Als Chef neue Ideen fördern statt ausbremsen
Wie vermeide ich ein „Beamtentum“ im Betrieb?
Häufig klagen Führungskräfte von Unternehmen, ihre Mitarbeiter würden zu wenige Ideen entwickeln, wie man Dinge besser machen kann. „Dienst nach Vorschrift“ ist in diesem Zusammenhang ein häufig beklagtes Symptom. Dabei sind die Vorgesetzten oft selbst ein Teil des Problems: Sie verhindern mit ihrem Verhalten das Entstehen und Umsetzen neuer Ideen. Worauf sollte man achten und wie lässt sich diese wenig kreative Stimmung im Unternehmen vermeiden?
„Mitdenken? Das kannst Du vergessen. Oder gar neue Ideen entwickeln – wie man zum Beispiel Probleme eleganter löst? Das kannst Du vollkommen abhaken. Von meinen Mitarbeitern denkt kaum einer über die Kante seines Schreibtischs hinaus.“ Solche Klagen hört man oft von Führungskräften, wenn man mit ihnen mal ins Plaudern kommt. Dann zeichnen sie häufig von ihren Mitarbeitern ein Bild, das dem Klischeebild des mit 30 Jahren schon auf seine Pension wartenden Beamten entspricht.
Umso erstaunter ist man meist, wenn man anschließend mit den so geschmähten Mitarbeitern spricht. Dann vernimmt man Aussagen wie: „Unser Betrieb wird nach der Maxime geführt: Halte den Mund und mache deinen Job. Für unsere Ideen interessiert sich niemand.“ Wie passt das zusammen, dass in vielen Betrieben die Chefs über einen Mangel an Ideen ihrer Mitarbeiter klagen und diese zugleich stöhnen „Unser Chef hat für neue Ideen kein offenes Ohr“?
Ideenlosigkeit hat meist eine Vorgeschichte. Dahinter steckt in der Regel die Erfahrung der Mitarbeiter: Wenn ich meinem Chef eine Idee vortrage, empfängt er mich nicht mit offenen Armen. Im Gegenteil! Er signalisiert mir mehr oder minder deutlich: Was will denn der schon wieder? Und wenn ich ihm ein ausgearbeitetes Konzept zum Umsetzen der Idee vorlege, dann wischt er es mit einer Bemerkung wie „Das geht nicht“ vom Tisch. Sammeln Mitarbeiter mehrfach solche Erfahrungen, dann ziehen sich zurück. Statt mit Begeisterung neue Ideen auszubrüten, machen sie fortan Dienst nach Vorschrift.
Häufige Fehler der Führungskräfte
Führungskräfte machen im Umgang mit kreativen Mitarbeitern und ihren Ideen immer wieder folgende Fehler:
Fehler Nummer 1: die verbale Ohrfeige
Sie würgen Ideen, die nicht in ihr (Denk-)Schema passen, vorschnell und von oben herab ab. „Da haben Sie sich ja was ‚Schönes’ ausgedacht.“ „Da spürt man den Theoretiker.“ Eine solche Aussage wirkt auf Mitarbeiter wie eine Ohrfeige – speziell dann, wenn sie von ihrem Vorgesetzten nicht inhaltlich begründet wird.
Fehler Nummer 2: das Totschlagargument
Oft befassen sich Vorgesetzte nicht ernsthaft mit Ideen ihrer Mitarbeiter, weil sie gerade andere Prioritäten haben. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit.“ „Hierfür fehlt uns das Geld.“ „Wir haben Wichtigeres zu tun.“ Statt mit ihren Mitarbeiter zu klären, wann ein Gespräch möglich wäre und unter welchen Voraussetzungen deren Idee eventuell realisierbar wäre, schmettern sie diese sofort ab. Und der Mitarbeiter denkt sich: Einmal und nie wieder.
Fehler Nummer 3: die Ideen aussitzen
„Spannend, lassen Sie mich darüber nachdenken.“ „Sehr interessant, geben Sie mir mal das Konzept.“ Das sagen Führungskräfte zuweilen, wenn Mitarbeiter ihnen neue Ideen unterbreiten. Doch dann verstreicht Zeit – viel Zeit. Und der Mitarbeiter hört nie wieder etwas von seiner Idee. Und fragt er nach? Dann wird er vertröstet. Das „Aussitzen“ ist ein Hauptgrund, warum in vielen Unternehmen das Vorschlagswesen nicht funktioniert. Oft müssen Mitarbeiter ein, zwei Jahre warten, bevor sie eine inhaltliche Rückmeldung zu ihren Vorschlägen erhalten. Deshalb denken die Mitarbeiter zu Recht: Allzu wichtig scheint dem Unternehmen unser Mitdenken nicht zu sein – selbst wenn offiziell etwas anderes verkündet wird.
