Ausbildungsabbrüche vermeiden
Richtiger Umgang mit Azubis
Die Abbruchquote der Ausbildungsverhältnisse ist im Handwerk mit 34 % sehr groß. Es mag daran liegen, dass junge Menschen, wenn sie woanders keine Möglichkeiten haben, eine Chance im Handwerk sehen, so der Zentralverband des deutschen Handwerks. Je niedriger der allgemeinbildende Schulabschluss, desto größer die Gefahr einer Vertragsauflösung, meist noch in der Probezeit.
Eine Vertragsauflösung ist für beide Seiten unangenehm: Der Azubi ist enttäuscht, wenn er kündigt. Für den Betrieb entsteht eine Personallücke und es kostet Zeit und Geld sie zu füllen. Und das Team muss sich dann wieder an einen neuen Kollegen gewöhnen – ein Anpassungsprozess, der nicht jedem leicht fällt. Viele Vertragsauflösungen sind aber keine endgültigen Ausbildungsabbrüche, sondern gehen mit dem Wechsel des Ausbildungsbetriebes einher. Solch ein Wechsel muss aber nicht immer stattfinden, wenn Betrieb und Azubi aufeinander zugehen.
Ursachen für den Abbruch
Für einen Abbruch geben sich Ausbilder und die Azubis oft gegenseiltilg die Schuld. Azubis reklamieren Überstunden und vor allem mangelnde Vermittlung von Ausbildungsinhalten. Sowohl Über- als auch Unterforderungen führen zum Abbruch. Die Betriebe beklagen dagegen geringe Motivation, falsche Vorstellung des Azubis und seine geringe Eignung für den Beruf. Es fehle an der Identifikation mit dem Betrieb und an Durchhaltevermögen. Aber je früher der Lehrstellenabbruch erfolgt, desto besser ist es für beide Seiten. Berufseinsteiger möchten sich nicht für die „Second-best-option“ entscheiden.
Das Soziologische Forschungsinstitut in Göttingen (SoFi) sieht in den ausbildungsfremden Tätigkeiten die Ursache der vielen Abbrüche. Vielen scheint nicht bewusst zu sein, dass ein Ausbildungsvertrag ein Arbeitsvertrag ist – mit allen üblichen arbeitsvertraglichen Regelungen.
Die meisten Abbrüche gehen auf die Kündigung durch den Auszubildenden zurück. Für den Arbeitgeber entsteht Handlungsbedarf, bevor die Kündigung angenommen wird. Nach dem Motto „Nicht gleich hinschmeißen“ versucht der Betrieb durch bessere und individuellere Betreuung den Azubi an Bord zu halten.
Mehr Sorgfalt bei der Auswahl treffen
Trotz Personalmangel darf nicht jeder, der sich um einen Ausbildungsplatz bewirbt, eingestellt werden. Oft bietet es sich an, mit Schnuppertagen oder einer Praktikumsstelle dem Bewerber zu zeigen, wie der Ausbildungsalltag aussehen könnte. Je sorgfältiger die Auswahl, desto weniger Abbrüche gibt es. Im Einstellungsgespräch stellt man Fragen, um viel vom Bewerber zu erfahren: Warum willst Du diesen Beruf ergreifen? Wo siehst Du deine Stärken? Was erwartest Du von Deinem Ausbilder? Was kannst Du bei der Arbeit gar nicht vertragen? Es ist durchaus üblich, dass man eine weitere Person als Zuhörer am Bewerbungsgespräch beteiligt.
Das IHK Ausbilderhandbuch, herausgegeben von der DIHK-Gesellschaft für berufliche Weiterbildung im Handwerk (www.dihk-bildung.shop), gibt weitere Ratschläge für den Praxisalltag von Ausbildern.
Prävention von Ausbildungsabbrüchen
Man unterscheidet drei Arten der Prävention. Die primäre Prävention zielt darauf ab, die Neigung zu einem Abbruch der Ausbildung erst gar nicht entstehen zu lassen. Mit der sekundären Prävention will man den drohenden Abbruch rechtzeitig erkennen und verhindern. Bei der tertiären Prävention geht es darum, die von einem Ausbildungsabbruch betroffenen Personen (Azubi, Ausbilder, Betrieb und Schule) zu unterstützen, gemeinsam die Ursachen zu analysieren, damit in Zukunft Abbrüche vermieden werden. Zur Vorbeugung zählt auch die Gleichbehandlung aller im Betrieb. Wie etwa, indem die Azubis spätestens nach der Probezeit auch das Job-Ticket, das für die Kolleginnen und Kollegen angebote wird, ebenfalls erhalten.
