Blutplasma effizient und zuverlässig gekühlt

Propen-Tiefkälteanlage für die Pharmaproduktion

Bei der Bereitstellung von Kälte für die Pharmaproduktion werden sehr hohe Anforderungen an die Zuverlässigkeit gestellt. L&R Kältetechnik hat unter dieser Maßgabe für ein internationales Pharmaunternehmen fünf Tiefkälteanlagen für zwei Temperaturniveaus (-15 °C und -25 °C) mit einer Kälteleistung von insgesamt rund 2,35 MW projektiert und gebaut. Die komplett nach den Anforderungen des Explosionsschutzes ausgerüsteten Anlagen werden mit dem natürlichen und zukunftssicheren Kältemittel Propen betrieben und arbeiten mit hoher Effizienz. Insgesamt zwölf Kältekreislaufe gewährleisten die erforderliche Verfügbarkeit.

In der pharmazeutischen Produktion ist menschliches Blut – genauer gesagt Blutplasma, also der flüssige, zellfreie Anteil des Blutes – ein wichtiger „Rohstoff“ für lebensrettende Medikamente, mit denen Blutgerinnungsstörungen behandelt werden. In der Pharmaproduktion wird das Plasma in seine Bestandteile zerlegt. Aus diesen Fraktionen erzeugt man Medikamente, die den Gerinnungsmechanismus wiederherstellen. Zu den Störungen, die damit behandelt werden, gehört neben der „Bluterkrankheit“ (Hämophilie) zum Beispiel auch das Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom.

Ein weltweiter Marktführer für diese hoch spezialisierten medizinischen Wirkstoffe baut zurzeit – weil die Nachfrage wächst und die Forschungs-Pipeline gut gefüllt ist – seine Produktion aus und investiert in dieses Großprojekt mehr als 350 Mio. €. Eine leistungsfähige und hoch verfügbare Kälteversorgung ist Teil des Projektes, denn Blutplasma als wertvoller Grundstoff wird bei Minustemperaturen gelagert und auch verarbeitet und andere wichtige Bestandteile der Medikamente ebenso.

Zwei Temperaturniveaus,
insgesamt zwölf Kältekreise

Gefordert sind hier Anlagen, die Kälte auf zwei Temperaturniveaus bereitstellen:

-15 °C und -25 °C. Im Pflichtenheft waren sehr hohe Anforderungen an die Effizienz und insbesondere an die Zuverlässigkeit der Kälteversorgung sowie die Ausführung als explosionsgeschützte Anlagen festgeschrieben. Auch aus diesem Grund suchten die Verantwortlichen den Kontakt zu L&R Kältetechnik (www.lr-kaelte.de). Denn L&R verfügt über umfassende Erfahrung sowohl mit individuell projektierten und leistungsstarken Tiefkälteanlagen als auch mit Projekten für die Pharmaindustrie. Inzwischen sind die Kälteanlagen projektiert, gefertigt und laufen seit Oktober 2019 im Testbetrieb. Die komplette Pharmaproduktion wird 2022 ihren Betrieb aufnehmen.

Kälteversorgung in großem
Maßstab

Für den Großteil der temperaturgeführten Prozesse wird Kälte auf einem Temperaturniveau von -15 °C benötigt – und das in großem Maßstab. Erzeugt wird die Kälte aus Gründen der Redundanz und Verfügbarkeit von drei Kältemaschinen, die in einen Pufferbehälter einspeisen – zwei mit einer Leistung von je 700 kW und eine 466 kW-Maschine.

Bei den beiden größeren Anlagen ist die Leistung auf drei Kältekreise aufgeteilt, bei der kleineren auf zwei Kältekreise. Das heißt: Insgesamt stehen acht identisch aufgebaute Kältekreise, aufgeteilt auf drei Maschinen mit einer Gesamtleistung von 1.866 kW zur Verfügung. Damit werden auch höchste Anforderungen an die Verfügbarkeit und Produktionssicherheit erfüllt.

