Alle Möglichkeiten der Energieeinsparung genutzt

BHKW, Absorptionskälte, Kühlturm und Freikühler kombiniert

Winkelmann Powertrain Components nutzt eine neue Anlage für die Kälteerzeugung, die gleich mehrere Register effizienter Kältetechnik zieht. Beteiligt sind, um nur die Hauptkomponenten zu nennen, ein BHKW, eine Absorptionskältemaschine, eine „Turbocor“- und eine Kompressionskälteanlage sowie ein Kühlturm und ein Freikühler. Das Ergebnis: Kälte für die Produktion wird bedarfsgerecht mit hoher Energieeffizienz und hoher Verfügbarkeit bereitgestellt.

Zahnkränze, Riemenscheiben, Schwingungsdämpfer, Leitungen für Einspritzsysteme, Rotor- und Statorträger: Das Produktspektrum, das Winkelmann Powertrain Components der Automobilindustrie bietet, ist breit und deckt neben der klassischen Motoren- und Getriebetechnik auch die Elektromobilität ab.

 

Hoher Kältebedarf bei unterschiedlichen Prozessen

Als einer der weltweit führenden Zulieferer von Motoren- und Getriebekomponenten beschäftigt das Unternehmen rund 4.000 Mitarbeiter und arbeitet für alle namhaften Automobilhersteller sowie viele „Tier One“-Zulieferer. Zu den Kerntechnologien, die das Unternehmen am Hauptsitz in Ahlen/Westfalen anwendet, gehören in der Metallverarbeitung die Umformtechnik und die Oberflächenbehandlung. In der Kunststoffverarbeitung dominieren das Vulkanisieren z.B. von Schwingungsdämpfern sowie die von Winkelmann entwickelte Duroplasttechnik, eine Kombination von Spritzgießen und Pressen.

Für fast alle dieser Prozesse benötigt man auch Kälte – sei es zur Kühlung der Spritzgussteile, zum Abschrecken von gehärteten Getriebekomponenten oder Stahlwellen oder zur Oberflächenveredelung von Metallbauteilen.

 

Innovative Lösung statt „Weiter so“

Als die vorhandene Kälteanlage in Ahlen/Westfalen am Ende ihrer Lebensdauer angekommen war, entschieden die Verantwortlichen in Einkauf und Energiemanagement, nicht einfach eine neue Anlage anzuschaffen, sondern die gesamte Kälteerzeugung grundsätzlich zu überdenken. Leitlinie war dabei der Wunsch nach größtmöglicher Effizienz und die Kombination mit anderen Prozessen der innerbetrieblichen Energieversorgung. Tobias Meßmann, Energiemanager im Strategischen Einkauf der Winkelmann-Gruppe: „Wir sahen die Gelegenheit, eine bedarfsgerechte Kälteversorgung zu realisieren, die deutlich wirtschaftlicher arbeitet als eine Stand-alone-Kälteanlage.“

 

Drei Kälteanlagen mit unterschiedlichen Wirkprinzipien

Um hier das Optimum zu erreichen, beauftragte Winkelmann die Getec-Gruppe mit der Projektierung einer solchen Anlage. Getec, Spezialist für ingenieurtechnische Dienstleistungen in der Energie- und Versorgungstechnik, suchte wiederum die Kooperation mit L&R Kältetechnik.

Beide – Getec und L&R – projektierten eine Kälteanlage, bei der mehrere Maschinen mit unterschiedlichen Wirkprinzipien bedarfsgerecht zusammenwirken: eine wassergekühlte „Turbocor“-Kältemaschine, eine Absorptionskältemaschine und eine luftgekühlte Kompressionskältemaschine. Außerdem gehört eine Kühlturmanlage zum Gesamtsystem. 

 

BHKW liefert Wärme für die Absorptionskältemaschine

Das scheint auf den ersten Blick viel Aufwand für eine klar umrissene Aufgabe – die Bereitstellung von Kälte für die weitläufige Produktion. Aber es ist eindeutig wirtschaftlicher als eine Einzelanlage, und das hat seinen Grund auch in der Gesamtkonstellation der Energieversorgung. Stefan Sundermann, Abteilungsleiter und Projektverantwortlicher der Getec Contracting GmbH: „Wir haben für Winkelmann ein Gesamtkonzept entwickelt, das die dezentrale Energie- und Wärmeversorgung über ein Blockheizkraftwerk vorsieht.“

Das BHKW liefert in den Wintermonaten Wärme für die Hallenbeheizung und elektrischen Strom. Im Sommer wird der Wärmeanteil der Energieerzeugung hingegen genutzt, um die Absorptionskältemaschine zu versorgen, die über eine Kühlleistung von 300 kW (Heizleistung 380 kW) verfügt. Damit steht quasi kostenlos die Energie für Kälteerzeugung bereit. 

 

Ganzjährige Grundversorgung über Absorptionsmaschine

Die ganzjährige Grundversorgung mit Kälte übernimmt eine Absorptionskältemaschine, die Spitzenlast wird über eine wassergekühlte Kältemaschine mit „Turbocor“-Verdichter und einer Kühlleistung von 400 kW abgedeckt. Sie wird bedarfsgerecht gesteuert und arbeitet sehr wirtschaftlich sowohl in einem großen Regelbereich als auch unter Volllast. Damit ist sie die ideale Spitzenlastmaschine für die Anforderungen von Winkelmann.

 

Für den Winterbetrieb: Freikühler

Ein weiterer Baustein für die effiziente Kälteerzeugung ist der schon vorhandene adiabate Freikühler des Herstellers Cabero mit einer Kühlleistung von 800 kW. Er wird genau dann aktiv, wenn das BHKW keine oder weniger Energie für die Absorptionskältemaschine bereitstellt – nämlich im Winter. In diesem Fall liefert also quasi die Natur die Energie für die Kälteerzeugung. Für zusätzliche Flexibilität und wirtschaftlichen Betrieb sorgt die Tatsache, dass der Freikühler bei Spitzenlast und hohen Umgebungstemperaturen besprühbar ist.

