Klimatechnik für den Veranstaltungsdampfer
Modernisierung der Kältezentrale der Stadthalle Bielefeld
Die Kältezentrale der Stadthalle Bielefeld – im Volksmund „Dampfer“ genannt – war in die Jahre gekommen und wurde 2016 mit neuen Kältemaschinen auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Die KKA-Redaktion hat die Sanierungsmaßnahmen vor Ort in Augenschein genommen. Das Fazit vorweg: eine gelungene Modernisierung mit detaillierter Vorplanung unter Betrachtung eines wirtschaftlichen und realitätsnahen Betriebs.
Im Zentrum von Ostwestfalen-Lippe gelegen, bietet die Stadthalle Bielefeld ein attraktives Forum für Veranstaltungen unterschiedlichster Art und Prägung. Von Konzerten nationaler und internationaler Stars über deutschlandweite Kongresse, interessante Präsentationen und Ausstellungen, große und kleinere Betriebsfeiern bis hin zu festlichen Bällen reicht die Veranstaltungsvielfalt. Seit ihrer Eröffnung im August 1990 hat sich die Stadthalle Bielefeld erfolgreich in die Spitze der Kongresszentren Deutschlands eingereiht. Vom Hamburger Architekturbüro Gerkan, Marg & Partner in einer markanten weißen Dampferstruktur im Stadtzentrum erbaut, steuert das ostwestfälische Flaggschiff auf festem Kurs und setzt Veranstaltungsschwerpunkte für die Region. Die Stadthalle verfügt über zwei Säle mit einer Kapazität von 2200 (unbestuhlt 3860) bzw. 767 Sitzen (unbestuhlt 1000) sowie neun Konferenzräume von 40 bis 200 m². Diverse Nebenräume und Künstlergarderoben sowie das 1250 m² große Eingangsfoyer runden das Raumkonzept ab. In Summe bietet die Stadthalle 4500 m² Eventfläche. Mit der benachbarten und im Herbst 2010 eröffneten Ausstellungs- und Veranstaltungshalle wurde das Raumkonzept der Stadthalle Bielefeld zeitgemäß weiterentwickelt. Kernstück der neuen Halle ist eine stützenfreie, 3000 m² große Eventfläche mit einer Kapazität von bis zu 5000 Personen (unbestuhlt).
Modernisiert wurde die Stadthalle in den letzten Jahren immer wieder, um einen stets professionellen Veranstaltungsbetrieb zu garantieren. Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen am Gebäude und den technischen Einrichtungen gehören zum Tagesgeschäft. 2016 war die Sanierung der Kältezentrale, die die Stadthalle und die Ausstellungshalle versorgt, dann aber schon eine besondere Maßnahme, die mit viel Akribie vorbereitet und durchgeführt wurde. Hauptakteure dabei waren der Technische Leiter der Stadthalle Bielefeld, Martin Kwoka, der für das Projekt verantwortliche Planer Jan-Hendrik Feiert, pbr AG Osnabrück, und das ausführende Unternehmen Zimmer & Hälbig aus Bielefeld.
Bedarfs- und Bestandsanalyse
Bevor die Erneuerung der Kältezentrale in Angriff genommen wurde, wurde zunächst von pbr eine umfangreiche Bedarfs- und Bestandsanalyse vorgenommen. Die Hauptaufgabe bestand darin festzustellen, welche Bestandteile der alten Kältetechnik weiter genutzt, welche ausgetauscht und welche ertüchtigt werden konnten. Mindestens genauso wichtig war die Ermittlung des tatsächlich benötigten Kältebedarfs – keine leichte Aufgabe für ein Gebäude wie die Bielefelder Stadthalle, die zwar ganzjährig aber unregelmäßig genutzt wird, und das je nach Veranstaltung mit völlig unterschiedlichen Personenzahlen und Raumnutzungsarten.
Über die Jahre hatte es zahlreiche Veränderungen sowie größere und kleinere Umbauten am Kältesystem gegeben. Auslöser für den Entschluss, eine Komplettsanierung anzugehen, war dann neben dem Alter der Kältemaschinen vor allem das bei einer Maschine verwendete Kältemittel R22, das keine weiteren Reparaturen am System mehr zuließ. Dabei handelte es sich um eine R22-Kolbenverdichtermaschine mit 380 kW. Als weitere Kältemaschine wurde ein Trane-Turboverdichter (R134a) mit einer Leistung von 780 kW, wie die R22-Anlage aus dem Jahre 1988, genutzt, der aufgrund seines Alters und seiner geringen Flexibilität ebenfalls nicht weiter verwendet werden sollte.
Bei der Bedarfsanalyse wurde überprüft, ob die 1,16 MW (380 kW + 780 kW) Kälteleistung der Altanlagen künftig überhaupt benötigt werden, oder ob die Kältezentrale evtl. sogar unterdimensioniert ist. Schließlich war 2010 die neue Eventhalle hinzugekommen, die seitdem ebenfalls von der Kältezentrale ohne zusätzliche Erweiterung versorgt wurde.
