Ammoniak-Gasabsorptionsanlage der Olympia Bobbahn 2022 in Peking

Sicherheitsaspekte bei 100 t Ammoniak in unmittelbarer Nähe zur Sportstätte

Die Johnson Controls Systems & Service GmbH (JC S&S GmbH) hat für das National Sliding Center in Yanqing im Rahmen der Olympischen Winterspiele in Peking 2022 neben anlagentechnischen Ausrüstungen auch Planungs- und Inbetriebnahme-Leistungen geliefert. Bei diesem Ammoniak-Kälteanlagenprojekt wurde eine Gasabsorptionsanlage benötigt, um im Havariefall bzw. bei einer Freisetzung von Ammoniak die Umgebung der Sportstätten zu schützen. Mit Hilfe einer Ausbreitungsberechnung wurde zur Sicherung der Umgebung eine Reduktion der Freisetzungskonzentration von 15.000 ppm auf ca. 750 ppm erreicht. Die Funktion der von Johnson Controls in Kooperation mit der Mietzsch GmbH Lufttechnik Dresden konzeptionierten Gasabsorptionsanlage wurde in einem Versuchsaufbau nachgewiesen.

Das National Sliding Center und die Frage nach der Sicherheit

Im Februar 2022 wurden in Peking die Olympischen Winterspiele ausgetragen. Im Zuge der jahrelangen Vorbereitungen im Vorfeld sowie den notwendigen Neubauten diverser Sportstätten, wurde auch das National Sliding Center in Yanqing, in einem Vorort nahe Peking völlig neu gebaut. Das Yanqing National Sliding Center ist eine kombinierte Bahn, auf welcher die Bob-, Rennrodel- und Skeleton-Wettbewerbe ausgetragen wurden. Die Bahn ist mit einer Wettkampflänge von 1615 m sowie einer Gesamtstreckenlänge von 1975 m aktuell die größte Ihrer Art weltweit.

Einige Informationen zur Bahn sowie Luftbilder derselben finden Sie unter www.ibsf.org/de/bahnen/track/700012/Yanqing (kurz:t1p.de/lge2f).

Die Johnson Controls System & Service GmbH in Mannheim wurde auf Wunsch des Bahnarchitekten Uwe Deyle bereits im Vorfeld in die Planungen der Kälteanlage sowie in die Bauüberwachung während der Ausführungen vor Ort eingebunden. Weiterhin hat Johnson Controls

die Entwicklung sowie das Designreview der Anlagenfließbilder für Maschinenraum und Bahn,

das 3D-Modell-Review zur Aufstellung des ­Maschinenraumes,

die komplette Lieferung der Anlagen- und Bahnsteuerungs-Soft- und Hardware sowie das dazugehörige Engineering für die Kälteanlagensteuerung (SIEMENS S7-1500) inkl. SIS und Trend Data Software,

die Entwicklung der Steuerung der Ventilstationen inkl. Programm zur Vereisung der Bahn,

die Lieferung der Anlagenkomponenten innerhalb des Maschinenraums und die Ventilstationen für den Track und

die Überwachung der Montage sowie Sicherstellung und Einhaltung der Umsetzung der Europäischen Normen und Richtlinien (DIN EN 378, TRAS 110) im Einklang mit den Richtlinien und Gesetzen der Volksrepublik China übernommen.

Aufgrund der Anlagenfüllmenge von über 100 t Ammoniak und der baulichen Nähe des Maschinenraumes zur Sportstätte musste alsbald die Frage diskutiert werden, wie die Sicherheitsaspekte bei dieser Anlage zu bewerten sind. Es galt zu betrachten, wie die Sportstätte und Ihre Besucher und Athleten vor einem möglichen Havariefall bzw. dem Abblasen der Sicherheitsventile zu schützen sind. Im Zuge dessen wurde eine Ausbreitungsberechnung erstellt mit deren Hilfe die zu schützenden Objekte identifiziert und deren Grenzwerte festgelegt wurden.

