Einsatz von Kältemitteln mit großem Temperaturgleit
Festlegung der Systemtemperaturen und Komponentenauswahl
Bei Mehrstoffkältemitteln haben die einzelnen Komponenten unterschiedliche Siedepunkte. Dieser sogenannte Temperaturgleit muss bei der Festlegung der Systemtemperaturen bzw. -drücke beachtet werden.
Um der wirtschaftlichen Betriebsweise von Kälteanlagen gerecht zu werden, müssen die Temperaturdifferenzen an Verflüssiger und Verdampfer auf niedrigem Niveau gehalten werden. Das VDMA-Einheitsblatt 24247 „Energieeffizienz von Kälteanlagen“ gibt Hinweise zur Verbesserung der Energieeffizienz bei der Planung sowie beim Betrieb von kältetechnischen Anlagen. Kennzahlen zur Berechnung der Energieeffizienz von Kälteanlagen und deren Komponenten werden hier definiert.
Teil 8 des VDMA-Einheitsblattes 24247 behandelt u.a. die Wärmeübertrager für Kälteanlagen. Dabei wird der Fokus auf die richtige Auswahl, den energieeffizienten Betrieb und die nötige Instandhaltung gelegt, um einen energieeffizienten Gesamtbetrieb der Kälteanlage zu gewährleisten.
Um die Fluidtransporteffizienz im praktischen Umfeld zu optimieren, werden die Temperaturdifferenzen an den Wärmeübertragern nach oben begrenzt.
An luftgekühlten Verflüssigern wird eine maximale Eintrittstemperaturdifferenz von
∆ TL1=TC–TL1=13 K zugrunde gelegt. Anzustreben ist:
∆ TL1=8 K
An luftbeaufschlagten Verdampfern mit thermostatischem Expansionsventil gilt die maximale Eintrittstemperaturdifferenz von ∆ TL1=TL1–T0=10 K.
Temperaturgleit bei Kältemittelgemischen
Bei Einstoffkältemitteln (R134a) herrscht bei gegebenem Druck bei Phasenwechsel (Verdampfen/Verflüssigen) an jeder Stelle in den Wärmeübertragern die gleiche Temperatur. Zur Vereinfachung wird die Überhitzung in den Wärmeübertragern hier vernachlässigt.
Bei Kältemittelgemischen haben die Kältemittelkomponenten unterschiedliche Siedepunkte, was zu unterschiedlichen Phasenwechsel-Temperaturen führt. Am Beispiel R407F soll dies dargestellt werden.
Die Kältemittelzusammensetzung von R407F (Massenprozent)
R32: 30 %
R125 30 %
R134a: 40 %
Die Siedepunkte von R407F bei Atmosphärendruck:
R32: ca. -52 °C
R125: ca. -48 °C
R134a: ca. -26 °C
Bei gegebenem Druck verdampft zu Beginn der Verdampfung das Kältemittel mit tieferem Siedepunkt stärker als das Kältemittel mit höherem Siedepunkt. Es ergibt sich der sogenannte „Temperaturgleit“ (Abbildung 1).
Die Dampftafeln für „Gleitkältemittel“ sind entsprechend aufwendig gestaltet. Die Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik hat in Zusammenarbeit mit der Wirtschafts- und Informations GmbH Sättigungstafeln nach Temperatur und Sättigungstafeln nach Druck entwickelt. Bei den Sättigungsdampftafeln, die nach Temperatur aufgebaut sind, liegen die Werte für gesättigte Flüssigkeit und für gesättigten Dampf isotherm auf verschiedenen Drücken p‘ und p‘‘ (siehe Abbildung 2 und 3).
Bei den Sättigungsdampftafeln, die nach Druck aufgebaut sind, liegen die Werte für gesättigte Flüssigkeit und für gesättigten Dampf isobar auf verschiedenen Temperaturen t‘ und t‘‘ (siehe Abbildung 1 und Abbildung 4).
Gemäß Abbildung 4 beträgt der Temperaturgleit bei 1bar:
∆t=t``–t`=[-39,93 °C-(-46,33 °C]=6,4 °C=^ ∆T=6,4 K
Festlegung der Systemdrücke (-temperaturen)
Hinweis: Zur Vereinfachung werden die Überhitzungen in den Wärmeübertragern jeweils vernachlässigt.
Verflüssigungsdruck und mittlere Verflüssigungstemperatur
Ausgehend von einer Lufteintrittstemperatur tL1=35 °C, und einer Lufteintrittstemperaturdifferenz von ∆ TL1=TC–TL1=10 K, ergibt sich die Verflüssigungstemperatur mit:
tC=tL1+∆TL1 =35 °C+10 °C=45 °C
Aus der Dampftafel nach Temperatur ergibt sich bei 45 °C der Druck der gesättigten Flüssigkeit mit p`t=21,65 bar und der Druck des gesättigten Dampfes p``t=19,53 bar. Der Mittelwert beträgt pC=20,59 bar.
Aus der Dampftafel nach Druck können jetzt bei pC=20,59 bar die Temperatur der gesättigten Flüssigkeit t`p und die Temperatur des gesättigten Dampfes t``p ermittelt werden.
Es ergeben sich t`p= 42,88 °C (linke Grenzkurve, „Siedetemperatur“) und t``p= 47,11 °C (rechte Grenzkurve, „Taupunkttemperatur“).
Probe: 42,879°C+47,11°C = 44,9945°C≈tC=45°C
2
Die mittlere Verflüssigungstemperatur beträgt tC=45 °C (Abbildung 5).
Bei einer mittleren Verflüssigungstemperatur von 45 °C beträgt die Taupunkttemperatur t``p=47,11 °C (Beginn der Verflüssigung) und die Siedetemperatur t`p=42,88 °C (Ende der Verflüssigung).
