Kennwerte, Pflichten und Fallstricke
Ökodesign-Richtlinie für Kaltwassererzeuger – Teil 2
Die neue Ökodesign-Richtlinie für Kaltwassererzeuger, die seit Januar 2018 gilt, stellt Hersteller, Fachplaner und Anlagenbauer gleichermaßen vor große Herausforderungen. Um alles parat zu haben, was die Ökodesign-Richtlinie vorschreibt, ist eine gründliche Vorbereitung unumgänglich. Im ersten Teil in KKA 1/2018 haben wir Sie über die Auswirkungen, Bedingungen und Struktur der Richtlinie informiert. Lesen Sie im zweiten Teil, auf welche Kennwerte es ankommt, wie sie berechnet werden und welche Fallstricke es zu umgehen gilt. In übersichtlicher Frage- und Antwortform schafft die Redaktion für Sie Klarheit.
Welche Aussagekraft haben die Effizienz-Werte und wie werden sie berechnet?
Um die Energieeffizienz von Kaltwassererzeugern zu vergleichen, sind diese mit aussagekräftigen Kennzahlen von den Herstellern zu deklarieren. Einer davon ist der Raumkühlungs-Jahresnutzungsgrad (ηs,c). Er bezeichnet das in % angegebene Verhältnis zwischen dem von einem Kühlungsprodukt gedeckten jährlichen Bezugs-Jahreskühlbedarf der Kühlperiode und dem jährlichen Kühlenergieverbrauch, der um Beiträge berichtigt wird, die die Temperaturregelung und den Stromverbrauch der gegebenenfalls vorhandenen Grundwasserpumpe(n) widerspiegeln.
Darüber hinaus gibt es den SEER bzw. den SEPR. Sie geben das Verhältnis von eingesetzter zu erhaltener Energie unter Berücksichtigung saisonal bedingter Temperaturschwankungen an. Die Berechnungsformeln für die einzelnen Kennwerte sind für alle Hersteller gleich. Um den SEER zu berechnen, müssen eine ganze Anzahl von Formeln angewendet werden. Der SEER ist die saisonale Arbeitszahl im Kühlbetrieb und wird gebildet aus dem Quotienten der Bezugs-Jahreskühllast durch den Jahresstromverbrauch für die Kühlung.
Die Bezugs-Jahreskühllast wiederum ist ein Produkt aus der Volllast im Kühlbetrieb und den äquivalenten Stunden im Aktivmodus für den Kühlbetrieb. Während diese mathematische Formel noch verhältnismäßig überschaubar ist, ist die Berechnung des Jahresstromverbrauchs weitaus komplizierter.
Der Jahresstromverbrauch wird berechnet aus den Summen und Produkten unterschiedlicher Betriebsmodi. Hierbei fließen unterschiedliche definierte Parameter mit in die Berechnung ein, die sich unter anderem aus Temperaturstufen(BIN)-Nummer, Außentemperatur und Anzahl der Stunden je Temperaturstufe entsprechend der Referenzkühlperiode sowie weiteren Faktoren zusammensetzen.
Um ein möglichst exaktes Bild wiederzugeben, werden in der Berechnung der Jahresleistungsaufnahme auch alle energieverbrauchsrelevanten Komponenten eines Gerätes umfasst. Also auch der erforderliche Strom für den Stand-by-Betrieb, den Betrieb der Kurbelwannenheizung, Betrieb bei „Thermostat AUS“ und dem AUS-Betrieb. „Die Berechnung der SEER- bzw. der SEPR-Werte ist sehr kompliziert und deshalb von Fachplaner, Anlagenbauer oder dem Fachhandwerk nicht zu leisten. Für die richtigen Angaben sind die Hersteller oder Importeure zuständig, die ihre Geräte entsprechend den neuen Richtlinien deklarieren müssen“, erklärt Michael Lechte, Leiter Produktmarketing bei Mitsubishi Electric, Living Environment Systems.
