfangreiche Thema der Kühlwasserhygiene beleuchten. Am
20. April 2015 veranstaltete z.B. der TÜV Nord/DMT in Berlin eine Vortragsveranstaltung zu diesem Thema.

Speziell für Planer und Anlagenbauer wird die Schweitzer-Chemie zusammen mit vier renommierten Kühlturmherstellern und dem TÜV vier Planertage durchführen. Im Raum München (19.05.), Mannheim (21.05.), Dortmund (09.06.) und Hamburg (11.06.) werden die Teilnehmer die Information bekommen, um sich auf die neue Situation einzustellen.

Die Energie- und Klimapolitik der EU fordert eine Steigerung der Energieeffizienz um mindestens 20 % bis zum Jahr 2020. Diese Vorgabe erfüllt man mit Verdunstungskühlanlagen wesentlich leichter als mit Luftkühlern. Daher wird der typische Nasskühlturm auch in der Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Kälte- und Prozesstechnik sein. Fachunternehmen wie die Schweitzer-Chemie sorgen dafür, dass diese Technologie problemlos betrieben werden kann.

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