Gemäß EN 327 werden die Leistungsangaben von luftbeaufschlagten Verflüssigern in Abhängigkeit der Taupunktemperatur und der Lufteintrittstemperatur gemacht. D.h. im Beispiel ist der Verflüssiger auszulegen auf die Eintrittstemperaturdifferenz von:
∆TL1=TTau–TL1=^ tTau-tL1 =47,11 °C-35 °C=12,11 °C
=^ 12,11 K
Anmerkung: Bei Einstoffkältemitteln wäre diese:
∆TL1=TC–TL1=^ tC–tL1 =45,0 °C–35 °C=10,0 °C=^ 10,0 K
Die Abweichung:
∆TL1% = 12,11K–10K .100 %=21,1 %
10,0K
Um dieses Prozedere zu vereinfachen, hat die Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik in Zusammenarbeit mit der Wirtschafts- und Informations GmbH entsprechende Tabellen entwickelt (Abbildung 6 und Abbildung 7).
Verdampfungsdruck und mittlere Verdampfungstemperatur
Im Gegensatz zum Verflüssiger wird im Verdampfer nicht die gesamte Temperaturspanne von Siede- bis Taupunktemperatur „durchfahren“. Die Temperatur zu Beginn der Verdampfung (nach dem Expansionsorgan, Punkt 4 in Abbildung 8) ist abhängig von der Temperatur des flüssigen Kältemittels (vor dem Expansionsorgan, Punkt 3 in Abbildung 8). Die Verdampfungstemperatur, die zur Auslegung der wirtschaftlichen Betriebsweise des Verdampfers zugrunde zu legen ist, ist der Mittelwert der beiden Temperaturen von Punkt 4 und der Taupunkttemperatur t``0. Diese beiden Temperaturen können nur iterativ – mit Hilfe der Dampftafeln (nach Temperatur und nach Druck) – ermittelt werden. Hierauf soll an dieser Stelle verzichtet werden.
Des Weiteren wird sich bei niedriger Flüssigkeitstemperatur (große Unterkühlung, Punkt 3u in Abbildung 8) die Temperatur an Punkt 4u in Abbildung 8 einstellen. Diese ist nun niedriger als bei höherer Flüssigkeitstemperatur (geringe Unterkühlung) an Punkt 4 in Abbildung 8. Somit reduziert sich auch die mittlere Verdampfungstemperatur von t0m,4 nach t0m,4u.
Fazit: Die mittlere Verdampfungstemperatur t0m und die daraus resultierende Taupunkttemperatur t``0 sind abhängig von der Temperatur des flüssigen Kältemittels vor dem Expansionsorgan!
Für die Praxis stellt sich die Aufgabe zunächst (nach Kühlgutvorgabe) die Verdampfungstemperatur t0m festlegen zu müssen. Die daraus resultierende Taupunkttemperatur und der Verdampfungsdruck können, wie oben erwähnt, nur iterativ (mit Hilfe der Enthalpie des flüssigen Kältemittels) errechnet werden.
Um den Aufwand zu reduzieren und für die Praxis eine rasche Lösung zur Festlegung der Temperaturlage(n) im Verdampfer zu finden, hat die Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik in Zusammenarbeit mit der Wirtschafts- und Informations GmbH entsprechende Tabellen entwickelt (Abbildung 9)
Abbildung 9 zeigt einen Auszug der für die Praxis sinnvoll einzusetzenden Tabelle.
Bspw. wird eine mittlere Verdampfungstemperatur von -28 °C gefordert. Die Flüssigkeit hat eine Temperatur von 40 °C. Daraus ergibt sich eine resultierende Taupunkttemperatur von -26,2 °C.
Bei unterkühlter Flüssigkeit von 0 °C erhöht sich die Taupunkttemperatur auf -25,4 °C.
Gemäß EN 328 werden die Leistungsangaben von luftbeaufschlagten Verdamfern in Abhängigkeit der Taupunktemperatur und der Lufteintrittstemperatur gemacht. Bei Lufteintrittstemperatur von bspw. -18,5 °C ist der Verdampfer auszulegen auf die Eintrittstemperaturdiffrenz von:
Für 0-grädige Flüssigkeit:
∆TL1=TL1-TTau=^ tL1-tTau =-18,5 °C-(-25,4 °C)=6,9 °C
=^ 6,9 K
Für 40-grädige Flüssigkeit:
∆TL1=TL1-TTau=^ tL1-tTau =-18,5 °C-(-26,2 °C)=7,7 °C
=^ 7,7 K
Anmerkung: Bei Einstoffkältemitteln wäre diese:
∆TL1=TL1-T0=^ tL1-t0 =-18,5 °C-(-28,0 °C)=9,5 °C
=^ 9,5 K
Die Abweichung beträgt:
Für 0-grädige Flüssigkeit:
∆TL1% = 9,5K–6,9K .100 %=27,4 %
9,5K
Für 40-grädige Flüssigkeit:
∆TL1% = 9,5K–7,7K .100 %=18,9 %
9,5K
Bei Nichtbeachtung dieser deutlichen Abweichungen werden die Verdampferflächen falsch ausgelegt.
Auf die Abhängigkeit von der Verdampfungstemperaturlage sei an dieser Stelle ebenfalls hingewiesen.
Fazit: Die individuellen Einflüsse wie Kältemittelzusammensetzung, Unterkühlung und Systemdrucklagen auf Wärmeübertragergrößen und deren Betriebspunkte sind differenziert zu betrachten.
In Anbetracht der möglichen Abweichungen und der daraus resultierenden Fehldimensionierung sind pauschale Herangehensweisen bei der Temperaturdifferenzermittlung äußerst kritisch zu werten.