Betriebe, die ausbilden, brauchen realistische Ziele. Wenn man wenig Zeit für ihn hat, erzeugt das beim Auszubildenden Enttäuschung, auch wenn er nicht gleich darüber spricht. Oft teilt er sich außerhalb des Betriebes mit, sein Frust wird in der Firma nicht transparent. Sind die Erwartungen des Betriebs sehr ambitioniert und dauerhaft zu hoch, steht der Abbruch zur Diskussion. Allerding haben nicht nur die Betriebe, sondern auch die Azubis sehr hohe Ansprüche, die der Realität nicht immer unbedingt entsprechen.
Klare Etappen in der Ausbildung
Es kommt darauf an, Etappenziele in der Ausbildung zu setzen und den Betreffenden daran zu beteiligen. Der Betrieb übernimmt dann die Rolle des Beobachters und erteilt regemäßig Feedback. Beide Seiten müssen den Lernfortschritt feststellen und kommunizieren.
Ganz wichtig ist die Transparenz der jeweiligen Arbeitsaufgabe. Dadurch erschließt sich für den Azubi der Sinn seiner Arbeit. Das ist immer der Fall, wenn der Ausbilder die Zusammenhänge einer Tätigkeit verdeutlicht, vom einzelnen Arbeitsschritt bis zum Ergebnis. Die Frage lautet, inwiefern er als Teil des Ganzen gesehen und positiv wahrgenommen wird. Das schafft Arbeitsfreude und die Bereitschaft Verantwortung für die eigene Tätigkeit zu übernehmen. Die richtige Einstellung ist aber nicht nur Sache des Chefs oder des Vorgesetzten. Auch die Kollegen brauchen eine positive Einstellung zu einem neuen Azubi. Das ist für jeden Einsteiger in einen Betrieb spürbar und wirkt sich auf das Verhalten aus.
Feedback-Kultur integrieren
Der Ausbildungsbetrieb sollte wissen, wie die Ausbildung beurteilt wird. Was wünscht sich der Azubi von ihm? Ist er mit der Führung zufrieden? Wie schätzt er die Zusammenarbeit? Wer sich der Kritik stellt, beeindruckt. Feedback ist eine wesentliche Hilfe für die eigene Standortbestimmung, wenn man bereit ist, Kritik anzunehmen. Die meisten Ausbilder gehen davon aus, dass an ihrer Führung nicht viel auszusetzen ist. Wer nur an einer positiven Rückmeldung interessiert ist, verzichtet auf die Beurteilung.
Umgang mit ausländischen Azubis
Wenn Migranten in der Ausbildung „das Handtuch schmeißen“ haben sie meist einen Grund. Nach der „Defizittheorie“ sieht der Betrieb nur das, was der Migrant noch nicht leistet, was ihm fehlt. Vergleiche zwischen der Leistung von inländischen und ausländischen Mitarbeitern sind unbedingt zu vermeiden. Wer bei der Einarbeitung etwas länger braucht, ist oft derjenige, auf den man später eigentlich nicht mehr verzichten will. Mitarbeiter mit Sprachschwierigkeiten brauchen für die Einarbeitung etwas länger, sind deswegen aber nicht automatisch weniger motiviert. Um Wissen zu verinnerlichen, benötigt jeder unterschiedliche Aktivitäten und Anläufe.
Fazit
Der Azubi erhält schon am ersten Tag einen festen Arbeitsplan. Die Delegation von untergeordneten Aufgaben ist die Ausnahme und erklärungsbedürftig, damit Akzeptanz entsteht. Es darf erst gar nicht so weit kommen, dass sich jemand darüber beklagt, ausbildungsfremde Arbeiten übernehmen zu müssen. Bei qualifizierten Tätigkeiten muss er natürlich kontrolliert werden, offen und nicht hintenherum. Art und Häufigkeit der Kontrolle richten sich nach seinem Entwicklungsstand und seinen Fähigkeiten. Gute Gesprächskultur im Betrieb, klare Ansprechpartner, mit denen es Anleitungs- und Feedbackgespräche gibt, sind wichtige Aspekte für jeden Berufseinsteiger.