In jedem Kältekreislauf sorgen drei explosionsgeschützte halbhermetische Achtzylinder-Hubkolbenverdichter von GEA Bock für eine Verdichtung des Kältemittels. Da jeder der drei Verdichter separat zu- und abgeschaltet werden kann, ergeben sich für die Gesamtanlage insgesamt 24 Leistungsstufen, so dass auch ohne eine Drehzahlregelung der Verdichter die erforderliche Kältemenge jeweils mit hoher Effizienz erzeugt werden kann.

Zwei Anlagen mit je zwei Kreisläufen für die Versorgung mit -25 °C

Für die Versorgung der Lager- und Produktionsanlagen mit -25 °C kaltem Medium wird eine Kälteleistung von 500 kW benötigt. Hier sind zwei 250 kW-Anlagen im Einsatz, die jeweils als Zweikreisanlage ausgeführt sind. Jeder Kältekreis wiederum ist mit drei ex-geschützten halbhermetischen Sechszylinder-Hubkolbenkompressoren von GEA Bock ausgestattet, die das Kältemittel verdichten. Auch hier ist also die geforderte Redundanz gewährleistet.

Beide Anlagen entsprechen dem Standard der L&R-Baureihe „TTK“, der sich in zahlreichen anspruchsvollen Tiefkälte-Anwendungen bewährt. Sämtliche verwendeten Komponenten sind hochwertig und im Hinblick auf hohe Energieeffizienz ausgewählt. Zum Beispiel zeichnen sich die Verdampfer durch einen sehr guten Wärmeübergang aus.

Beide Anlagen speisen jeweils einen großen Puffertank, der über eine Ringleitung und dezentrale Wärmetauscher die einzelnen Produktionsanlagen für Blutgerinnungsmittel bedarfsgerecht mit Kälte versorgt.

Kernkompetenz Steuerungstechnik

Zu den Kernkompetenzen von L&R Kältetechnik gehört traditionell die Steuerungstechnik. Die SPS (hier vom Typ „Siemens S7/ 1500“) werden im eigenen Hause programmiert, der Schaltschrankbau erfolgt in einem eigenen Werk. Das schafft die Voraussetzung dafür, dass die Fahrweise der Kälteanlagen bestmöglich an die individuellen Anforderungen des Anwenders bzw. an die Gegebenheiten der jeweiligen Produktion angepasst werden kann. Wesentliche Betriebsparameter werden über ein Touch Panel angezeigt. Das erleichtert sowohl die Bedienung als auch die Wartung der Anlagen. Die Steuerungen der Kälteanlagen kommunizieren über ProfiNET mit der Gebäude-/ Prozessleittechnik der Produktion.

Grundsatzentscheidung:
Die Wahl des richtigen Kältemittels

Bei der Projektierung der Anlage musste auch eine Grundsatzentscheidung getroffen werden. Die F-Gase-Verordnung regelt das Inverkehrbringen von Kältemitteln mit Treibhauseffekt. Das bedeutet mittelfristig das Aus für weit verbreitete Kältemittel wie R134a oder R404A. Deshalb müssen sowohl Anlagenhersteller als auch die Betreiber umdenken. Die Aufgabenstellung lautet: Gesucht ist ein zukunftssicheres Kältemittel mit geringem Erderwärmungspotential (GWP-Wert) und ohne Ozonabbaupotenzial (ODP), das zugleich die Voraussetzung für einen effizienten Anlagenbetrieb schafft und das sich gut handhaben lässt.

Kältemittel der Zukunft:
Propan und Propen

Aus Sicht von L&R Kältetechnik wird sich bei Kälteanlagen im Kaltwasser-/ Kaltsole-Bereich bis herab zu einer Verdampfungstemperatur von -15 °C Propan (R290) als natürliches, preiswertes und nicht umweltschädigendes Kältemittel (ODP = 0, GWP = 3) durchsetzen. Außerdem weist Propan ein gutes Temperaturverhalten auf, das dem von R134a entspricht. Es verfügt über gute thermodynamische Eigenschaften (ähnlich wie R22), lässt sich über einen breiten Temperaturbereich einsetzen und ist weltweit zu günstigen Preisen verfügbar.

Bei Anlagen mit Verdampfungstemperaturen unterhalb von -15 °C bietet sich die Verwendung von Propen (R1270) an. Dieses natürliche Kältemittel ist ähnlich umweltfreundlich wie Propan (OPD = 0, GWP = 3) und erlaubt die Realisierung von sehr energieeffizienten Kälteanlagen in diesem Temperaturbereich.