Fehler Nummer 4: die Ideen „stehlen“
„Geben Sie mir das. Ich stelle das mal in der Abteilungsleiterrunde vor.“ Das sagen manche Chefs nicht nur, sie tun es auch. Doch leider präsentieren sie im Kollegenkreis oder bei ihren Vorgesetzten die Idee nicht als Idee ihres Mitarbeiters, sondern als eigene. Sie schmücken sich mit fremden Federn und heimsen hierfür die Lorbeeren ein. Für Mitarbeiter ist eine solche Erfahrung extrem frustrierend. Und sich beschweren? Das bringt nichts. Denn hierauf reagieren die „Ideendiebe“ meist wie folgt: „So neu war Ihre Idee nicht. Und wenn ich Ihr Grobkonzept nicht überarbeitet hätte, dann....“
Fehler Nummer 5: den Mitarbeiter „platt machen“
„Haben Sie nicht besseres zu tun als....“ „Beschäftigen Sie sich nicht mit Dingen, von denen Sie nichts verstehen.“ „Auf so eine Idee kann nur ein Techniker kommen.“ „Das hätte Ihnen schon früher einfallen können.“ Reagiert eine Führungskraft so oder so ähnlich auf die Idee eines Mitarbeiters, ist dies „der kreative Super-Gau“. Denn dann denkt der Mitarbeiter zu Recht: „Du kannst mich mal; von dir lasse ich mich nicht mehr aufs Töpfchen setzen.“ Der Mitarbeiter zieht sich also in sein Schneckenhaus zurück und artikuliert nie wieder eine Idee.
Die genannten Fehler begehen Führungskräfte immer wieder – meist nicht bewusst, sondern weil sie selbst unter einem enormen Druck stehen. Deshalb wischen sie Ideen oft (scheinbar) achtlos beiseite oder sie vertrösten ihre Mitarbeiter auf den Sankt-Nimmerleinstag. Denn sie sind häufig selbst Teil eines Systems, das extrem ideenfeindlich ist. „Kreativität wird in den meisten Unternehmen eher getötet als gefördert“, schreibt zum Beispiel die Harvard-Professorin Teresa Amabile, die seit Jahrzehnten über die Themen Kreativität und Innovation forscht. Schuld daran sind ihrer Meinung nach die Strukturen: „Viele Unternehmen haben Organisationsstrukturen, die systematisch Kreativität zerstören.“
Merkmale einer katalysatorischen Führung
Das Problem: Vielen Führungskräften ist nicht bewusst, dass neue Ideen keine Zufallsprodukte sind. Sie entstehen, wie Untersuchungen der Kultur der innovativsten Unternehmen zeigen, nur in einem Klima, das ein kreatives Denken fördert. Dem entspricht ihre Führungskultur: Wirklich innovative Unternehmen fordern von ihren Führungskräften, dass sie Ideen ihrer Mitarbeiter aktiv fördern – und zwar durch einen Managementstil der „katalysatorische Führung“ genannt wird. Er zeichnet sich durch folgende Merkmale aus.
Merkmal 1: Die Mitarbeiter sind nicht von morgens bis abends ins operative Geschäft eingebunden. Sie erhalten (zeitliche) Freiräume, um neue Ideen zu entwickeln. Und dies wird nicht als Zeitverschwendung, sondern als integraler Bestandteil ihrer Arbeit gesehen.
Merkmal 2: Die (Arbeits- und Kreativ-)Teams werden immer wieder neu und unterschiedlich zusammengesetzt, damit in ihnen keine kollektiven Denk-Routinen entstehen, die den Blick für neue Lösungen verstellen. So soll das erhalten bleiben, was man den „Outsider Advantage“ nennt – also den Vorteil, als Außenstehender mit anderen Augen auf ein Problem zu schauen.
Merkmal 3: Außer der offiziellen Unternehmenskultur schätzen auch die Führungskräfte Kreativität als hohes Gut und verankern entsprechende Werte in ihren Teams – beispielweise durch Maximen wie: „Glaube daran, dass Du die Welt verändern und verbessern kannst.“
Merkmal 4: Geführt wird nach der Philosophie der offenen Tür. Kein Mitarbeiter soll davor Angst haben, zu seinem Vorgesetzten zu gehen und zu sagen: „Chef, ich habe eine Idee, … Wann können wir darüber reden?“ Eine weitere Maxime lautet: Es gibt keine heiligen Kühe. Alles kann man irgendwie besser machen.
Merkmal 5: Auch das Scheitern wird belohnt. Sie haben richtig gelesen. Die Chefs der innovativsten Unternehmen belohnen ihre Mitarbeiter selbst dann, wenn deren Ideen nicht funktionieren – und sei es nur mit verbaler Anerkennung. Denn sie wissen: Es müssen viele Ideen geboren werden, um die eine zu finden, die Gold wert ist.
Große Freiräume, aber auch hohe Ziele
Sind Unternehmen, in denen ein solch kreativitätsfördernder Geist herrscht, ein Mitarbeiter-Paradies? Mitnichten! Denn in den weltweit innovativsten Unternehmen sind die scheinbar paradiesischen Freiräume mit hohen Zielen verknüpft. Mitarbeiter sollen nicht nur kreativ sein, sie müssen es sogar sein. Und nicht nur Führungskräfte, die Ideen vernichten, haben in ihnen schlechte Karten. Dasselbe gilt für Mitarbeiter, die nur „beamten-mäßig“ ihren Dienst verrichten und sich nicht fragen, wie man Dinge noch besser machen kann. Wer die vorhandenen Freiräume nicht nutzt, hat in ihnen keine Perspektive.