Der schlafende Riese ist wach

Supermarkt-Symposium des ZVKKW

Kein Supermarkt ohne Kühlung – sei es für die Lagerung oder den Verkauf verderblicher Lebensmittel, zur Klimatisierung oder verbunden mit einer Wärmepumpe, immer ist irgendwo eine Kälteanlage zu Gange. Die dafür erzielbaren Stromkosteneinsparungen rücken beim Handel immer stärker ins Interesse. Wie effizient schon heute Lösungen sind und welche Chancen sich dem Anlagenbau bieten, zeigte das Supermarkt-Symposium des ZVKKW.

Betreiber von Supermärkten sind heute nicht mehr überrascht. Bei der Suche nach den größten Energieverbrauchern im Haus rangiert die Kältetechnik an vorderster Stelle. Die Studie „Energiemanagement im Einzelhandel“ des ehi Retail Institute (Bezug möglich direkt beim ehi) erhebt die Verbräuche schon seit mehreren Jahren und fasst die Ergebnisse für den Food- und Non-Food Handel zusammen. Und würde der Wettbewerb um Kunden und Margen heute nicht immer erbitterter geführt, ja wären die Strompreise noch auf dem Stand von 2010, dann würde dies wohl auch noch lange so bleiben.

Der Handel muss handeln

Die Realität aber zwingt den Handel zu Einsparungen. Wo liegen Energieeffizienzpotentiale und wie lassen sich diese im Idealfall mit Klimaschutzzielen verbinden? Fragen, auf die 112 Teilnehmer beim Supermarkt-Symposium des Zentralverbandes Kälte-Klima-Lüftung (ZVKKW) nach Antworten suchten. Geliefert wurden diese am 23. April 2015 in Darmstadt. Die gute Nachricht für den Handel und Anlagenbau: Schon heute bieten sich durch Komponenten- und Systementwicklungen der Kälteindustrie zahlreiche Möglichkeiten, die Strom einsparen und sich vielfach in drei bis sechs Jahren amortisieren. Und jedes Kilowatt weniger Energieverbrauch mindert die CO2-Emissionen – ist damit aktiver Klimaschutz.

Ein anderer Ansatz bietet das Gebäude- und Energiemanagement von Märkten. Auch dafür gibt es Soft- und Hardwarelösungen, über die informiert wurde. Der Kälteanlagenbau ist aufgefordert, sich damit zu beschäftigen, um den Anschluss zu halten. Wesentlich näher liegen aber Maßnahmen, die oft sehr einfach zu realisieren sind.

Der Dreh mit der Drehzahl

Ein gutes Beispiel dafür sind Ventilatoren. Im Supermarkt vielfach im Einsatz trifft man heute auf kleine und große Geräte mit – gemessen am Stand der Technik – unnötig hohem Stromverbrauch. Denn moderne Antriebsmotoren sind drehzahlgeregelt, umgesetzt mit EC-Technologie. Ein Pionier in diesem Bereich ist das Unternehmen ebm-papst, das für Kühlmöbel, Verdampfer, Verflüssiger, Türluftschleier oder Lüftungsanlagen ‚Plug-and-Play’ Lösungen anbietet. Der Austausch ist schnell erledigt und meist sehr einfach – ein gewichtiges Argument für den Anlagenbau beim Kunden. Das anschließende Resultat beeindruckt. Denn der Stromverbrauch sinkt markant, teils um bis zu 50 %. Ein Praxisbeispiel ist die dänische Supermarktkette Brugsen. In einigen Märkten wurden in den Kühltheken als Retrofitlösung energieeffiziente iQ-Motoren eingebaut, der Stromverbrauch nachweisbar nahezu halbiert. In drei Jahren wird sich die Investition für den Betreiber gerechnet haben. Wie man von ebm-papst in Darmstadt hörte, hat sich auch die Schweizer Coop-Kette vergleichbare Lösungen bereits in großem Stile zu Nutze gemacht.

F-Gase-Verordnung macht Druck

Ein anderer Ansatz für mehr Effizienz ist das Kältemittel. Wie man in Darmstadt mehrfach hörte und was auch ein Ergebnis der ehi-Studie ist, setzen in neuen Märkten vor allem Betreiber mittlerer und großer Märkte ab 1000 m² Verkaufsfläche immer häufiger auf CO2-Systeme. Erstens zählen diese Kälteanlagen für die Tiefkühlung zu den effizientesten Systemen. Zweitens stehen marktreife Komponenten sowie in Kombination mit der Tiefkühlung auch Anlagen für die Pluskühlung zu Verfügung. Drittens kann im Idealfall die Wärme für Heizung und Warmwasser mit erzeugt werden – wenn dies in der Planungsphase bereits berücksichtigt wird. Und nicht zuletzt liegt der GWP des Kältemittels bei 1, weshalb es kein bzw. nur ein extrem geringes Treibhauspotential besitzt. Seitens des Anlagenbaus sind dies gewichtige Argumente beim Kunden, der zusätzlich sein ‚grünes’ Image damit verbessern kann. Der Hersteller Carrier zählt bei CO2-Anlagen zu den führenden Anbietern und hat europaweit bereits 1400 Anlagen in Betrieb genommen.

