Hygienische Anforderungen an Verdunstungskühlanlagen

Berücksichtigung der VDI-Richtlinie 2047

Kühltürme waren in der Vergangenheit mehrmals als Auslöser für die Verbreitung von Legionellen in den Schlagzeilen. Diese Ereignisse waren u.a. ein Grund für die Schaffung eines VDI-Ausschusses, der sich mit dem Thema der Verdunstungskühlanlagen beschäftigte. Die VDI-Richtlinie 2047 mit dem Titel „Sicherstellung des hygienegerechten Betriebs von Verdunstungskühlanlagen“ ist das Resultat – eine Studie, mit der sich Planer, Betreiber und Anlagenbauer auseinandersetzen sollten.

Auf den ersten Blick scheint der Betrieb eines Nasskühlturms gegenüber anderen Technologien wie Trockenkühlung Nachteile aufzuweisen. Trotz der erhöhten Anforderungen und den damit verbundenen Wartungsmaßnahmen ist der Betrieb einer Verdunstungskühlanlage eine effiziente, wirtschaftliche Technik. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass Wasser in der Kältetechnik das am weitesten verbreitete Medium ist, welches die höchste spezifische Wärmekapazität aufweist und somit für Kühlzwecke besonders geeignet ist.

Aber auch konkurrierende Systeme wie Trockenkühlung sind nicht wartungsfrei. Für jeden Verwendungszweck ist eine hinreichende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchzuführen. Bestehende Systeme müssen nicht zwangsläufig ersetzt werden, sondern können mit innovativen Modifizierungsmaßnahmen dem Stand der Technik angepasst werden, so dass ein bestimmungsgemäßer Betrieb unter gesundheitsrelevanten und energetischen Gesichtspunkten sichergestellt werden kann

Rückkühlwerke können Quellen für luftgetragene Mikroorganismen sein. Der Betreiber steht in der Verantwortung, das Risiko aus dem Betrieb solcher Anlagen zu minimieren. Untersuchungen im europäischen Umfeld zeigten, dass bei Auftreten einer Legionellose unter anderem auch Nasskühltürme als Quelle für diese Erkrankung in Frage kommen. Bei der Überprüfung der verursachenden Anlagen wurde festgestellt, dass oft kein ordnungs- und bestimmungsgemäßer Betrieb erfolgte.

Legionellen sind im Wasser lebende, stäbchenförmige Bakterien. Sie finden in erwärmtem Wasser mit einer Temperatur von etwa 20 bis 50 °C optimale Bedingungen zur Vermehrung. Hierzu gehören z.B. Warmwassererzeugungs- und Warmwasserverteilungsanlagen, Wassertanks, Kühltürme, Schwimmbäder oder Klimaanlagen.

In der jüngeren Vergangenheit traten in Deutschland zwei Fälle der Verbreitung von Legionellen durch einen Kühlturm auf. Zum einen in Ulm zu Beginn des Jahres 2010 und zum anderen im Sommer 2013 in Warstein. Unmittelbar nach dem ersten Ereignis zeigten sich Lücken in den entsprechenden Regelwerken. Die bis dahin zu berücksichtigenden Richtlinien (VDI-Richtlinien 3803, 6022) entstammen alle dem Bereich der Raumlufttechnik wie bereits im Titel bzw. Geltungsbereich erkennbar. Streng genommen fanden alle Verdunstungskühlanlagen aus dem Bereich der Produktion keine Berücksichtigung.

Unmittelbar nach dem Vorfall in Ulm nahm sich der VDI des Themas an und rief den Ausschuss ins Leben, der seine Arbeit an der Richtlinie 2047 im Juli 2014 abschloss. Die Veröffentlichung des Weißdrucks mit dem Titel „Sicherstellung des hygienegerechten Betriebs von Verdunstungskühlanlagen“ ist Ende des Jahres zu erwarten. Auch wenn die strafrechtliche Aufarbeitung in Ulm inzwischen abgeschlossen ist, kommt der oben genannten Richtlinie nach wie vor eine große Bedeutung zu.

