Eisberg voraus – Neue Bedingungen für Marktteilnehmer
Ökodesign-Richtlinie für Kaltwassererzeuger – Teil 1
Glühbirnen wurden verboten, Heizwert-Wärmeerzeuger sind quasi vom Markt verschwunden – die Regeln der Ökodesign-Richtlinie gehen nicht gerade zimperlich mit augenscheinlich ineffizienten Produkten um. Doch was u. a. die Beleuchtungskörper bereits hinter sich haben, steht jetzt für die Kaltwassererzeuger am Start. Und wie es die Überschrift schon vermuten lässt: Auch bei einem Eisberg ist über dem Wasser nur der kleinste Teil sichtbar, wirklich gefährlich ist dagegen das, was unsichtbar unter der Wasseroberfläche schwimmt. Damit es Ihnen nicht ergeht wie dem Kapitän der Titanic, klären wir in einer zweiteiligen Serie über die Tücken der neuen Ökodesign-Richtlinie auf.
Augen zu und durch? Geht bei der neuen Ökodesign-Richtlinie für Kaltwassererzeuger leider nicht. Vielmehr sind genaue Information und Vorbereitung notwendig, um keinen Schiffbruch zu erleiden – für alle Marktteilnehmer. Bislang waren es vor allen Dingen die Hersteller, die Überstunden absolvieren mussten, um für den Stichtag am 1. Januar 2018 alles parat zu haben, was die Ökodesign-Richtlinie vorschreibt. Doch jetzt sind die Fachplaner und Verarbeiter gefragt, denn auch auf sie kommt einiges an Details und Fallstricken zu, die es zu umgehen gilt. In übersichtlicher Frage- und Antwortform schafft die KKA für Sie Klarheit.
Was ist die Ökodesign-Richtlinie und welchen Einfluss übt sie auf den Markt bei Kaltwassererzeugern aus?
Die Ökodesign- oder ErP-Richtlinie (nach dem engl. Energy-related Products, kurz ErP) ist ein von der Europäischen Union (EU) geschaffener Rahmen für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte. Zielsetzung der Ökodesign-Richtlinie ist es, Energie und andere Ressourcen bei Herstellung, Betrieb und Entsorgung von energieverbrauchsrelevanten Produkten einzusparen. Darüber hinaus sollen durch Angleichung der Rechtsvorschriften innerhalb der EU gemeinschaftliche Ökodesign-Anforderungen geschaffen und technische Handelshemmnisse verringert werden.
Das betrifft unter anderem auch den Markt für Kaltwassererzeuger. Entsprechend der neuen Richtlinie müssen Hersteller von Kaltwassererzeugern ab dem 1. Januar 2018 ihre Produkte auf die neuen Ökodesign-Anforderungen ausrichten. Sofern in einer Durchführungsmaßnahme Grenzwerte für Energieeffizienz definiert sind, ist es Herstellern beispielsweise nicht erlaubt, Produkte auf den Markt zu bringen, die diese Grenzwerte nicht einhalten bzw. unterschreiten. Alle Produkte, die die Anforderungen zukünftig nicht erfüllen, werden von den Herstellern angepasst oder aus dem Portfolio genommen. Auch Anwender sollten sich frühzeitig auf diese Veränderungen einstellen.
Welche Produktgruppen für Kaltwassererzeuger sind nach der Ökodesign-Richtlinie maßgeblich?
Die Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EG) ist eine Rahmenrichtlinie, die an sich keine detaillierten Anforderungen an bestimmte Produktgruppen definiert. Unterschiedliche Produkte werden in sogenannte LOTs eingeteilt. Es werden Vorgaben definiert, die in der Produktion berücksichtigt und dokumentiert werden müssen. Die für Kaltwassererzeuger anzuwendenden Durchführungsmaßnahmen verteilen sich je nach Anwendungsfall und Systemauslegung auf unterschiedliche LOTs (siehe Tabelle 1).