Welche Fallstricke bietet die Ökodesign-Richtlinie Anwendern in der Praxis?
Bei der Anwendung der Richtlinie warten gleich mehrere Fallstricke. Zum Beispiel geraten Ausführende schnell in Bedrängnis, wenn Freecooling-Geräte zum Einsatz kommen. Diese werden zwar in den seltensten Fällen für die Komfortklimatisierung eingesetzt, können aber Ausschreibungen verzerren, wenn sie ohne SEER-Wert ausgewiesen werden.
Einen weiteren Fallstrick bietet die Einordnung von Geräten. Was, wenn mit demselben Gerät unterschiedliche Anwendungen realisiert werden. Im Rahmen der CE-Kennzeichnung spezifiziert der Hersteller den konkreten Anwendungsfall und gibt die entsprechenden Daten an. Damit ist die Herstellerdeklaration abgeschlossen. Allerdings kann der Anwender/Anlagenbauer ein Gerät auch anders einsetzen. Das liegt in seiner Verantwortung, solange nicht andere EU-Regularien, z. B. das Produkthaftungsrecht dagegensprechen. Daraus eventuell auftretende Haftungsfragen und deren Folgen sind in der neuen EU-Verordnung allerdings nicht geregelt.
Welche Pflichten treffen Fachplaner und Fachhandwerker gegenüber Kunden, wenn er eine Kaltwasseranlage plant bzw. installiert?
Generell haben Fachplaner und Fachhandwerker die Pflicht, den von ihnen zu verantwortenden Teil einer Anlage nach allen fachlichen und technischen Regeln ihres Gewerkes umzusetzen. Das schließt auch eine Gewährleistung über die Konformität mit in der EU zugelassenen Produkten ein. Diese Pflicht geht aber nicht soweit, dass er für Fehler bei der Kennzeichnung haften muss.
Verantwortlich für die Umsetzung und Einhaltung der Ökodesign-Richtlinie ist generell der Inverkehrbringer des Gerätes und nicht der Ersteller der Anlage. Stichtag dafür ist die Auslieferung der Geräte vom Werk innerhalb der EU. Seit dem 1. Januar 2018 dürfen keine Geräte mehr vom Werk ausgeliefert werden, die nicht den Anforderungen entsprechen – auch wenn die Planung und Konzeption vorher stattgefunden hat. Das bedeutet für Planer, Ausführende und Betreiber, dass sie sich genauestens informieren müssen, welche Geräte seit dem Stichtag die Konformität mit der Ökodesign-Richtlinie erfüllen.
Darüber hinaus ist der Kunde, bei dem ein Gerät installiert wird, über die Richtlinien-Konformität zu informieren. Dafür müssen sich Fachplaner und -handwerker bei Planungen im Vorfeld die ErP-Konformität des Wirkungsgrads ηs,c durch die Hersteller bestätigen lassen. So kann sichergestellt werden, dass die Berechnungen in den entsprechenden Stufen auch erreicht werden und die Produkte bei der Auslieferung die ErP-Richtlinie einhalten. Maßgeblich hierfür ist das Datum der Auslieferung ab Werk und nicht das der Inbetriebnahme.
Worauf haben Planer, Ausführende und Betreiber zu achten?
Die Erklärung der Konformität mit den für die jeweilige Produktart erlassenen Durchführungsmaßnahmen erfolgt als Selbstdeklaration durch die Hersteller oder den Importeur mittels der Anbringung der CE-Kennzeichnung und der Ausstellung einer Konformitätserklärung. Vor dem 01.01.2018 ausgelieferte Geräte ohne Konformitätserklärung dürfen also auch zu einem späteren Zeitpunkt noch installiert und in Betrieb genommen werden. „Zu beachten ist dabei die geringere Wirtschaftlichkeit der „alten“ Geräte aufgrund der niedrigeren Energieeffizienz. Dies muss klar aus den Angebotsunterlagen hervorgehen, sodass der Kunde seine Entscheidungskompetenz behält“, so Lechte.
