Unterwasserwelten umweltfreundlich gekühlt
Ammoniak-Kältetechnik für das Ozeaneum in Stralsund
Beim 2008 eröffneten Ozeaneum in Stralsund war die Umweltverträglichkeit ein wichtiger Faktor bei Planung und Betrieb der Sehenswürdigkeit. So stellt der Betreiber nicht nur beim Bau- und Büromaterial besondere Ansprüche, auch die Technik des Unterwasserwelt-Museums soll möglichst umweltfreundlich sein. Dies schlug sich auch auf die Kältetechnik nieder.
Mitte 2008 eröffnete die Stiftung Deutsches Meeresmuseum das Ozeaneum in Stralsund. Mit seinen riesigen Meerwasseraquarien – das größte Becken fasst 2,6 Mio. l Wasser – ermöglicht der spektakuläre Museumsneubau den Besuchern eine einzigartige Reise durch die Unterwasserwelt der nördlichen Meere. Insgesamt enthalten die Aquarien im Ozeaneum 6 Mio. l Wasser und für die erstmalige Befüllung wurden rund 100 t Salz benötigt. Wesentlicher Aspekt bei der Planung des Unterwassermuseums auf der Stralsunder Hafeninsel war der umweltfreundliche Bau und Betrieb des Hauses. Unter anderem kommen im Ozeaneum moderne LED-Leuchten zum Einsatz, die 60 % weniger Strom verbrauchen als normale Leuchten. Den Wäldern zuliebe stammen alle Bau- und Schmuckhölzer im Ozeaneum aus nachhaltiger Forstwirtschaft und in den Büros sowie bei der Werbemittelproduktion wird mit Recycling-Papier gearbeitet.
Wasserkühlung und GebäudeKlimatisierung
Auch die benötigte Kältetechnik für die Wasserkühlung der Aquarien und die Klimatisierung des Gebäudes sollte den hohen ökologischen Ansprüchen Rechnung tragen. Aus diesem Grund beauftragte die zuständigen SWS-Energie GmbH, ein Tochterunternehmen der Stadtwerke Stralsund, die Johnson Controls Systems & Service GmbH (www.johnsoncontrols.de) mit der Konzeption und Installation einer nachhaltigen und energieeffizienten Kälteanlage. Zu den Herausforderungen des Projektes zählten nicht nur die hohen Anforderungen der SWS Energie an die Nachhaltigkeit und Ausfallsicherheit der Kälteanlage. Außerdem sollte das System so ausgelegt werden, dass Wasserdampfschwaden in Folge der Verdunstungskühlung weitestgehend vermieden werden und die Lärmbelastung möglichst gering ausfällt. Hinzu kam der knapp bemessene Zeitrahmen für die Installation. So sollte die Kälteanlage im Spätsommer 2009 innerhalb von nur acht Wochen in der neuen Energiezentrale errichtet werden. Diese befindet sich in einem unter Denkmalschutz stehenden historischen Speichergebäude.
Flexibilität bei der Installation
„Bereits das Einbringen und Aufstellen der Aggregate war aufgrund der denkmalgeschützten Bauhülle eine Herausforderung“, erklärt der zuständige Projektmanager von Johnson Controls, Sönke Jürgensen. „Zudem mussten wir bei der Planung berücksichtigen, dass die Bauarbeiten am historischen Speicher und die Technikinstallationen der Energiezentrale – sowohl von Kälteanlage, als auch von Strom- und Wärmeinstallation – zum Teil parallel erfolgen würden. Deshalb war es wichtig für uns, von vorneherein mögliche Verzögerungen und Komplikationen bei den anderen Gewerken mit einzukalkulieren, um flexibel reagieren zu können.“
Einstufige Ammoniak-Kälteanlage
Insgesamt benötigt das Museum eine Kälteleistung vom 900 kW, wovon 400 kW auf die Aquariumstechnik und 500 kW auf die Gebäudeklimatisierung entfallen. Die Kälteversorgung erfolgt über Kaltwasser mit einer Vorlauftemperatur von 6 °C und einer Rücklauftemperatur von 12 °C. Um eine sichere und nachhaltige Kälteversorgung des Museums zu gewährleisten, entschieden sich die Kälteexperten von Johnson Controls für eine einstufige Ammoniak-Kälteanlage mit überfluteter Verdampfung. Diese besteht aus zwei getrennten „Chill-Pac“-Kühlsätzen und zwei Hybrid-Verdunstungs-Verflüssigern zur Kaltwasserkühlung. Um auch im Falle einer Störung eine hohe Kälteleistung gewährleisten zu können, wählten die Kälteexperten für die beiden „Chill-Pac“-Kühlsätze eine Leistung von jeweils 730 kW und installierten sie zusammen mit dem Hauptschaltschrank in einem separaten Maschinenraum im Erdgeschoss der Energiezentrale. Die direkte Verflüssigung erfolgt über die beiden auf dem Dach des Gebäudes aufgestellten Jäggi-Hybridkühler mit einer Leistung von je 850 kW.