Im Wesentlichen gelten für Kaltwassererzeuger die Produktgruppen LOT 1 ENER, LOT 21 ENER und LOT 1 ENTR. Bei der Kurzbezeichnung der Produktlose ist es wichtig, zwischen denen unter Federführung vom Generaldirektorat Energie ENER, dem Generaldirektorat für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMUs – GROWTH (früher ENTR) sowie dem Generaldirektorat Umwelt (ENV) zu unterscheiden, da ansonsten dieselbe Nummerierung verwendet wird.
Warum stellt die Ökodesign-Richtlinie alle Marktbeteiligten vergleichsweise vor besonders hohe Anforderungen?
Im Gegensatz zu anderen Produktgruppen sind die Anforderungen für Kaltwassererzeuger mit äußerst knapp bemessenen Umsetzungsfristen verabschiedet worden. So wurde die Verordnung zu LOT 21 VO ((EU) 2016/2281) erst am 30.11.2016 veröffentlicht. Bis zum Inkrafttreten der ersten Stufe (TIER1), ab dem 01.01.2018, waren es nur 13 Monate, in denen die Marktbeteiligten Zeit hatten, Sortiment und Planungsunterlagen auf die neuen Vorschriften umzustellen. Dieser kurze Umstellungszeitraum stellt die Beteiligten vor große Probleme, da die Norm noch relativ jung ist, Planungen ohne Kenntnis der Norm angelaufen sind und die Hersteller u. U. nicht die passenden Geräte im Angebot haben könnten.
Erschwerend kommt hinzu, dass die einzuhaltenden Grenzwerte sehr viel niedriger liegen, als im Vorfeld von den Herstellern erwartet worden war, und dass Übergangsfristen nicht vorgesehen sind. Das stellt Markpartner vor zusätzliche Herausforderungen, insbesondere weil bei Bauprojekten, bei denen Kaltwassererzeuger dieser Leistungsstufen zum Einsatz kommen, zwischen Entwurf, konkreter Planung, Auftragserteilung und Ausführung sowie Inbetriebnahme oft mehrere Jahre vergehen können. „So ein kurzer Zeitraum kann unter Umständen dazu führen, dass ursprünglich in den Planungsunterlagen angegebene Geräte bei der Ausführung nicht mehr regelkonform sind“, erklärt Michael Lechte, Leiter Produktmarketing bei Mitsubishi Electric, Living Environment Systems.
Die Einführung der zweiten Stufe (TIER2) ist zum 1. Januar 2021 vorgesehen. Darin werden Grenzwerte für die Gesamtenergiebilanz weiter verschärft. Wenn man absehen kann, dass ein Gerät erst nach 2021 ausgeliefert wird, kann man dies jetzt schon berücksichtigen, da die Rahmenbedingungen feststehen. Darüber hinaus kann man sich vom Hersteller bescheinigen lassen, dass die Geräte die Anforderungen an TIER 2 erfüllen. „Gerade bei langfristigen Projekten kann es deshalb von Vorteil sein, auf Produkte von Herstellern zu setzen, die bereits jetzt die zukünftig geltende Konformität mit der Ökodesign-Richtlinie anbieten“, so Lechte weiter.
Ist es möglich, dass in einem Projekt ausgeführte Kaltwassererzeuger unter verschiedene LOTs fallen?
Je nach Auslegungstemperatur und Leistungsgröße können in einem Projekt ausgeführte Kaltwassererzeuger sowohl in unterschiedliche LOTs fallen, als auch höhere oder geringere Energieeffizienz-Grenzwerte einhalten müssen. Denn für die Bewertung als Komfortkühler für die Raumklimatisierung, als Prozesskühler mit hoher Betriebstemperatur oder als Prozesskühler mit mittlerer Betriebstemperatur gelten ganz unterschiedliche Grenzwerte bei der Energieeffizienz. In der Regel ist Herstellern jedoch nicht bekannt, wo ihre Produkte eingesetzt werden. In Eigenregie für die garantierte Erfüllung der Ökodesign-Richtlinie zu sorgen, ist eine Aufgabe, die Fachplaner oder Anlagenbauer allerdings nicht erfüllen können. Sie müssen den Hersteller deshalb immer in die Projektplanung mit entsprechenden objekt- und verwendungsspezifischen Angaben einbinden.
