Nachhaltige Entwicklungen im Lebensmitteleinzelhandel
ZVKKW-Supermarkt-Symposium als Online-Veranstaltung
Das jährliche Supermarkt-Symposium des ZVKKW konnte 2020 aufgrund der Corona-Pandemie nicht als Präsenzveranstaltung durchgeführt werden. Der Zentralverband Kälte Klima Wärmepumpen hatte sich daher entschieden, das Symposium als Webinar anzubieten. Am 16. April 2020 nutzten rund 60 Teilnehmer – darunter die KKA-Redaktion – die Chance, sich online über aktuelle Themen der Supermarktkälte zu informieren.
In Zeiten von Covid-19, in denen alle Weiterbildungsveranstaltungen ausfallen, war es ein mutiger Versuch des ZVKKW, das Supermarkt-Symposium als Online-Tagesveranstaltung durchzuführen. Webinare gibt es derzeit in großer Anzahl und auch an Videokonferenzen haben sich mittlerweile alle gewöhnt; aber einen ganzen Tag vor dem Computer Vorträgen zuzuhören, war doch etwas gewöhnungsbedürftig. Aber diejenigen, die sich darauf eingelassen haben, wurden nicht enttäuscht. Von ein paar kleinen technischen Macken abgesehen, funktionierte das Symposium auch als Webinar und die meisten Zuhörer blieben bis zum Schluss bei der Stange, bzw. am Monitor. Was fehlte und was kein Webinar ausgleichen kann, war der persönliche Austausch der Teilnehmer und das Fachsimpeln in den Pausen. Und auch die Fragerunden im Chat kamen nicht richtig in Schwung. Bleibt zu hoffen, dass man sich an diesen Zustand nicht langfristig gewöhnen muss und dass das nächste Supermarkt-Symposium wieder live und vor Ort stattfinden kann: am 29. April 2021 in Darmstadt.
Energiemanagement im LEH
Den Auftakt der Vorträge machte Benjamin Chini, EHI Retail Institute. Es ist schon eine Tradition beim Supermarkt-Symposium, dass die EHI-Studie zum Energiemanagement im Einzelhandel vorgestellt wird. Untersucht wurden Einzelhandelsgeschäfte in der Region D-A-CH. 66 Handelsketten mit 42.000 Filialen haben teilgenommen, 56 % davon aus dem Food-Bereich. Hier macht die Kältetechnik mit 47 % des Energieverbrauchs den Löwenanteil aus, gefolgt von der Beleuchtung (22 %) und der Klima-/Lüftungstechnik (11 %). Entsprechend liegt auch das größte Augenmerk der Betreiber auf der Kältetechnik: Der Anteil der Investitionen ist hier mit 59 % des Gesamtbudgets am höchsten. Im Food-Bereich hat der Stromverbrauch (in kWh pro m² Verkaufsfläche pro Jahr) von 2016 (330) bis 2019 (319) abgenommen. Das ist eine gute Entwicklung, obwohl die Supermärkte mehr und mehr zu Erlebniswelten werden und dadurch auch mehr Energiebedarf haben. Interessant sind die Ergebnisse zur Deckung des Wärmeenergiebedarfs: 54 % Gas, 8 % Öl, 10 % Fern-/Nahwärme, 6 % Wärmepumpe, 22 % Abwärme aus der Anlagentechnik. Letzterer Wert ist noch relativ gering und hier könnte noch deutlich mehr rausgeholt werden.
Aufschlussreich waren auch die Infos zum Anteil der Kältemittelfüllmengen in Abhängigkeit des Treibhauseffekts. 48 % der eingesetzten Kältemittel haben einen GWP von <150, 14 % liegen zwischen 150 und 2500 und 38 % haben einen GWP von über 2500. Die Werte seien jedoch mit Vorsicht zu genießen, betonte Benjamin Chini, weil hier nur wenige Handelsketten geantwortet hätten – also wohl diejenigen, die professionell agieren. Im Gesamtmarkt dürfte es anders aussehen. Der Anteil der Kühlmöbel mit Abdeckung hat im TK-Bereich den stolzen Wert von 99 % erreicht, im NK-Bereich liegt er bei 55 %.