Geltungsbereich und Umsetzung

Der Geltungsbereich umfasst sowohl bestehende, als auch neu zu errichtende Verdunstungskühlanlagen und -apparate, bei denen Wasser in Kontakt mit der Atmosphäre gebracht wird. Ausgenommen sind lediglich Naturzugkühltürme mit einer thermischen Leistung von mehr als 200 MW. Für den Geltungsbereich der Richtlinie ist es unerheblich, ob das Kühlwasser als Kühlmedium im Prozess direkt eingesetzt wird oder die Prozesswärme über Wärmeübertrager aus einem Primärkühlkreislauf auf einen Wasserkühlkreislauf übertragen wird. Es besteht die Möglichkeit, dass die Inhalte der Richtlinie eine rechtliche Aufwertung erfahren und in einer „Verordnung über Verdunstungskühlanlagen, Nassabscheider und Naturzugkühltürme“ zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Berücksichtigung finden. In diesem Fall ist für bestehende Anlagen mit einer Anzeigepflicht innerhalb eines Jahres nach in Kraft treten der Verordnung zu rechnen. Bei der Umsetzung der Anforderungen ist für bestehende Anlagen eine Übergangsfrist von fünf Jahren zu erwarten

Inhalt

Die Betreiber von Rückkühlwerken stehen in der Verantwortung, das Risiko aus dem Betrieb dieser Anlagen zu minimieren. Die VDI-Richtlinie 2047 formuliert diese Verantwortlichkeiten und gibt Hinweise zum hygienegerechten Betrieb. Die Richtlinie umfasst neben Hinweisen und Vorschlägen zu Konstruktion, Planung, Errichtung, Inbetriebnahme, auch die Anforderungen an Betrieb, Inspektion, Wartung und Instandhaltung. Außerdem gibt die Richtlinie Empfehlungen zur Auswahl sowohl der Werkstoffe, der Konditionierungsmittel, der Biozide, als auch des Aufstellortes und der Steuerung der Kühltürme. Bereits in der Planungsphase ist es unabdingbar, auch die zur Verfügung stehende Wasserqualität zu berücksichtigen und darauf zumindest die wasserberührten Werkstoffe abzustimmen.

Neben der Wasserbeschaffenheit des Zusatz- bzw. Systemwassers findet auch der Wechsel von Betrieb und Stillstand eines Kühlsystems seine Berücksichtigung. Hier sind auch die Steuerungselemente angesiedelt, mit denen eine angepasste biozide Behandlung in Phasen des Stillstands zu realisieren ist (Abb. 1). Wesentliche Punkte dieser Richtlinie sind z.B. neben den deutlich verkürzten Überwachungsintervallen, vor allem für die biologische Belastung, auch die neu festgelegten Maßnahmenwerte. Eine stärkere Beachtung der Anforderungen an die Wasserqualität seitens der Lieferanten von Anlagen-  bzw. Systemkomponenten ergänzen dies.

Wesentliche Neuerungen

Empfehlungen für die chemische und physikalische Qualität des Umlaufwassers, wie sie beispielsweise aus der VDI-Richtlinie 3803 bekannt sind, sind nicht mehr enthalten. An deren Stelle tritt der Hinweis, die Vorgaben von Anlagen- und Komponentenherstellern zu berücksichtigen. Dies bedarf bereits im Vorfeld, also bei Planung und Konstruktion eines Kühlsystems, der intensiven Beschäftigung mit den einzusetzenden Werkstoffen.

In diesem Zusammenhang ist auch die Qualität des zu Verfügung stehenden Rohwassers zu betrachten. Sowohl die mikrobiologische, als auch die chemische und physikalische Beschaffenheit können eine Wasseraufbereitung erforderlich machen. Damit trägt die Richtlinie vor allem den Betreibern Rechnung, denen es nicht möglich oder zumutbar ist, Trinkwasser für die Nachspeisung einzusetzen. Erwähnenswert ist hier, dass bei einer mikrobiologischen Vorbelastung des Zusatzwassers ein besonderes Augenmerk auf die biozide Behandlung des Umlaufwassers zu legen ist.