Bei der Zuordnung von Kaltwassererzeugern zu den einzelnen Produktgruppen ist einiges zu beachten. Kaltwassererzeuger kleiner 400 kW Leistung, die nur kühlen können, fallen unter LOT 21. Wohingegen Kaltwassererzeuger, die zum Kühlen und zum Heizen eingesetzt werden und weniger als 400 kW Leistung bereitstellen, unter LOT 1 fallen, da sie als Wärmepumpen gelten. Kaltwassererzeuger zur Komfortklimatisierung mit mehr als 400 kW und bis 2 MW fallen unter LOT 21. Bei einer Serie mit unterschiedlichen Leistungen, zum Beispiel von 300 kW bis 900 kW, fallen die ersten Geräte unter LOT 1, die anderen unter LOT 21.
In LOT 21 werden Kaltwassererzeuger zur Komfortklimatisierung bis 2 MW je nach System und Leistungsstufe noch mal in ihrer Bewertung unterteilt (siehe Tabelle 2). Luftgekühlte Komfortkühler werden unterschieden in Leistungsstufen kleiner bzw. größer als 400 kW und haben entsprechend unterschiedliche Anforderungen zu erfüllen. Bei den wassergekühlten Geräten unterscheidet der Gesetzgeber in Geräte mit weniger als 400 kW Kälteleistung, zwischen 400 kW und 1500 kW und mehr als 1500 kW Kälteleistung. Die Geräte dieser drei Leistungsstufen haben unterschiedliche Anforderungen an die Energieeffizienz zu erfüllen. Insgesamt sind die Anforderungen der wassergekühlten Varianten generell etwas höher als die der lüftgekühlten Komfortchiller.
Bei der Mindestenergieeffizienz von Prozesskühlern wird nach der Betriebstemperatur unterschieden. Prozesskühler (Kaltwassererzeuger) mit hoher Betriebstemperatur (>7 °C) bis 2 MW fallen unter LOT 21. Prozesskühler mit mittleren (<7 °C bis -8 °C) und niedrigen Betriebstemperaturen (<-25 °C), sind hingegen durch die Durchführungsbestimmung ENTR LOT 1 (2015/1095) zu bewerten. Erwähnenswert ist außerdem, dass Geräte über 2 MW und Geräte in geteilter Ausführung (Chiller + externer Verflüssiger) nicht unter die neue Ökodesign-Richtlinie fallen.
Können für dasselbe Gerät unterschiedliche Bedingungen und Vorschriften der Ökodesign-Richtlinie greifen?
Die neue Ökodesign-Richtlinie unterscheidet bei der Festlegung der Referenzgrenzwerte klar nach der jeweiligen Anwendung, für die ein Gerät eingesetzt wird. Das kann sowohl bei der Auswahl des Gerätes als auch bei der Angabe des Referenzwertes zu Schwierigkeiten führen, da Geräte in der Regel mehrere Applikationen abdecken können. So kann zum Beispiel ein Kaltwassererzeuger als Komfortkühler für die Raumklimatisierung, als Prozesskühler mit hoher Betriebstemperatur oder als Prozesskühler mit mittlerer Betriebstemperatur genutzt werden.
„Solange der Kunde weiß, was er mit dem Gerät vorhat, ist die Zuordnung und die Angabe des Referenzwertes noch verhältnismäßig einfach umzusetzen“, so Lechte. Problematischer wird es z. B. bei einem Gerät, welches mit Mediumaustrittstemperaturen von +7 °C betrieben wird. Hier weiß der Hersteller nicht immer zweifelsfrei, ob das Gerät zur Komfort- oder Prozesskühlung eingesetzt wird. Ein weiterer Fallstrick ist eine gemischte Anwendung, wo neben einem Prozess auch Räume klimatisiert werden.
Welche Daten/Angaben sind in Zukunft relevant?
