Leiharbeiter richtig einsetzen
Mut zur längerfristigen Personalplanung
Die Zeitarbeitsbranche zeichnet sich nach wie vor durch einen hohen Arbeitskräftebedarf aus. Die Dynamik, die in den letzten zehn Jahren (2008-2018) bemerkbar war, hat sich zuletzt allerdings etwas abgeschwächt. Einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland im Januar 2019 zufolge gab es zwischen Juni 2017 und Juli 2018 1 Mio. Leiharbeitnehmer. Der Anteil der überlassenen Arbeitskräfte betrug 3 % an der Gesamtbeschäftigung. Er ist höher als in der Schweiz mit 2,4 % und in Österreich mit 2 %.
Die gestiegene Nachfrage nach Zeitarbeit in Deutschland und in Ländern der EU begründen Experten damit, dass es weniger qualifiziertes und motiviertes Personal auf dem europäischen Arbeitsmarkt gibt. „Die Entleiher, aber auch die Zeitarbeitsfirmen suchen passgenaue Mitarbeiter, die es zunehmend weniger gibt“, sagt Michael Pfeiffer, Inhaber und Geschäftsführer „Global Staff Solutions“ aus Kevelaer, Nordrhein-Westfalen. Er berät mit seinem 150 Mitarbeiter starken Team nicht nur Unternehmen in Zeitarbeit, sondern kann Unternehmen in Notsituationen auch Personal zur Verfügung stellen.
Ob Installateure, Elektriker oder andere Handwerker bei Zeitarbeitsfirmen ihr Personal finden, beantwortet Pfeiffer eher mit nein. Natürlich gebe es Ausnahmen. „Grundsätzlich kann der Fachkräftemangel aber nicht von den Zeitarbeitsfirmen gelöst werden“, betont Pfeiffer. Auch für die Leihfirmen werde es immer schwieriger, Fachkräfte zu rekrutieren. Denn im Handwerk bestehe bereits Fachkräftemangel.
Zu Spitzenzeiten anfordern
Personal in Spitzenzeiten zu leasen ist EU-weit üblich. Der Anteil an der Gesamtbeschäftigung aus ILOSTAT-Quellen (Erhebung zu 2012) ist in Großbritannien am höchsten, gefolgt von den Niederlanden und Luxemburg. An vierter Stelle liegt Deutschland, an siebter Österreich. „Hauptsächlich wird Leasingpersonal zur Verstärkung des Stammpersonals in Spitzenzeiten angefordert“, sagt Michael Mattes, Chef der österreichischen Installateure in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO).
Schon zu Beginn sollte beobachtet werden, ob der Leiharbeiter die nötige Qualifikation für das Gewerbe besitzt und den Erfordernissen im Betrieb entspricht. Sein Tipp: „Sofort bei nicht zufriedenstellender Arbeit des Leiharbeiters reagieren, um Folgeschäden zu vermeiden.“
Der Verleiher unterliegt nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland und in der Schweiz einer Auswahlhaftung. Einen exzellenten Verleiher für sein Unternehmen zu finden, hängt für den Berater Pfeiffer nicht davon ab, ob die Personalleasingfirma besonders groß oder bekannt ist, sondern welches Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann.
Kurzfristige Einsätze ade
Pfeiffer rät vom kurzfristigen Personaleinsatz durch Leihfirmen ab. „Eine reine Spitzenabdeckung funktioniert bei Facharbeitern kaum noch, schließlich wollen alle Facharbeiter einen langfristigen Arbeitsplatz haben“, so der Experte. Heute erfolgt die Rekrutierung von Zeitarbeitern im Unternehmen parallel zum vorhandenen Personal als flankierender Aufbau oder Ersatz eines vorhandenen Personals. Pfeiffer rät deshalb Unternehmerinnen und Unternehmern, langfristig ihren Personaleinsatz zu planen und zu überlegen, wie sich Renten, Altersteilzeiten, Schwangerschaften und Krankenquoten auf den Personalstand auswirken.
Vom Entleih ist abzuraten, wenn sich die Firma in Schieflage befindet oder bei Streik. In Deutschland ist es verboten, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen.
Vor Entleih schulen
Das Hauptproblem im Fachhandwerk ist, dass für die meisten Arbeiten eine gute Qualifikation benötigt wird. Für WKO-Chef Mattes sind deshalb die handwerklichen Fähigkeiten eines Leiharbeiters noch wichtiger als perfekte Deutschkenntnisse. Nicht selten sehen sich Installateure gezwungen, Monteure als Leiharbeiter zu nehmen und sie dann nur als Hilfskräfte arbeiten zu lassen. In Deutschland ist jeder zweite Leiharbeiter eine Hilfskraft, bei den Beschäftigten nur jeder Fünfte.