Und wo steckt noch das größte Optimierungspotential, um den Energieverbrauch im LEH weiter zu reduzieren? Diese Frage der KKA-Redaktion während des Webinars beantwortete Benjamin Chini: „Monitoring und intelligente Steuerung versprechen aus meiner Sicht das meiste Potential – diese sind aber auch mit größeren Investitionen verbunden.“
Praxisgerechte Revitalisierung der Automatisierungstechnik
Passend zur Antwort von Herrn Chini ging der nächste Referent, Martin Wenzel (Hörburger AG), in seinem Vortrag auf das Thema Automatisierungstechnik ein. Auch Herr Wenzel sieht hier das größte Potential, um im LEH weiter Energie zu sparen. In vielen Märkten gebe es jedoch eine schwierige Ausgangssituation, gerade bei älteren Liegenschaften. Oft funktioniere die Gebäudetechnik nicht mehr richtig bzw. arbeite sie nicht effizient; die Mitarbeiter, die die ältere Anlagentechnik beherrschten, seien nicht mehr im Unternehmen; die Instandhaltungskosten seien unverhältnismäßig hoch. Wichtig sei in diesen Fällen zunächst eine detaillierte Bestandsaufnahme der Gewerke Lüftung, Heizung, Kälte und Elektro, gefolgt von einem Mess-/Automatisierungskonzept sowie einer Anpassung der IT-Infrastruktur. Um die Kosten im Griff zu behalten, könne bei den Modernisierungsmaßnahmen versucht werden, so viele bestehende Einbauteile wie möglich beizubehalten (z.B. Schaltschrank), um dann eine intelligente Steuerung aufzusetzen. Wichtig und schwierig dabei sei es, die IT- und Gebäudeautomationsinfrastruktur aufeinander und miteinander abzustimmen. Hörburger hat sich intensiv damit befasst, die relevanten energetischen Einflussgrößen zu bestimmen und in einem Modell darzustellen. Dadurch könne man die Einsparungen und den ROI prognostizieren. Mit Blick in die Zukunft zeigte Martin Wenzel auf, dass das Energiemanagement im LEH komplexer werde. Vor allem das Smart Grid, also die Steuerung von Energieflüssen, die Einbindung von PV-Anlagen und Batteriespeichern, Ladesäulen für E-Fahrzeuge etc., müsste in einem Gesamtkonzept berücksichtigt werden.
Raumtemperierung mittels
Industrieflächenheizung
Kay Kromminga (KE Kelit Klimasysteme) stellte die Möglichkeiten des Einsatzes einer thermisch aktivierten Bodenplatte zur Temperierung von Handelsflächen vor, für die auch hervorragend die Abwärme von Kälteanlagen im Supermarkt genutzt werden könne. Mit einer solchen Bodenplatte könne sowohl die Fußbodenheizung als auch die -kühlung realisiert werden. Aus Sicht von KE Kelit ist die Industrieflächenheizung im Betonfußboden ein ideales System: Sie ermögliche hohe thermische Behaglichkeit durch eine gleichmäßige Wärmeverteilung im Raum. Wichtig sei in jedem Fall die optimale Verlegeweise der Rohre im Fußboden. KE Kelit setzt dabei auf eine genaue Berechnung und Simulationen, um den Abstand zwischen den einzelnen Rohrleitungen für den jeweiligen Anwendungsfall zu optimieren.