Ziel der Ökodesign-Richtlinie ist unter anderem die Vergleichbarkeit von energieverbrauchsrelevanten Geräten gleicher Bauart miteinander. Um die Energieeffizienz von Kaltwassererzeugern zu vergleichen, sind diese deshalb mit einer aussagekräftigen Kennzahl von den Herstellern zu kennzeichnen. Bisher wurde für die Vergleichbarkeit der Energieeffizienz bei Kaltwassererzeugern die Energy Efficiency Ratio (EER) herangezogen. Für die Wirtschaftlichkeit im Heizbetrieb galt bisher der Coefficient of Performance (COP) als Bewertung. Diese Werte sind allerdings nur auf einen einzelnen Betriebspunkt ausgelegt und spiegeln damit nicht die jahreszeitlich bedingten Temperaturschwankungen wider.
Eine weitere Kennzahl ist der ESEER-Wert (European Seasonal Energy Efficiency Ratio), der das Verhalten einer Klimaanlage bzw. Wärmepumpe im Teillastbetrieb praxisnah widerspiegelt. Zur Berechnung des ESEER-Wertes für den Kühlbetrieb werden die EER-Werte bei Lastzuständen von 100, 75, 50 und 25 % der Nennleistung von ausgewählten Kaltwassererzeugern bei definierten Luft- bzw. Wassertemperaturen von den Herstellern deklariert. Diese ergeben dann, multipliziert mit den jeweils zugehörigen prozentualen Gewichtungsfaktoren, den ESEER-Wert, der von EUROVENT ermittelt wird. Allerdings fehlt dieser von einem privaten Verband initiierten Methode der Gesetzescharakter. Im Rahmen der Energy related Product-Richtlinie (ErP) ändert sich diese Vorgehensweise. Mit dem Inkrafttreten von LOT 21 für Komfortchiller werden der Raumkühlungs-Jahresnutzungsgrad ηs,c (seasonal space cooling energy efficiency) und der Seasonal Energy Efficiency Ratio (SEER-Wert) zur verpflichtenden Angabe im Kühlbetrieb. Der Unterschied zum EER besteht darin, dass die Leistungsmessung nicht nur bei einer einzigen Temperatur stattfindet, sondern bei vier unterschiedlichen Werten. Die entsprechenden Zwischenwerte werden interpoliert bzw. extrapoliert, um so die mögliche Bandbreite des Einsatzbereiches anhand fest definierter Betriebsstunden repräsentativ wiederzugeben.
Zur Ermittlung des SEER-Wertes werden ebenfalls Teillastpunkte bei 25, 50, 75 oder 100 % angefahren. Deshalb werden Geräte mit ungeregelten Scrollverdichtern, die die geforderte Leistung im Teillastbetrieb nicht bzw. übertreffen, mit Korrekturfaktoren belegt. Damit der gewünschte Teillastzustand genau angefahren und eine möglichst hohe Energieeffizienz erreicht werden kann, ist eine möglichst große Abstufung des Gerätes beispielsweise durch zwei bzw. vier oder drehzahlgeregelte Verdichter sinnvoll. Die Grundlage zur Kalkulation des SEER Wertes bildet die EN 14825:2016.
Für luft- und wassergekühlte Prozesskühler mit hoher Betriebstemperatur muss der Seasonal Energy Performance Ratio (SEPR) angegeben werden. Die unterschiedliche Berechnungsformel resultiert daraus, dass sich das Teillastverhältnis von Prozess- und Komfortkühlern wesentlich unterscheidet. Bei der Prozesskühlung besteht ganzjährig eine hohe Kühlanforderung auch bei tieferen Außentemperaturen.
Diese Vielzahl von Durchführungsbestimmungen für zum Teil identische Produkte zeigt, wie kompliziert sich die Auswahl für Planer und Ausführende gestaltet, um immer exakt den gesetzlichen Regelungen bei der geeigneten Produktwahl zu entsprechen. Wie die neuen Effizienz-Werte berechnet werden und welche Fallstricke sich Anwendern in der Praxis noch bieten, lesen Sie in Teil 2 des Artikels „Ökodesign-Richtlinie für Kaltwassererzeuger“ in der nächsten Ausgabe der KKA.