Das Bürogebäude der Zukunft
„Live-Labor in Herten“: ein gewerbliches Netto-Null-Energie-Haus
Ab 2019 wird der Netto-Null-Energie-Ansatz für alle gewerblichen Neubauten in der EU Pflicht sein. Dieser Netto-Null-Energiestandard ist nur durch Kombination einer optimierten Gebäudehülle mit einer hocheffizienten Wärmeerzeugung und Gebäudeklimatisierung sowie der Integration regenerativer Energiequellen zu erreichen. Das zwölf-monatige internationale Forschungsprojekt der Zeller/Athoka GmbH und von Daikin in Zusammenarbeit mit fünf renommierten Forschungsinstituten (Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP), Fraunhofer UMSICHT, TU Dortmund, The University of Manchester (UK), Centre Technique des Industries Aérauliques et Thermiques (CETIAT)) im nordrhein-westfälischen Herten hat gezeigt, dass das Bürogebäude der Zukunft mit heutiger Technik realisiert werden kann.
Von März 2011 bis Februar 2012 wurde bei dem Forschungsprojekt untersucht, wie bewährte Serien-Technologien und Materialien für Hülle und Haustechnik in einem gewerblichen Netto-Null-Energie-Haus wirtschaftlich und energieeffizient als Gesamtkonzept zusammenwirken. Die Messungen wurden während der normalen Betriebs- und Geschäftszeiten im Firmengebäude der Zeller/Athoka GmbH durchgeführt.
Dabei stand vor allem im Mittelpunkt herauszufinden, welche Faktoren berücksichtigt werden müssen, um höchste Energieeffizienz bei gleichzeitig akzeptablen Kosten zu erreichen und dies nicht nur auf das Gebäude begrenzt, sondern auch die Wechselwirkung mit den zukünftigen Smart Grids und unter Einbezug der preiswerten Speicherung von erneuerbaren Energien mittels Wärmepumpen.
Systemübergreifende Planungsansätze
Als die bisherigen Geschäftsräume der Zeller Gruppe in Gelsenkirchen aufgrund dynamischen Wachstums zu klein wurden, entschied man sich, auf einem Grundstück des ehemaligen Zechengeländes Ewald in Herten eine neue, moderne Firmenzentrale zu errichten, welche als Netto-Null-Energie-Gebäude die künftigen EU-Standards erfüllt. Der Hintergrund hierfür sind die ehrgeizigen 20-20-20-Ziele der EU für das Jahr 2020: 20-prozentiger Rückgang des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen sowie 20-prozentige Nutzung von erneuerbaren Energien. Derzeit nimmt der Energieverbrauch von Gebäuden ganze 40 % des deutschen Gesamtverbrauchs ein, rund 85 % davon entfallen allein auf Heizung und Warmwasser (Quelle: Bundesbauministerium). Umso wichtiger ist die Rolle von Heizungs- und Klimaunternehmen, Produkte zur weiteren Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden auf den Markt zu bringen sowie systemübergreifende Planungsansätze zu entwickeln, die das Konzept Netto-Null-Energie-Gebäude mit geringstmöglichen Investitionskosten umsetzen.
Achim Zeller, Geschäftsführer der Athoka GmbH, erläutert: „Wir wollen am eigenen Objekt zeigen, dass sich nachhaltige Gewerbebauten schon heute wirtschaftlich errichten lassen. Dabei ist es wichtig, Gebäude und Technik optimal aufeinander abzustimmen. Zudem waren wir darauf bedacht, die Techniksicherheit zu maximieren. Deshalb wurden ausschließlich verfügbare und bewährte Standardsysteme projektiert, die, kreativ eingesetzt, das Planungs- und Anwendungsrisiko minimieren. Weiterhin sind wir davon überzeugt, bei dem in dieser Form einmaligen Forschungsvorhaben wichtige Erkenntnisse für das wirtschaftliche Bauen zukünftiger Gebäude früher als andere Marktteilnehmer zu erhalten – und damit für unsere Kunden einen Kompetenzvorsprung zu erzielen.“
Die gesamte Konstruktion des Gebäudes basiert auf einem Stahlrahmen. Da ein offener und flexibler architektonischer Ansatz geplant wurde, wurden bei der Gebäudehülle keine extremen Isolierwerte angestrebt, sondern eine geringe Verbesserung des deutschen EnEV-Standards. Gleichzeitig wurden Maßnahmen zur Verringerung der Wärmelast, wie Kontrolle über die Sonnenschattierung auf den Fassaden und den Fenstern, weiße Dachbedeckung und eine Möglichkeit der freien Kühlung in Wärmerückgewinnungs- und Belüftungsanlagen, ins Visier genommen.
Zielvorgabe Netto-Null übertroffen
Das Ziel „Netto-Null“ wurde dabei mehr als erfüllt: Die Photovoltaikanlage hat in den zwölf Monaten einen Mehrertrag an Strom von 977 kWh erzeugt. Dem gemessenen Energiebedarf für Heizung, Kühlung, Brauchwasserbereitung, Lüftung und Beleuchtung von insgesamt 20 000 kWh stand ein Ertrag von 20 977 kWh aus der PV-Anlage gegenüber. Zur Erreichung dieses Ergebnisses hat das Zusammenspiel der unterschiedlichen Technologien für Beheizung, Kühlung, Belüftung, Beleuchtung, der Stromerzeugung und der Dachbeschichtung „Daikin Zeffle“ eine wichtige Rolle gespielt.
