Keine 30 und schon Chef
Junge Führungskräfte im Handwerksbetrieb
Handwerksbetriebe lassen junge Mitarbeiter nach oben kommen, wenn eine Führungsposition frei wird, statt jemanden neu einzustellen. Mitarbeiter aus den eigenen Reihen haben Chancen, schon in jungen Jahren Verantwortung zu übernehmen. Doch wer als Junior z. B. die Leitung einer Arbeitsgruppe übernimmt, muss auch mit Schwierigkeiten im Team rechnen.
Trotz Fachkompetenz und hoher Motivation machen Jüngere immer wieder die gleichen Fehler, wenn sie befördert werden. Die Kollegen sind erstaunt, wenn jemand aus dem Team, mit dem sie nicht gerechnet haben, plötzlich das Sagen hat. Missgunst ist dabei, wenn ein Kollege die Position bekommt, die man sich selbst gewünscht hat. Da entsteht Neid auf den erfolgreicheren „Konkurrenten“. Ältere Mitarbeiter werden an eigene, nicht erfüllte Karrierewünsche erinnert, und empfinden es als Enttäuschung, wenn trotz ihrer Erfahrung ein Jüngerer an ihnen vorbeizieht. Geäußert werden solche Gefühle so gut wie nie, machen sich aber durch größere Distanz zum Betreffenden bemerkbar.
Der Youngster startet mit viel Elan und Engagement. Die unterstellten Mitarbeiter und früheren Kollegen sind zum Teil über zehn Jahre älter als er. Nicht jeder ist kooperativ, Widerstände gegenüber dem Jüngeren sind normal. Sein Auftreten wird genau unter die Lupe genommen und von kritischen Fragen begleitet. Wichtig ist es für den Junior, Offenheit zu zeigen und Anerkennung zu geben. Wie soll ein Mittvierziger einen viel Jüngeren sonst akzeptieren?
Vom Kollegen zum Gruppenleiter
Die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz zu finden, ist vor allem für die jungen Aufsteiger aus den eigenen Reihen eine wichtige Aufgabe. Aus Loyalität zu den früheren Kollegen und dem Bedürfnis, gewachsene Verbindungen nicht zu zerstören, verhalten sich einige kumpelhaft und betonen in übertriebener Weise das „Wir-Gefühl“. Andere bringen zu viel Selbstbewusstsein mit und sind stolz auf die eigenen Fähigkeiten, sie wollen allen zeigen, wie gut sie sind. Da kommt dann Arroganz auf, was sich sofort negativ auswirkt. Neider unter den Kollegen warten nur auf die geringste Schwäche und nutzen schon kleinere Fehler des jungen Aufsteigers, um davon zu profitieren. Das bringt Unruhe in den Betrieb und demotiviert. Schon in der ersten Woche zeigt es sich, ob der junge Einsteiger auch ankommt.
Leistung im Laufe der Jahre
Leider sind es die Älteren, die bei sich nachlassende Fähigkeiten feststellen, aber ganz vergessen, dass andere Fähigkeiten mit dem Alter auch zunehmen. Jetzt kommt es darauf an, sich den Anforderungen zu stellen und nicht zu resignieren. Schließlich sind auch die Fähigkeiten der älteren Mitarbeiter sehr gefragt. Das sollte der junge Vorgesetzte beachten und bei Arbeitseinteilung sowie Bewertung der Mitarbeiter bedenken.
Die Anforderungen der Mitarbeiter an junge Vorgesetzte haben zugenommen. Sie müssen sich in Diskussionen mit älteren Mitarbeitern immer wieder anhören, wie es früher war. Deswegen können Änderungen im Arbeitsablauf nur scheibchenweise durchgesetzt werden. Die Dynamik der „jungen Stars“ führt oft zu schnellen Entscheidungen und Missachtung anderer Meinungen. Zudem trumpfen sie mit ihrem Wissen und ihrer Ausbildung auf, die aktueller ist als die der Älteren. Wenn der Jüngere durch Beziehungen nach oben gekommen ist, wird die Ablehnung von einem Kollegen, der die Position auch gerne gehabt hätte, groß sein. Vor dieser Tatsache darf niemand die Augen verschließen. Vom Vorgesetzten wird erwartet, dass er seine Entscheidung begründen kann.
Oft bekommt die Geschäftsführung gar nicht mit, welche Schwierigkeiten ein junger Vorgesetzter oder Meister schon bei Antritt seiner Position hat. Daher müssen alle Mitarbeiter ausreichend informiert werden, wer der neue Star sein wird, weshalb man sich für ihn entschieden hat und wie nötig seine Unterstützung von allen ist. Und der Neue muss auch Fähigkeiten für die Vorgesetztenposition haben. Fachkompetenz allein genügt nicht.