Noch im Forschungsstadium befindet sich derzeit der CO2-Ejector. Danfoss und die Frigo-Consulting AG aus der Schweiz berichteten über den Entwicklungsstand dieser Komponente, die den Wirkungsgrad von CO2-Kälteanlagen zusätzlich im zweistelligen Prozentbereich verbessern soll. Bis zur Serienreife dürften allerdings noch ein bis zwei Jahre vergehen.

Aber auch für den Anlagenbestand gibt es Lösungen. HFO-Kältemittel mit den futuristischen Namen „Opteon XP40“ der DuPont-Tochter Chemours oder „Solistice N13“ von Honeywell können vom Kälteanlagenbauer als Retrofitlösung sehr einfach im Austausch verwendet werden. Der Clou dabei: Das bisherige Treibhauspotential wird deutlich reduziert, ohne die Kälteleistung der Anlage zu beeinträchtigen.

Mit allen zuvor genannten Kältemitteln kann den hohen Anforderungen der neuen F-Gase-Verordnung schon heute Rechnung getragen, Energie eingespart und ebenfalls das CO2-Potential abgesenkt werden. Dem Lebensmittelhandel ist diese neue Verordnung heute noch nicht wirklich bewusst. Proaktives Handeln des Anlagenbauers ist deshalb unabdinglich, schafft Aufklärung und Kundenzufriedenheit.

REWE geht den Königsweg

Den Königsweg beschreitet seit 2008 die REWE-Gruppe. Damals startete das Unternehmen ein Programm, dessen Maßnahmen die gesamten CO2-Emissionen bis zum Jahr 2022 um 50 % reduzieren sollen. Äußerst anspruchsvoll, dachte man damals. Inzwischen sind nach Konzernaussage bereits 30 % geschafft. Dabei wird zwar ein wenig getrickst, wie beispielsweise durch die Komplettumstellung auf grünen Strom. Der Marktneubau aber zieht dann alle Register. Im November 2009 öffnete in Berlin erstmals eine 1900 m² große Markthalle, die nachweisbar CO2-neutral ist und die beim Handel schon lange die Runde gemacht hat. Hier spielt REWE die komplette Klaviatur, ob Holzkonstruktion, Tageslichteinbindung, Photovoltaik, Zellulosedämmung oder Regenwassernutzung.

Die Kälteanlagen nutzen ausschließlich natürliche Kältemittel. Für die Normal- und Tiefkühlung ist es CO2, bei steckerfertigen Truhen kommt Propan zum Einsatz. Die für den Markt benötigte Wärme wird aus dem CO2-Kühlprozess ausgekoppelt. Und das Erdreich ist mit zwölf Sonden für die Klimatisierung angezapft. Alles in allem also ein Vorzeigeobjekt, das dafür als erster Supermarkt mit dem DGNB-Zertifikat (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen) in Gold für Handelsbauten ausgezeichnet wurde.

Heute hat REWE für seine Märkte nach dem Vorbild Berlin drei verschiedene Gebäudetypen definiert. Alle sind nach DGNB zertifiziert. Das 100. Green Building soll Ende dieses Jahres seine Pforten öffnen. Bei den bereits eröffneten 29 neuen Märkten liegt der jährliche Durchschnittsverbrauch an Energie bei nur 293 kWh/m² Verkaufsfläche – also rund 40 % unter dem statistischen Durchschnitt im Lebensmittelsektor (Für den Lebensmittelsektor gibt die ehi-Studie einen durchschnittlichen Energieverbrauch für Strom und Heizung von zusammen 481 kWh/m²a an.). Zu diesem bemerkenswerten Ergebnis hat schlussendlich auch der schlafende Riese Kältetechnik beigetragen, der beim Handel langsam aber sicher erwacht. Wie schnell sich dies fortsetzt, hängt auch davon ob, dass der Kälteanlagenbau diese Entwicklung nicht verschläft.

Das Supermarktsymposium des ZVKKW in Darmstadt hat dafür einen wichtigen Beitrag geleistet und wird sicher auch im kommenden Jahr daran anknüpfen, wenn es dann zum 7. Mal stattfinden wird.

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