Aufgrund der Ausbreitungsberechnung stand nun die Frage im Raum, mit welchem Verfahren die festgelegten Grenzwerte sicher eingehalten und nachweislich garantiert werden können. Die Aufgabe bestand also darin, einen effektiven und sicherer Absorptionsprozesses zu finden. Neben der Sicherheit stand dabei die Effektivität an erster Stelle. Da es sich bei dieser Anlage um eine Sportstätte handelte, musste man ganz besonderes Augenmerk auf die Ausbreitungsberechnung legen – anders als in Chemieparks oder anderen Scenarios waren die zu schützenden Objekte im unmittelbaren Umfeld zu finden.

Die Berechnung wurde unter Berücksichtigung der VDI 3783 (Ausbreitung von störfallbedingten Freisetzungen – Sicherheitsanalyse, Blatt 1) mit dem Programm STOER, welches vom Meteorologischen Institut der TU Darmstadt entwickelt wurde, durchgeführt. Dieses Programm wird auch vom Landesumweltamt in NRW für Berechnungen dieser Art genutzt. Anhand diverser geografischer Lagepläne und Karten wurden die Entfernungen von der Emissionsquelle (hier der Maschinenraum) zu den zu schützenden Objekten ermittelt.

Nach der Ausbreitungsberechnung und der Festlegung des Grenzwertes von 150 ppm (entspricht dem ERPG 2 Grenzwert – TRAS 110, Stand 2015) wurde die Sicherheitsventilleistung in Ihrer nötigen Höhe (links in Bild 1) berechnet. Die Abblaseleitung ist im Hintergrund zu sehen mit knapp 35 m über FFB.

Bei der Berechnung zur Auslegung der Maschinenraumabluft wurde ein Grenzwert von 750ppm zugelassen, geltend für den Austritt aus dem Wäscher. Nur wenn dieser Wert eingehalten wird, konnte sichergestellt werden, dass keines der 15 zu schützenden Objekte, die sich in der Nähe befinden, mit einer größeren Belastung als 150ppm kontaminiert werden wird. In diesem Fall gab es aber keine alternative mehr und man musste auf eine Gasabsorptionsanlage zurückgreifen, die eine Ammoniakkonzentration von 15.000 ppm auf max. 750 ppm reduzieren konnte und das 100 % verlässlich.

Aufgabenstellung und Umsetzung

Nachdem aufgrund der Ausbreitungsberechnung die Entscheidung getroffen wurde, eine Gasabsorptionsanlage zu verwenden, musste diese nun beschafft werden. Zusammen mit der Mietzsch GmbH in Dresden wurde diese Aufgabenstellung angegangen. Ausgangslange in diesem Fall war, einen Abscheidegrad von 95 % (15.000 ppm ➔ 750  ppm) zu garantieren, da die zu schützenden Objekte sowie die Besucher und Athleten keine Toleranzen zulassen. Um diese Garantie abgeben zu können, wurde entschieden, eine Teststrecke zu entwickeln, um in Versuchen die auf dem Markt existierenden Düsen mit verschiedenen Massen- und Wasservolumenströmen zu kombinieren und damit den nötigen Abscheidegrad zu verifizieren.

Bevor wir über die Tests und die finale Ausführung der Gasabsorptionsanlage berichten, vielleicht ein paar grundlegende Aussagen zum Thema: Eine optimale Absorption von Ammoniak aus der Luft lässt sich in aller Regel mit Wasser durchführen – Wasser ist daher als ideales Medium anzusehen. Das Wasser sollte dabei zerstäubt werden, um eine möglichst große Oberfläche bereitzustellen. Je größer die Wasseroberfläche, desto besser die Wechselwirkung zwischen Gas und Flüssigkeit und somit die Abscheideleistung. Ein weiterer Vorteil ist, dass das „Waschwasser“ in aller Regel auch sofort und meist uneingeschränkt zur Verfügung steht und daher der Wirkungsgrad konstant ist. Eines der wichtigsten Entscheidungskriterien für diesen Typ der Gasabsorptionsanlage war, dass die erzielte Flüssigkeitsoberfläche pro Durchströmungsvolumen bei konstanter Flüssigkeitsmenge indirekt proportional zum Tröpfchendurchmesser ist. Der Durchmesser wiederrum hängt von der Konstruktion und Form der Düsen und dem Flüssigkeitsdruck ab. Somit kann man zusammenfassend sagen, dass der Auswahl der Düsen eine bedeutende Rolle zukommt.