Tipps an junge Führungskräfte
1. Den Ehrgeiz zügeln:
Man hat Ihnen eine Führungsposition anvertraut, weil Sie gut sind und nicht, damit Sie alles auf einmal erledigen und alles umkrempeln. Bleiben Sie auf dem Boden und überzeugen Sie durch Ergebnisse. Konzentrieren Sie sich auf die Führung.
2. Die eigenen Kompetenzen prüfen:
Verdienste der Vergangenheit sind keine Erfolgsgarantie für die Zukunft. Mitarbeiterführung und Personalkompetenz sind erlernbar und ebenso wichtig wie das Fachliche. Ein Anforderungsprofil zeigt, auf was es bei der Führung ankommt. Fragen Sie sich, ob Sie über die benötigten Führungskompetenzen verfügen. Es ist keine Schande auch als Vorgesetzter mal einen Mitarbeiter um Hilfe zu bitten.
3. Sich nicht verstellen:
In einer Führungsposition muss man immer eine gewisse Distanz zu den früheren Kollegen haben. Das Problem: Gleichzeitig ist auch Nähe gefragt. Bleiben Sie beim „Du “mit Ihrem Team, bleiben Sie authentisch. Sprechen Sie offen über dieses Thema, bitten Sie um Vorschläge, wie man miteinander umgehen soll, wenn es zu unterschiedlicher Meinung bei der Auftragsausführung kommt.
4. Erfahrungen annehmen:
Akzeptieren Sie, dass Ältere Erfahrung haben und diese einbringen möchten. Es ist intelligenter, das Know-how anderer zu nutzen, anstatt krampfhaft zu beweisen, dass Ihr Wissen aktuell ist und Sie auf jede Frage eine Antwort haben und für jedes Problem eine Lösung. Unterstellen Sie einem Älteren nicht „veraltetes Wissen“. Sehen Sie in Verbesserungsvorschlägen anderer nicht gleich eine Kritik an Ihrer Person.
5. Mitarbeiter einbeziehen:
Sichern Sie sich die Unterstützung der Arbeitsgruppe. Holen Sie sich Feedback, Rat und Anregungen. Beziehen Sie erfahrene Mitarbeiter in Ihre Projekte ein. Befassen Sie sich mit den Führungsgrundsätzen der Teamarbeit. Lassen Sie Ihrem Team auch Freiraum bei kleineren Entscheidungen. Die Gesamtverantwortung bleibt bei Ihnen, auch wenn Sie bestimmte Tätigkeiten delegieren. Beweisen Sie Vertrauen, indem Sie den Mitarbeiter selbstständig arbeiten lassen und Kontrollen nicht hintenherum, sondern in seiner Anwesenheit durchführen.
6. Transparenz schaffen:
Junge Vorgesetzte werden besonders kritisch beäugt. Mitarbeiter müssen erst ein Gefühl für die Leistungen und das Verhalten des Neuen entwickeln. Sorgen Sie jederzeit dafür, dass Ihre Entscheidungen nachvollziehbar und Ihre Aktivitäten erkennbar sind. Das schafft Vertrauen und hilft, Ihre Leistungen ins richtige Licht zu rücken.
Investieren Sie viel Zeit in die Kommunikation mit Mitarbeitern. Führen Sie Feedback-Gespräche, lassen Sie sich anfangs von den Kollegen „beurteilen“. Wenn jemand die Zusammenarbeit mit Ihnen kritisch betrachtet, muss das thematisiert werden. Meinungsverschiedenheiten müssen ausgetragen werden. Noch immer gilt: Vorgesetzter werden ist schon schwer, es zu bleiben noch viel mehr.
Stärken älterer Mitarbeiter:
Berufserfahrung, Verantwortungsbewusstsein, gute Urteilskraft, größere Ausgeglichenheit, Gesprächsfähigkeit, Sorgfalt und Zuverlässigkeit, sowie Firmenbindung. Ältere schätzen es, wenn der junge Vorgesetzte dies ausdrücklich anerkennt.
Schwächen älterer Mitarbeiter:
Muskelkraft und Beweglichkeit, Reaktionstempo, Widerstandsfähigkeit gegenüber Dauerbelastung, Kurzzeitgedächtnis, Fähigkeiten, unter Zeitdruck zu arbeiten. Hier wird Rücksichtnahme erwartet. Keinesfalls darf es hinter dem Rücken der Betroffenen zu kritischen Äußerungen kommen.