Dieser Aspekt spielt beispielsweise eine wichtige Rolle bei der Zertifizierung von Gebäuden oder Produktionsanlagen, die eines der anerkannten Gütesiegel für Gebäude nach DGNB, LEED oder BREAM anstreben. Und nicht zuletzt ist ein ausgewogenes Verhältnis von Invest und laufenden Betriebskosten abzuwägen. Denn eines ist klar: Geräte, die zukünftig nicht mal mehr den Mindestanforderungen genügen, werden noch schnell mit den entsprechenden Preisnachlässen „in den Markt gedrückt“. Ihre geringere Energieeffizienz kann aber schnell zum Bumerang werden und durch hohe Betriebskosten während der Laufzeit die eingesparten Kosten aufzehren.
Worauf haben Hersteller und Inverkehrbringer grundsätzlich zu achten?
Mit der Ökodesign-Richtlinie hat der Hersteller und Inverkehrbringer zum Auslieferungszeitpunkt innerhalb des EU-Wirtschaftsraumes eine Konformitätserklärung zu erbringen. Um die Wirtschaftlichkeit von Produkten neutral beurteilen zu können, müssen die Hersteller die Grundlagen ihrer Messungen transparent darstellen. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, aussagekräftige und frei zugängliche Produktinformationen für Fachplaner, Anlagenbauer und Fachhandwerk zur Verfügung zu stellen.
Die Anleitungen für Installateure und Endnutzer sowie frei zugängliche Websites der Hersteller, ihrer Bevollmächtigten und Importeure müssen dabei folgende Angaben enthalten: Bei Komfortkühlern, Wärmepumpen und Prozesskühlern müssen in der Dokumentation die durch die Richtlinie gemessenen und berechneten Informationen enthalten sein. Bei den Kaltwassererzeugern zur Komfortkühlung müssen die ηs,c-Werte und bei den Prozesskühlern mit hohen Betriebstemperaturen die SEPR-Werte angegeben werden. Für die Umsetzung und Einhaltung dieser Vorschriften ist der Inverkehrbringer des Gerätes verantwortlich.
Wie bereiten sich die Hersteller von Kaltwassererzeugern darauf vor?
Um die geforderte Effizienz von Kaltwassererzeugern zur Raumklimatisierung oder Prozesskühlung zu erreichen, begegnen die Hersteller den Herausforderungen der neuen Ökodesign-Richtlinie mit zahlreichen Innovationen. Dazu zählt der vermehrte Einsatz der Inverter-Technologie bei Scroll- aber auch bei Schrauben- und magnetgelagerten Turboverdichtern. Durch drehzahlgeregelte Pumpen und EC-Ventilatorentechnik lässt sich die Effizienz ebenfalls deutlich steigern.
Optimierte Regelungstechnik z. B. mit last- und temperaturabhängiger Sollwertverschiebung in der Geräteperipherie kann ebenfalls einen Beitrag zu einer höheren saisonalen Energieeffizienz leisten. Auch kältemittelüberflutete Verdampfer bieten eine konstruktive und effiziente Lösung. „Darüber hinaus kommen die Hersteller ihrer Verpflichtung nach, die Geräte zu prüfen, die Energieeffizienz entsprechend den Vorgaben zu ermitteln und nachzuweisen und frei zugänglich zu dokumentieren. Größtmögliche Transparenz bei der Ermittlung der erreichten Energieeffizienzwerte gegenüber Kunden und dem Marktumfeld sorgt für das nötige Vertrauen in gute und energiesparende Produkte“, so Lechte.
Welche Geräte sind konform gemäß ErP 2018 / 2021?
Um sich zu informieren, welche Geräte nach Inkrafttreten der Stufen 1 und 2 richtlinienkonform sind, stellen Hersteller bereits jetzt ausführliche Listen zur Verfügung. Diese geben einen Überblick, welche Geräteserien ab wann weiterhin zur Verfügung stehen und welche Produktneuheiten hinzukommen werden.