Kolbenverdichteraggregate
im Doppelpack
Die beiden Sabroe-Kolbenverdichteraggregate können bei Bedarf unabhängig voneinander betrieben werden, so dass auch bei Ausfall eines Verdichters noch gut 80 % der benötigten Gesamtkälteleistung durch das verbliebene Aggregat bereitgestellt werden kann. Jeder Verdichter ist mit einer Leistungsregulierung ausgerüstet und gewährleistet dadurch einen besonders energieeffizienten Betrieb der Anlage. Dabei werden die Leistungsstufen über entsprechende Leistungsmagnetventile angesteuert und betätigt. Zusätzlich ist jeder Verdichter über einen Frequenzumformer drehzahlgeregelt. So werden bei Leistungsanforderung die Leistungsstufen fortlaufend zugeschaltet und die Drehzahl erhöht. Bei Leistungsreduzierung werden die Leistungsstufen entsprechend zurückgeschaltet und die Verdichterdrehzahl reduziert. Da die benötigte Gesamtkälteleistung von 900 kW bereits bei 60 % der Leistung der beiden „Chill-Pac“-Kühlsätze erreicht wird, konnten die Kälteexperten die Lärmbelastung erheblich reduzieren. Darüber hinaus ermöglicht dieser Leistungspuffer, dass die Hybridkühler bei Nennlast bis zu einer Außentemperatur von 21,5 °C trocken betrieben werden können und somit über dem Gebäude keine Wasserdampfschwaden durch Verdunstungskühlung entstehen.
Vollautomatischer Anlagebetrieb
Die Steuerung der Anlage wird über ein dezentral aufgebautes „Siemens S7-300 SPS“ realisiert. Dabei werden die Verdichterwerte aus der Mikroprozessorsteuerung „UNISAB III“ über die Profibus-Schnittstellen der Verdichter ausgelesen und an das übergeordnete Leitsystem der Energiezentrale weitergeleitet. Als Prozessinterface verfügt die Steuerung über ein Touch-Bediengerät. Dieses Bediengerät dient zur Ein- und Ausgabe von Soll- und Ist-Werten der Kältezentrale. Gleichzeitig werden darüber die Klartextmeldungen zur Störungsanalyse ausgegeben. Alle generierten Meldungen und Statusanzeigen werden inklusive aller Messwerte der Kälteanlage auf das Leitsystem weitergeleitet. Der Betrieb der Anlage erfolgt im Normalfall vollautomatisch und wird über die Schaltschränke im Maschinenraum zentral gesteuert. Darüber hinaus kann jeder Verdichter separat im Notfall über das Mikroprozessor-System „Unisab III“ im Handbetrieb vor Ort gesteuert werden, so dass auch im Falle eines Systemausfalls der sichere Betrieb der Anlage gewährleistet ist.
Damit verfügt das im Mai vergangenen Jahres als „Europas Museum des Jahres 2010“ ausgezeichnete Ozeaneum über ein zukunftsfähiges System, das eine energieeffiziente und nachhaltige Temperierung der Aquarien ermöglicht.