Entscheidend: Expertise im
Gasexplosionsschutz

Selbstverständlich sind alle Komponenten, die bei den hier beschriebenen Kälteanlagen zum Einsatz kommen, für den Betrieb mit Propen zugelassen. Als weitere Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Produktion war es der Wunsch des Betreibers, dass die Kälteversorgung auch bei einer eventuellen Undichtigkeit eines einzelnen Kältekreises gewährleistet bleibt und die Anlagen nicht abgeschaltet werden müssen. Deshalb wurden sie nach den Anforderungen des Explosionsschutzes (Gas-Ex-Zone 2) konstruiert und ausgeführt. Auf diesem Gebiet, das vor allem in der Chemieindustrie und auch in der Pharmaproduktion relevant ist, verfügt L&R ebenfalls über umfassende Erfahrung.

Zu den Ex-Schutz-bezogenen Merkmalen gehört, dass sämtliche verwendeten Anlagenkomponenten den ATEX-Anforderungen entsprechen und nachgewiesenermaßen so konstruiert sind, dass sie beim Auftreten einer entzündlichen Atmosphäre keine Explosion hervorrufen können. Darüber hinaus sind die Anlagen in einem ex-geschützten Raum mit entsprechender Be- und Entlüftung aufgestellt. Um den Aufwand beim Ex-Schutz der elektrischen Anlagenteile in Grenzen zu halten, wurden die Schaltschränke außerhalb der Ex-Zone, d.h. in einem Nebenraum, installiert.

Eine Gaswarnanlage überwacht die Gaskonzentration. Bei einem Austritt von Propen gibt die Anlage Warnsignale aus und startet selbsttätig die Maschinenraumlüftung. Abgenommen wurden die Anlagen gemeinsam mit dem TÜV Nord.

Damit wird der neue Produktionsbereich des Pharmaherstellers über hochverfügbare, zukunftssichere und energieeffiziente Anlagentechnik mit großen, bedarfsgerecht erzeugten Kältemengen versorgt. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Produktion der Arzneimittel gegen Blutgerinnungsstörungen.

Kontakt- statt Luftkühlung: Plattenfroster für Blutplasma

Die Expertise von L&R Kältetechnik in der Pharmaindustrie hat dazu geführt, dass das Unternehmen nicht nur leistungsstarke Tiefkälteanlagen für die Blutplasmakühlung projektiert, sondern für diese anspruchsvolle Anwendung sogar ein eigenes Produkt entwickelt hat.
Den Anstoß dazu gab die Anfrage eines Pharmaherstellers, der eine Anlage zum Abkühlen von Blutplasma auf -40 °C innerhalb eines definierten, kurzen Zeitraums benötigte. Mit der konventionellen Methode – Kühlung durch ein Umströmen mit tiefkalter Luft – ließ sich diese Aufgabe nicht lösen. Deshalb entschieden sich die L&R-Konstrukteure für das Prinzip der Kontaktkühlung und entwickelten den „Plattenfroster“: eine komplett aus Edelstahl gefertigte Anlage mit zwei Kühlzellen, in denen je sieben Kontaktplatten übereinander angeordnet sind. Die Platten werden vom Kältemittel durchströmt. Ist die Kühlzelle vollständig beladen, fährt ein Zylinder so weit aus, dass die Beutel mit kontrolliertem Druck gegen die Kontaktplatten angelegt werden. Auf diese Weise erfolgt die Kälteübertragung deutlich wirksamer und somit schneller – so schnell, dass man vom „Schockgefrieren“ sprechen kann.
Inzwischen hat L&R weitere Plattenfroster projektiert und gebaut, die die Produkte teilweise sogar auf eine noch tiefere Kerntemperatur von -65 °C herab kühlen. Die Geräte erfüllen – wenn gewünscht – die Anforderungen der Reinraumtechnik (Reinraumklasse D) und das Regelwerk der „Good Manufacturing Practice“ (GMP) mit der pharmaindustrie-üblichen DQ-, IQ- und OQ- Dokumentation. Außerdem ist eine einfache, gründliche und rückstandsfreie Reinigung sichergestellt.

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