 

Kompressionskälteanlage als Back­up und für Spitzenlasten

Als dritte Kälteerzeugungsanlage wurde eine luftgekühlte L&R-Kompressionskälteanlage mit einer Kälteleistung von 385 kW und zwei getrennten Kältekreisen installiert. Sie dient ausschließlich als Backup-Maschine für den Fall, dass eine der anderen Anlagen ausfällt, und für die absolute Spitzenlastabdeckung. Auch diese Maschine lässt sich in einem breiten Leistungsbereich (25 bis 100 %) bedarfsgerecht regeln.

 

Rückkühlung durch kompakte Kühlturmanlage

Das in den Kältemaschinen verwendete Kühlwasser wird über eine Kühlturmanlage mit einer Kühlleistung von 900 kW wieder von 33 °C auf 27 °C zurückgekühlt. Die Kühlluftzufuhr erfolgt über drehzahlgeregelte Ventilatoren, für deren Betrieb eine Motor-Maximalleistung von 15 kW ausreicht. Bis zu 130 m3/h Wasser können mit hoher Effizienz rückgekühlt und von dort aus wieder in die Maschinen gespeist werden. Um alle Last- und Bedarfsfälle abzudecken, können Kühlturmanlage und Freikühler parallel laufen.

Platzsparend wird die Gesamtanlage u.a. dadurch, dass die Backup-Kältemaschine, die Radial-Kühlturmanlage sowie der adiabate Freikühler auf dem Doppelcontainer untergebracht werden konnten. Im Container sind die Behälter, Pumpen, Schaltschränke, die Absorptionskältemaschine und die „Turbocor“-Maschine montiert.

 

Praxisbetrieb: Ganzjährig effizient 

In der Praxis steht der Produktion von Winkelmann ganzjährig Kälte zur Verfügung, die ausgesprochen effizient erzeugt wird. Im Sommer liefert das eigene BHKW die bei der Stromerzeugung anfallende Abwärme an die Absorptionskältemaschine, die somit aus Wärme Kälte erzeugt. Im Winter wird die Kälte zur Rückkühlung des Kühlwassers – über den Freikühler – aus der Umgebung entnommen.

Auch die drei Kältemaschinen selbst arbeiten jede für sich mit hoher Effizienz. „Turbocor“-Anlagen sind in der Branche bekannt für energiesparende Kälteerzeugung insbesondere im Teillastbereich, und die Kompressionskälteanlagen von L&R sind mit zahlreichen energiesparenden Komponenten und Detaillösungen ausgestattet.

Selbstverständlich gehören auch die Wasser­aufbereitung (Absalzautomatik, Korrosionsschutz und Biozid), die Filtrationsanlagen und auch eine 8.000 Liter-Tankanlage für den Kühlturmkreislauf zum Lieferumfang.

 

Im Zentrum: Die Steuerungstechnik

So wichtig die Energieeffizienz der einzelnen Maschinen und Kernkomponenten auch ist: Eine ganz zentrale Voraussetzung für den wirtschaftlichen Betrieb der Gesamtanlage ist die optimale Fahrweise, die sich erst aus dem Zusammenspiel aller Maschinen sowie aus dem bedarfsorientierten Betrieb sämtlicher Komponenten ergibt.

Hier spielt also die Steuer- und Regelungstechnik die zentrale Rolle. Auf diesem Gebiet hat L&R große Erfahrung vorzuweisen. Der Schaltschrankbau wird prinzipiell nicht delegiert, sondern in einem eigenen Werk durchgeführt, auch die SPS-Programmierung erfolgt in-house bei L&R.

Der Energieverbrauch sämtlicher Anlagenkomponenten wird über Energiezähler protokolliert. Dabei wird sowohl die thermische als auch die elektrische Energie erfasst, um eine tagesaktuelle Leistungszahl und eine Jahresleistungszahl zu ermitteln.

 

Fahrweise in Abhängigkeit von der Außentemperatur

Die gesamte Kalt- und Kühlwasseranlage arbeitet in Abhängigkeit von der Außentemperatur. So kann immer die energetisch günstigste Fahrweise realisiert werden. Alle Einheiten mit gemeinsamer Funktion (Netzpumpen, Kältemaschinen, Rückkühlanlagen) sind steuerungstechnisch miteinander verbunden. Dabei läuft – um nur Beispiele für die Detaillösungen der Regelungstechnik zu nennen – stets nur eine der Kältemaschinen, solange sie den Gesamtkältebedarf abdecken kann. Wenn nur kleinere Zusatzmengen benötigt werden, springt kurzfristig die Backup-Maschine ein. Und bei höheren Außentemperaturen, wenn ein Freikühlerbetrieb nicht sinnvoll ist, läuft vorrangig die Absorptionsmaschine, weil sie die Abwärme des BHKW als Eingangsenergie für die Kälteerzeugung nutzt.

 

Fazit: ein überzeugendes Konzept

Mit dieser Anlage haben Getec und L&R ein Gesamtkonzept projektiert und auch installiert, dessen Komponenten geradezu perfekt ineinandergreifen und höchst wirtschaftlich den aktuell benötigten Kältebedarf bereitstellen. Darüber hinaus ist – dank der redundanten Auslegung der zentralen Maschinen – ein Höchstmaß an Verfügbarkeit gewährleistet. Das ist für einen Automobilzulieferer, der seinen Kunden verbindliche Lieferzusagen macht, ebenso wichtig wie die Effizienz der Kälteerzeugung.

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