„Als Kundenbetrieb muss man heute Kompromisse eingehen, um die vorhandenen Mitarbeiter vor dem Entleih zu schulen, sie auszubilden und mit entsprechenden Sprachkenntnissen zu versehen“, so Pfeiffer.
Fehlende Arbeitsbescheinigung
Fast jeder Dritte Leiharbeiter in Deutschland besitzt einen ausländischen Pass. Arbeitskräfte aus der Europäischen Union sollten ebenfalls Dokumente vorweisen können, aus denen Kenntnisse und Qualifikationen hervorgehen. Diese müssten dann auch von der jeweiligen Bezirksregierung geprüft und daraufhin eine Arbeitsbescheinigung ausgestellt werden. „EU-Worker können häufig keine Arbeitsbescheinigung vorweisen und scheitern deshalb schon vor Arbeitsantritt“, weiß der Berater Pfeiffer.
Preis ist Kompromiss
In Zeiten von Tariflöhnen, Branchenzuschlägen und Equal Pay (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) sollten transparente Kosten, die dem Unternehmer beim Verleih von Arbeitskräften anfallen, kein Problem sein. Zusätzlich muss natürlich der Überlasser Kosten wie Berufsgenossenschaft, Haftpflicht und Betreuung kalkulieren. „Je umfangreicher die Betreuung ist, desto teurer ist der Mitarbeiter im Verleih“, gibt Pfeiffer zu bedenken. Werden die Overheadkosten zuzüglich Gewinn des Personaldienstleisters noch miteingerechnet, wird der Mitarbeiter meist teurer, als wenn man ihn im Kundenbetrieb direkt anstellt.
„Ein fairer Preis ist daher immer der Kompromiss zwischen dem, was der Kundenbetrieb zahlen will und kann, und dem, was der Personaldienstleister zwingend benötigt, um wirtschaftlich arbeiten zu können“, so Pfeiffer.
Gleiche Behandlung
Im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (AÜG) sind alle getroffenen Vereinbarungen zwischen Ver- und Entleiher, Verrechnungssatz, Arbeitsmaterialien, Vertragspartner etc. abgebildet. Mittlerweile würde der Vertrag zwischen Überlasser und Kundenbetrieb auch als Fragebogen über die wesentlichen Arbeitsbedingungen im Entleihbetrieb dienen. Die Behörde erfährt dabei, ob Branchenzuschläge oder der Equal Pay eingehalten wurde, welche nach neun Monaten nach dem AÜG gegebenenfalls zu bezahlen sind. Ende Juni 2018 gab es 1,12 Mio. bestehende Beschäftigungsverhältnisse. Ein Drittel davon bestand mindestens 18 Monate, ein Fünftel konnte für eine Dauer von neun Monaten bis unter 18 Monaten beschäftigt werden.
„Grundsätzlich sind die Leiharbeitnehmer wie alle eigenen Mitarbeiter zu behandeln (Equal Treatment)“, erinnert Pfeiffer. Nach dem Einsatz von mehr als drei Monaten im Kundenbetrieb darf der Leiharbeitnehmer im Entleihbetrieb an der Betriebsratswahl als Wahlberechtigter teilnehmen.
Unterschiede in Arbeitstechnik
Zeitarbeitsfirmen europaweit zu kontaktieren, hält Pfeiffer schon wegen der Sprache für problematisch. „Selbst, wenn ausländische Zeitarbeitsfirmen die deutsche Überlassungserlaubnis besitzen, so ist weiterhin ein Zugriff auf Haftungsfragen problematisch“, so der Experte. Zudem ist ja auch das Geflecht aus Gesetzen, Verordnungen und Tarifverträgen für ausländische Firmen eine große Aufgabe. „Mit Zeitarbeitsfirmen im Einsatzland geht man den sicheren Weg, da diese in Deutschland auch von allen relevanten Behörden kontrolliert werden“, kommt Pfeiffer zu dem Schluss.
Das sieht auch der Schweizer Ökonom Marius Osterfeld vom Verband Swissstaffing so. Obwohl Deutschland und Österreich für die Schweizer Zeitarbeitsfirmen ein gutes Rekrutierungsfeld sind, gibt es nicht nur sprachliche Unterschiede, sondern auch arbeitstechnische. So werden beispielsweise in der Schweiz manche Isolierungen geklebt während sie in Deutschland und Österreich getackert werden.
Info
Seit 1. April 2017 sieht das Arbeitnehmer-
überlassungsgesetz (AÜG) in Deutschland eine Begrenzung der Überlassungsdauer von 18 Monaten sowie eine Equal-Pay-
Behandlung nach bereits neun Monaten vor.
Quelle: PwC