Kühlung in kleinen Märkten
Britta Pätzold (HEAT GmbH) und Hans-Josef Brzukalla (Bundesverband Naturkost Naturwaren) stellten die Ergebnisse des Projekts „Refrigerants, Naturally! For LIFE“ vor, das Wege aufzeigen möchte zur nachhaltigen Kühlung in kleineren Märkten. Zielgruppen des Projekts sind Biomärkte und kleine LEH-Läden mit einer Verkaufsfläche <1.000 m², aber auch Kälte-/Klima-Fachfirmen, die diese Märkte betreuen. Ziel ist die Sensibilisierung und das Training für Alternativen mit natürlichen Kältemitteln. In einem ersten Schritt erfolgte eine Analyse in Form von Online-Befragungen und Interviews, um herauszufinden wo der kleine LEH und Biomärkte derzeit stehen. Erste Erkenntnisse:
Filialisten im Biohandel sind in der Umstellung auf natürliche Kältemittel
Bei Einzelläden erfolgte eine Umstellung bislang nur im begrenzten Umfang
Unterschiedliche Infrastrukturen erschweren übertragbare Lösungsansätze
Ein Großteil der Kühlung erfolgt über Plug-in-Geräte
Viele gebrauchte Geräte sind im Einsatz und die Wartung erfolgt in langen Abständen
Das Ziel des Projekts ist es vor allem, eine „Nachhaltigkeitsplattform“ zu schaffen mit Trainingsangeboten, Materialien, Leitfäden und Fallstudien. Außerdem soll eine Datenbank geschaffen werden zur Quantifizierung der direkten und indirekten Einsparungen von Treibhausgasemissionen sowie eine Online-Trainings-Schule etabliert werden.
Indirekte Kältesysteme
Simon Brieden, Cool Expert GmbH, stellte in seinem Vortrag das „blue cool concept“ vor. Dabei handelt es sich um ein Zweikreissystem mit dem natürlichen Kältemittel Propan. Cool Expert setzt bei der Kühlung, Beheizung und der Klimatisierung von Märkten auf einen kompakten, außen aufgestellten Chiller mit Propan. Alle Leitungen in den Markt werden mit Ethylenglykol befüllt, über die sich verschiedene Verbraucher im Markt bedienen lassen (NK-/TK-Möbel, Türluftschleier, Klimaanlage, Kühlräume). Spannend ist ein patentiertes Rohr-in-Rohr-System, bei dem im Außenrohr Glykol und im Innenrohr CO2 zirkuliert. Diese Kombination bietet Vorteile im Abtaufall, bei dem über das Rohrsystem mit erwärmtem Glykol abgetaut wird. Die Tiefkühlung wird bei dem Systemansatz von Cool Expert über ein CO2-Aggregat realisiert. Das modular aufgebaute Gesamtsystem erleichtert laut Simon Brieden vor allem im Servicefalll die Arbeit, da einzelne Module einfach ausgetauscht werden können, ohne dass der Kältekreis geöffnet werden muss – ohne Kontakt zum Propankreis und ohne Unterbrechung der Gewerbekälteversorgung.
Auswahlkriterien für Kältemittel
Hans-Dieter Küpper, Chemours, behandelte das Thema Kältemittel im LEH. Chemours ist ein Anbieter fluorhaltiger Kältemittel. Diese haben im Vergleich zu natürlichen Kältemitteln zwangsläufig höhere direkte Treibhausgasemissionen. Man solle aber nicht nur die direkten Emissionen betrachten, sondern immer auch die indirekten Emissionen durch den Energieverbrauch, betonte Hans-Dieter Küpper. Er stellt eine Studie vor, in der verschiedene aktuelle Technologien für die Gewerbekälte miteinander verglichen wurden in Bezug auf ihren Energieverbrauch, die Investitions- und Betriebskosten. Betrachte man die Lebenszykluskosten über einen Zeitraum von zehn Jahren, würden die „XL“-Kältemittel von Chemours am besten abschneiden. Hauptaspekt seien hierbei die Betriebskosten. Steckerfertige Propangeräte hätten zwar die niedrigsten Anschaffungs-, aber die höchsten Betriebskosten. Eine Erkenntnis von Chemours aus den Untersuchungen lautet: Die TEWI-Betrachtung sei zu sehr aus dem Blick geraten. Es werde zu viel über die direkten Kältemittel-Emissionen gesprochen. Auch aus Umweltsicht seien die „XL“-Kältemittel im Vorteil, weil sie geringere CO2-Emisionen durch den geringeren Energieverbrauch hätten. Dies gelte sogar dann noch, wenn man Leckageraten von 15 % zugrunde lege.