In allen Stufen, von Planung bis Inbetriebnahme, stellen Risikoanalysen und -bewertungen eine entscheidende Einflussgröße und ein Korrektiv für die weiteren Maßnahmen dar.

Bei den Hinweisen und empfohlenen Intervallen für Inspektionen (Tabelle 1) stehen nicht nur  die mikrobiologischen Untersuchungen im Blickpunkt. Auch eine regelmäßige Kontrolle der wasserberührten Oberflächen z.B. auf Ablagerungen und Korrosion ist unerlässlich. Neben einer ungünstigen Beeinflussung des Wärmeübergangs, der Verminderung des Wirkungsgrads oder einem beginnenden Korrosionsschaden sind diese Oberflächen ideal geeignet zur Besiedelung mit Mikroorganismen und damit für die Entstehung von Biofilmen.

Für jedes Kühlwassersystem existiert ein Normalzustand („Nulllinie“) hinsichtlich der allgemeinen Koloniezahl, der generell zu ermitteln ist. Im Anschluss an diese Bestimmung erfolgen die weiteren Untersuchungen im Abstand von zwei bis vier Wochen. Für die Untersuchung auf Legionellen ist ein Intervall von maximal drei Monaten vorgesehen.

Die mikrobiologischen Parameter „allgemeine Koloniezahl“ und „Pseudomonas aeruginosa“ sind lediglich als technische Parameter und für den Arbeitsschutz relevant. Hintergrund dafür ist, dass zum einen kein Zusammenhang mit der Konzentration an Legionellen besteht und zum anderen nicht zu befürchten ist, dass von diesen beiden ein Risiko für die Bevölkerung ausgeht.
Treten während des Betriebs Abweichungen von dem oben genannten Normalzustand auf, stellt dies einen deutlichen Hinweis auf einen nicht ordnungsgemäßen Betrieb dar. Eine erhöhte Konzentration an Pseudomonas aeruginosa ist ein Indiz für das Vorhandensein von Biofilmen, nicht ausreichende biozide Behandlung oder eine mangelhafte Instandhaltung. Die Einhaltung des Normalzustands hinsichtlich der allgemeinen Koloniezahl ist Bestandteil einer betriebsinternen Prozesskontrolle. Die Bestimmung der Gesamtkoloniezahl (Bakterien) erfolgt mittels Eintauchnährböden (Dip-Slides).
Bei einer Überschreitung des in Tabelle 2 genannten Maßnahmewerts für Legionella spp. besteht Handlungsbedarf. Die Dringlichkeit ist von der ermittelten Konzentration abhängig. Es sind die physikalischen und chemischen Parameter sowohl des Zusatzwassers, als auch des Systemwassers auf Auffälligkeiten zu überprüfen. Wie bereits bei den Inspektionen erwähnt, ist für diesen Fall eine detaillierte Analyse des Systems und der Betriebsbedingungen erforderlich. Auch die Betrachtung des Orts der Probenahme und ihre Repräsentanz für das gesamte System (Abb. 2) können Informationen liefern.

Die letzte, allerdings nicht die unwesentlichste Neuerung sind die Anforderungen an verantwortliche oder tätige Mitarbeiter im Bereich von Kühlsystemen. Um diese erfüllen zu können, ist eine Schulung vorgesehen, die mit einer Leistungskontrolle abschließt und durch Urkunde bestätigt wird.
Die Schulungsinhalte berücksichtigen die Hygieneanforderungen, die sich bei Planung, Errichtung, Betrieb und Instandhaltung von Verdunstungskühlanlagen ergeben. Weiterhin ist das Ziel der Schulung, den Betreibern zu vermitteln, wie die für den Betrieb erforderlichen Betriebs- und Handlungsanweisungen für eine hygiene‑gerechte Praxis zu verstehen, umzusetzen oder auch zu erstellen sind.

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