Verzahnte Technologie
Das 1335 m2 große Netto-Null-Energie-Gebäude in Herten (800 m2 gewerbliche Fläche, 535 m2 Bürofläche) von Zeller/Athoka vereint bereits etablierte erneuerbare Energiesysteme, wie Wärmepumpen und Solarzellen, miteinander. Eine Kombination aus „Daikin Altherma“-Luft-/Wasser-Wärmepumpen für Fußbodenheizung und Warmwasser sowie eine Daikin VRV-Luft/Luft-Wärmepumpe sorgt für eine optimale Raumklimatisierung. Das VRV-System ist gleichzeitig für die Kühlung zuständig. Der Vorteil der Wärmepumpen-Technologie ist, dass sie 2/3 ihrer benötigten Energie aus der Außenluft gewinnt und 1/3 aus Strom, der in diesem Fall über die hauseigene Photovoltaikanlage gewonnen wird. Die Wärmepumpensysteme arbeiten folglich CO2-neutral. Jedes Zimmer besitzt eine oder mehrere Rohrleitungszonen, dessen Wasservolumenstrom durch Ventile, die von den Temperatursensoren je Zone verwaltet werden, individuell kontrolliert wird. Dadurch wird die Balance zwischen optimalem Komfort und Energieeinsparungen gewährleistet. Da die Leistung der Wärmepumpe sehr stark von der gegebenen Wassertemperatur abhängt, wird die Wasseraustrittstemperatur in Abhängigkeit von der Wetterlage intelligent reguliert.
Ebenso Teil des energetischen Konzeptes ist die energiesparende Systemergänzung „Daikin VAM“ für die Lüftung und Wärmerückgewinnung. Bei der Beleuchtung kommen LED-Leuchten zum Einsatz. Die Beleuchtung der Arbeitstische ist personalisiert, so dass der Lichtkomfort und gleichzeitig die höchste Energieeffizienz garantiert sind.
Da sich durch die abgestimmte Dimensionierung der Gebäudehülle und der gesamten haustechnischen Anlagen ein geringer spezifischer Endenergiebedarf ergibt, kann dieser auf Jahresbasis über die eigene Leichtbau-Röhren-Photovoltaikanlage mit Dünnzellenbeschichtung und einer Leistung von 27,3 kWp gedeckt werden. Ein 100 m2 großes Testfeld des Daches wurde zudem mit „Zeffle“ von Daikin beschichtet, einer Dachbeschichtung, die das Sonnenlicht reflektiert und verhindert, dass sich das Gebäude selbst an heißen Tagen über das Dach aufheizt. Zusätzlich verbessert die reflektierte Sonne den Energiegewinn der Photovoltaik-Zellen. Im Live-Labor in Herten konnte mit dieser Dachbeschichtung im Vergleich zum Referenzfeld der Gewinn der Photovoltaikanlage innerhalb eines 3/4-Jahres um 11 % gesteigert werden. Das Bild oben zeigt, dass von April bis September ein Energieüberschuss (grüner Balken) aus der PV-Anlage besteht, während von Oktober bis März Energie zugeführt werden muss.
Fazit
Durch die Beobachtung des Gebäudebetriebs stellten sich zwei Aspekte heraus:
Die geeignete Auslegung und Auswahl der Produkte ist ein entscheidender Schritt für Niedrigenergiegebäude. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Hauseigentümer und den Nutzern schließt schon in der Planungsphase eine überdimensionierte Ausstattung aus.
Durch manuelle Überwachung werden auftretende Probleme entdeckt, bevor diese dem Gebäudenutzer auffallen und zur Energieverschwendung beitragen. Dieser Prozess wurde automatisiert.
Dieses Projekt zeigt, dass ein Netto-Null-Energiegebäude schon heute mit Hilfe eines offenen und flexiblen architektonischen Ansatzes in Kombination mit hocheffizienter Ausstattung umgesetzt werden kann.
Leistungsparameter Live Labor Herten
Gebäudestandort: Herten, Deutschland
Eigentümer: Athoka GmbH / Zeller GmbH
Anwendungsbereich: Büro und Showroom, Lager
Stockwerke: 2
Grundfläche insgesamt: 1335 m2
Netto-Grundfläche Bürogebäude: 535 m2
Klimatisierte Fläche (Bürogebäude): 515 m2
Klimatisiertes Raumvolumen: 1424 m3
Grundfläche Lager: 800 m2 Gebäudehülle nach EnEV 2009
Eingesetzte Gebäudetechnik: Beheizung (Heizlast des Gebäudes ca. 13,3 kW): „Daikin Altherma“-Luft-/Wasser-Wärmepumpensystem; Daikin VRV-Luft-/Luft-Wärmepumpensystem
Kühlung und Entfeuchtung im Sommer: Daikin VRV-Luft-/Luft-Wärmepumpensystem Belüftung: „Daikin VAM“ Total-Wärmetauscher mit Wärme- und Feuchterückgewinnung
Beleuchtung: Einsatz von LED-Technik zur Nacht- und Akzentbeleuchtung