Rein rechnerisch ergab die Bedarfsanalyse eine erforderliche Kälteleistung von 1,8 MW für die gleichzeitige Klimatisierung aller Veranstaltungsräume bei extrem hohen Außentemperaturen. Einen solchen „Ausnahmezustand“ hatte es aber in der Geschichte der Stadthalle noch nie gegeben und wird es ihn wohl auch kaum geben. Die Verantwortlichen entschieden sich daher gegen eine Dimensionierung der Kältezentrale für den „worst case“ und für einen Mittelweg, bei dem aber die Investitionskosten im Griff behalten werden konnten. „Man muss eine Anlage auch lebensnah und realistisch betrachten“, erklärt Martin Kwoka diese Entscheidung. „Daher haben wir uns gemeinsam mit unserem Planungsbüro pbr sehr intensiv mit den zu erwartenden Gleichzeitigkeiten, den Wetterdaten und möglichen Personenzahlen beschäftigt und uns schließlich für die nun eingebaute Lösung entschieden.“
Einsatz von zwei R410A-Kaltwassersätzen
Die Altanlagen wurden letztlich durch zwei „Neptune Tech“-Kaltwassersätze von MTA à 376 kW Leistung mit je vier Scrollverdichtern ersetzt. Sie verwenden das Kältemittel R410A. Statt des konventionellen Kältemittels R410A auf CO2- oder Ammoniakanlagen zu setzen, hätte sich finanziell nicht gerechnet. Die Investitionskosten wären deutlich höher ausgefallen und es hätte eine umfangreiche sicherheitstechnische Ertüchtigung der im Keller befindlichen Kältezentrale nach sich gezogen. Auch das Argument der geringeren Energiekosten bei Verwendung eines Ammoniaksystems zog nicht, da bei den geringen Laufzeiten der Anlagen extrem lange Amortisationszeiten die Folge gewesen wären.
Millimeterarbeit beim Einbau
Bei der Auswahl des Kältesystems standen neben der Leistung und den Kosten auch die Dimensionen der Maschinen im Fokus. Im beengten Kellerraum waren die maximalen Abmessungen strikt vorgegeben. Der Einbau der neuen und vor allem der Ausbau der alten Maschinen bedeuteten aber trotz der Einhaltung der geforderten Abmessungen eine logistische Meisterleistung. Die Maschinen mussten durch einen neu zu schaffenden Deckendurchbruch in Millimeterarbeit mit einem Kran aus dem bzw. in den Keller gehoben werden – und das alles in einem engen Innenhof, in dem kaum der Kran Platz fand. Der alte Turboverdichter war sogar so groß, dass er zuvor im Keller in mehrere Bestandteile zerlegt werden musste, bevor er ausgebracht werden konnte. Martin Kwoka lobt in diesem Zusammenhang die hervorragende Zusammenarbeit aller am Projekt Beteiligten: „Vom Planer, über den Anlagenbauer, den Betreiber, die Mitarbeiter der Stadthalle bis hin zum Entsorgungsbetrieb für die Altanlagen haben alle in beeindruckender Weise zusammengearbeitet.“ Und auch der verantwortliche Planer Jan-Hendrik Feiert blickt zufrieden zurück: „Da passte einfach alles. Das ging Hand in Hand. Sonst hätten wir die knappe Bauzeit von drei Wochen, die uns im Sommer 2016 bis zur Inbetriebnahme zur Verfügung stand, kaum einhalten können.“ Und er lobt dabei vor allem den Kältefachbetrieb Zimmer & Hälbig.
Weitere Umbauten
Neben dem Austausch der Kältemaschinen gab es noch weitere Umbauten und Anpassungen des Kältesystems. Drei erst 2010 zur Stabilisierung des Anfahrzustands neu installierte und in Reihe geschaltete Kältespeicher à 1600 l konnten weiter genutzt werden. Dies gilt auch für die beiden eigehausten Gohl-Kühltürme auf dem Dach der Stadthalle. Sie wurden jedoch generalüberholt, mit neuen Abdichtungen, Sprührohren, Tropfenabscheidern und einer Sammelwanne versehen. Die Leitungen in der Kältezentrale wurden mit neuen Kautschukdämmungen und Blechummantelungen zum mechanischen Schutz versehen. Dann wurden die 30 Jahre alten und überdimensionierten Kaltwasserpumpen (Inlinerdoppelpumpen) mit konstanter Drehzahl durch moderne, drehzahlgeregelte Pumpen ersetzt. Die neuen Maschinen konnten dann auch problemlos in die 2015 in der Stadthalle eingeführte neue Gebäudeleittechnik von Kieback & Peter integriert werden. Dies gilt auch für Meldungen eines neu installierten Leckage-Erkennungssystems, das eventuell austretendes Kältemittel im Maschinenraum detektiert.
Problemloser Betrieb der neuen Kältezentrale
Die erste Nagelprobe hat die neue Kältezentrale der Stadthalle Bielefeld bereits bei Veranstaltungen an heißen Sommertagen im Jahr 2016 bestanden, bei denen die gewünschten Temperaturen in den Räumlichkeiten ohne Probleme gehalten werden konnten. Bei den meisten Events genügte sogar der Betrieb von nur einem der beiden Kaltwassersätze; der zweite stand als Redundanz zur Verfügung. Sie werden abwechselnd eingesetzt, um ähnliche Laufzeiten zu erzielen. „Die je nach Veranstaltung verschiedene bedarfsgerechte Kühlung ließ sich bislang jedes Mal ohne Probleme erzielen. Die Anlage reagiert sehr schnell auf veränderte Lastanforderungen und lässt sich durch ihre acht Leistungsstufen gut modulieren“, fasst Martin Kwoka die Erfahrungen aus den letzten Monaten zusammen.