Der Zeitplan für die möglichen Entwicklungsstufen wird an jeweils einem Beispiel für luft- und wassergekühlte Geräte in einem übersichtlichen Diagramm dargestellt. Die im Diagramm dargestellten Informationen sind eine Möglichkeit, die vorgegebenen Effizienzwerte zu erreichen. Anhand der Kälteleistung und der SEER-Werte können die technischen Neuerungen der einzelnen Geräte nach Stufe 1 (ab 2018) und Stufe 2 (ab 2021) abgelesen werden.
So geht der Trend beispielsweise bei den luftgekühlten Aggregaten (Diagramm 1) unter 30 kW Leistung seit Januar 2018 dahin, dass Inverter-geregelte Kompressoren verbaut werden. Bei Geräten mit einer Leistung von 30 bis 400 kW können nach wie vor ungeregelte Scroll-Verdichter eingesetzt werden, um die Vorgaben der Ökodesign-Richtlinie zu erfüllen. Über einen Leistungsschieber geregelte Schraubenverdichter-Geräte mit mehr als 400 kW Kälteleistung können ebenfalls die neuen Anforderungen erfüllen.
In der zweiten Stufe ab 2021 muss die geforderte Ausstattung bei den Leistungsstufen dann noch mal steigen, um die erforderliche Mindestenergieeffizienzklasse zu erreichen. So werden bei Leistungen über 400 kW vermehrt drehzahlgeregelte Schraubenverdichter eingesetzt werden. Bei wassergekühlten Geräten (Diagramm 2) verläuft der Zeitplan ähnlich. Die überdurchschnittliche Effizienzsteigerung wird hier zusätzlich durch den Einsatz von überfluteten Wärmetauschern sichergestellt.
Wie sieht die weitere Entwicklung aus?
Eine große Rolle wird in Zukunft der technologische Fortschritt spielen. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, wie der weitere Fahrplan nach der Stufe 2 ab dem 1. Januar 2021 aussehen wird. Wahrscheinlich ist mit einem weiteren Anheben der Grenzwerte zur Steigerung der Energieeffizienz in den folgenden Jahren zu rechnen, sodass die Hersteller auch weiterhin den technologischen Fortschritt einzelner Komponenten bzw. ganzer Systeme vorantreiben werden.
Eine Möglichkeit bietet hier vor allem die Weiterentwicklung neuer, noch leistungsfähigerer Kältemittel. Ebenso besteht bei Wärmetauschern noch hohes Innovationspotenzial. „Grundsätzlich sollte darauf hingewiesen werden, dass kürzere Entwicklungszyklen und eine steigende technische Ausstattung auch das Preisniveau ansteigen lassen. Dies wird allerdings durch den geringeren Energieverbrauch relativiert und kann sich weit unterhalb der Lebenszeit der Geräte amortisieren“, so Lechte.
Fazit
Mit Inkrafttreten der Ökodesign-Richtlinie für Kaltwassererzeuger zum 1. Januar 2018 beschleunigt die EU den Prozess zur effizienteren Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte. Die Staffelung der Grenzwerte in den einzelnen Produktgruppen (LOTs) nach Anwendungsfall und Leistung macht differenziertes und detailgenaues Arbeiten für alle Marktteilnehmer erforderlich. Einige Produkte werden vom Markt verschwinden, andere werden effizienter werden.
Doch wer sich gut vorbereitet und auf einen verlässlichen Marktpartner zurückgreifen kann, wird diese Herausforderung meistern. Neben den ambitionierten Anforderungen der Ökodesign-Richtlinie kämpfen die Hersteller zusätzlich mit dem Phasedown der F-Gase-Verordnung. Hier werden langfristigen Lösungen mit alternativen Kältemittel angestrebt – eine spannende Zeit für die gesamte Branche.