Bereits ein Jahr vor Fertigung starteten die Testreihen auf dem Gelände der Mietzsch GmbH in Dresden. Während der ersten Versuche wurden der Volumenstrom, die Ammoniakkonzentration, das Verhältnis und die Anzahl der Düsen, Bauform, Volumenstrom des Wassers und viele weitere Faktoren in den Testreihen miteinander verglichen und ausgewertet. Bild 2 zeigt den Versuchsstand.

Nachdem alle Versuche erfolgreich abgeschlossen werden konnten und man sich einig war über das Design, konnte die Konzipierung abgeschlossen werden. Zum Verständnis des Prinzips hilft das Funktionsschaubild in Bild 3. Es handelt es sich um eine Kombination aus einer 6-stufigen horizontal angeordneten Zonen-Düsen-Absorptionsanlage (W1 ... W6) mit vorgeschaltetem Gleichrichter (TA0), zwischengeschalteten Prallabscheidern (TA1 ... TA5) und einem nachgeschalteten dreireihigen Tropfenabscheider (TA6). Die Förderung der Abluft übernimmt ein der Anlage vorgeschalteter bauseitiger Ventilator. Das Versprühen der Waschflüssigkeit (in diesem Fall Stadtwasser) wird über ein eigenes Waschflüssigkeitsverteilungssystem realisiert, welches die Elemente zwischen dem Anschluss AS3 und den Düsenstöcken beinhaltet.

Eine optische Funktionskontrolle der Düsen ist über die transparenten Revisionsöffnungen gewährleistet. Eine Kontrolle der erforderlichen Durchfußmenge an Wasser ist über die Schwebekörper-Durchflußmesser M1 ... M6 möglich. Der Absorptionsvorgang an sich erfolgt dabei durch Bindung des Ammoniaks mit Wasser. Das Wasser wird dabei gleichmäßig über die Düsenstöcke in feinen Tropfen über den Querschnitt der Waschzonen verteilt und nimmt während des Sprühvorganges den größten Teil des Ammoniaks bzw. der mit Ammoniak kontaminierten Maschinenraumabluft auf. Das gesättigte Abwasser wird anschließend über die Abläufe AS4.1 ... AS4.6 abgeleitet.

Schlussfolgerung

Ammoniak lässt sich trotz hoher Ausgangskonzentration von 15.000 ppm in einer Gasabsorptionsanlage mit reiner Flüssigkeitszerstäubung gut mit Wasser absorbieren, so dass Abscheidegrade > 90% möglich sind. Absorptionsanlagen mit Zuschaltung von Waschwasser verfügen sofort über die volle Waschleistung. Weiter lässt sich sagen, dass der Düsentyp und dessen Formgebung (Sprühbildgebung) in Kombination mit dem Wasserdruck erheblichen Einfluss auf das Waschergebnis haben. Ein sicherer Betrieb von Ammoniakanlagen kann somit jederzeit möglich gemacht werden, auch bei solchen großen Ammoniak-Füllmengen.

Technische Daten der Gasabsorptionsanlage im Überblick

– Abmessungen 7650mm x 2300mm x 1935mm (L x B x H)
– Gewicht 2175 kg – zul. Betriebsüberdruck: + 1000 Pa
– zul. Betriebsunterdruck: - 1000 Pa
– zul. Waschwasserdruck: max. 4,0 bar
– Waschwasserbetriebsdruck: ca. 2,5 bar
– Waschwasserdurchsatz: 150 m³/h
– Eintrittskonzentration: 15.000 ppm NH3
– Austrittskonzentration: 750 ppm NH3
– Gesamtdruckverlust: ca. 750 Pa

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