A2L als effiziente Low-GWP-Lösung
Regies Leportier stellte die Produktstrategie von Tecumseh für kleinere Shops vor. 2021 werde die Markteinführung von Produktreihen für die Erstausrüstung mit Kältemitteln mit einem GWP unter 150 erfolgen. R134a werde durch R1234yf ersetzt, R404A durch R455A, R452A durch R454C. Alle Kältemittel haben einen GWP von unter 150, sind aber entflammbar. Die Vorteile von CO2-Anlagen lägen aus Sicht von Tecumseh eher bei größeren Anlagen. Auch wenn die A2L-Kältemittel nur schwer entflammbar seien, müsse vor ihrem Einsatz auf jeden Fall eine Risikobewertung vorgenommen werden. Die Vermeidung von Zündquellen und die Einhaltung der maximalen Füllmengen seien dabei besonders wichtig. Aber bei Beachtung dieser Aspekte ist aus Sicht von Tecumseh der Einsatz von A2L-Verflüssigungssätzen in der Gewerbekälte von 1-20 kW problemlos möglich. Tecumseh setzt aber nicht ausschließlich auf A2L-Kältemittel. Mit dem „Infinee“ ist auch ein Kaltwassersatz mit Propan im Programm.
Einsatz von Propan
Dr. Meinolf Gringel, DMT, stellte die technischen Regelwerke vor, die man beim Einsatz von Propan im Blick behalten müsse. Wenn wir es schaffen wollten, natürliche Kältemittel zu forcieren, müssten wir zum einen das Personal besser ausbilden und zum anderen regelkonform arbeiten, so seine Forderung. Es sei elementar wichtig, sowohl die Druckgeräterichtlinie (Bereich Herstellung/Konstruktion) als auch die Betriebssicherheitsverordnung (Aufstellung, Prüfung und Betrieb) zu beachten. Für eine Propananlage gebe es also zwei Prüfungen und zwei unterschiedliche Bescheinigungen. Die Prüfung nach Betriebssicherheits-VO werde aus Sicht von Herrn Gringel sehr oft vernachlässigt, was man sich aber bei Propananlagen nicht erlauben sollte. Wichtig sei z.B. auch die Benennung der „Befähigten Person“, die in der Betriebssicherheits-VO gefordert ist. Im weiteren Verlauf des Vortrags rechnete Dr. Gringel vor, welche Kältemittel-Füllmengen vor dem Hintergrund der EN 378 erlaubt seien. Dabei wurde deutlich, dass man Propan als Kältemittel eigentlich nur in indirekten Systemen sinnvoll einsetzen könne, weil in direkten System die Füllmengen zu hoch seien.
Umgang mit der F-Gase-Verordnung aus Sicht eines Betreibers
Manfred Rössling, Rewe Group, berichtete aus Betreibersicht, welche Herausforderungen die F-Gas-Verordnung mit sich bringen. Die Suche nach dem richtigen Kältemittel sei für Betreiber wie Rewe eine bedeutende Aufgabe – bei 15.000 Gewerbekälteanlagen mit ca. 1.000 t Kältemittel eine nachvollziehbare Situation. Dabei würden Vollkostenberechnungen zur Entscheidungshilfe eingesetzt. Im Vergleich zu den Energiekosten über den gesamten Lebenszyklus einer Kälteanlage seien die Kosten für das eingesetzte Kältemittel zwar nicht vernachlässigbar klein, aber immerhin um den Faktor fünf niedriger. Rewe habe für die kommenden Jahre verschiedene Phasen und die in diesen zu nutzenden Kältemittel festgelegt. Dabei war es erstaunlich, welche Fülle von Kältemitteln die Rewe-Gruppe gleichzeitig im Blick hat. Zum Teil sei dieser Projektplan allerdings Glaskugelleserei, weil man nicht sicher sagen könne, ob in einigen Jahren manche Kältemittel überhaupt noch verfügbar seien, führte Manfred Rössling aus. Die Zukunft bei Rewe ist aber klar: Bis 2050 will Rewe klimaneutrale Supermärkte betreiben. Als Kältemittel kämen 2050 dann nur noch natürliche Kältemittel (CO2, Propan, Ammoniak und Wasser) in Frage. Bis dahin werde man mehrere Übergangskältemittel einsetzen (R448A, R449A, R450A, R513A).