Welches Einsparpotenzial steckt in „alten“ Kältemaschinen?
Kaltwassersatz mit ölfreiem Turboverdichter für die Rupp+Hubrach Optik GmbH
Bei der Firma Rupp+Hubrach wird Prozesskälte in Form von Kaltwasser für verschiedene Fertigungsprozesse und die Klimatisierung benötigt. Als eine von insgesamt drei Kältemaschinen versorgt nun eine neue Anlage, welche als Austausch für eine veraltete Hubkolbenanlage installiert wurde, das Kaltwassernetz. Bei Rupp+Hubrach soll der Umweltschutzgedanke am Standort Bamberg nicht nur im Kernprozess, der Herstellung von Brillengläsern, gefestigt werden. Auch in Unterstützungsprozessen, wie der Versorgung der Fertigungsanlagen mit Kühlwasser, achtet das Unternehmen auf den Einsatz umweltfreundlicher Technik.
Welcher Unternehmer investiert schon gerne in eine Anlage, die seiner Einschätzung nach nichts mit dem Kernprozess zu tun hat? Und so ergibt es sich, dass Anlagen, die zur Bereitstellung von „Betriebshilfsstoffen“ wie Kaltwasser dienen, mit dem Unternehmen altern. Es ändern sich Fertigungsprozesse, die Produktionsmengen variieren und im schlimmsten Falle sind die Kollegen, die die Anlage seit dem Zeitpunkt der Anschaffung betreuen, in den Ruhestand gegangen.
Im Laufe der Zeit werden Reparaturen durchgeführt und, aufgrund gesetzlicher Forderungen, Kältemittel angepasst oder umgestellt. Das Ergebnis dieser Thematik trifft man bei vielen Unternehmen an. Es besteht die Meinung, die Anlage sei genau richtig so, wie sie ist, da diese ja schon seit Jahren betrieben wird und seither keine größeren Schäden aufgetreten sind. Die Änderung der Randbedingungen und der meist nicht mehr optimale Betriebspunkt der Anlagen sind den Entscheidern oft nicht wirklich bewusst.
Potenzial einer Anlagenmodernisierung aufzeigen
Bei der Firma Rupp+Hubrach sollte dies, und auch das ist vermutlich bei vielen Anwendern ähnlich, ohne große Investition erfolgen und in einem absehbaren Zeitraum eindeutige Ergebnisse zu einschlägigen Einsparmöglichkeiten liefern. So entschlossen sich der Anlagenplaner und der Chef der Haustechnik auf Kundenseite zu einer Ausarbeitung im Rahmen einer Masterarbeit an der TU Esslingen. Eine Studentin erarbeitete ein Konzept, welches die Lastverhältnisse der veralteten Kälteanlagen in Abhängigkeit der äußeren Einflussfaktoren (Produktionsvolumen und Außenlufttemperatur) erfassen konnte. Im Rahmen der Langzeitmessung, welche die erforderlichen Daten über mehrere Monate aufzeichnete, wurden so die realen Bedingungen im Kaltwassernetz erfasst und konnten anschließend in energetischer Hinsicht bewertet werden. Auf Basis der erfassten Daten wurde dann die Wirtschaftlichkeit verschiedener neuer Konzepte betrachtet. Eine bedeutende Erkenntnis war zum Beispiel der nur geringe Einfluss der Außenlufttemperatur auf die abgeforderte Kälteleistung. Durch die vorangehenden Optimierungen des Gesamtsystems durch das kundeninterne Facility Management wurde hier bereits eine Vielzahl von Einsparungen erzielt. Die Ergebnisse der Ausarbeitung ergaben somit einen hohen Teillastanteil der Kälteanlage bei leicht angehobenen Vorlauftemperaturen.
Dazu Jürgen Fösel, Umweltbeauftragter bei Rupp+Hubrach: „Das Ergebnis der Betrachtung: 30 % Einsparpotenzial! Das wäre mit vielen kleinen Einzelmaßnahmen nicht zu machen gewesen. Deshalb haben wir uns im Bereich Kälteerzeugung für einen kompletten Neuanfang entschieden.“
Neben all den wirtschaftlichen Randbedingungen kamen nun für die Umsetzung weitere, praktische Wünsche des Kunden mit hinzu. Da die vorhandene Kältemaschine im Kellergeschoss des Gebäudes aufgestellt war und im Geschoss darüber Laborarbeitsplätze angeordnet sind, sollte die Neuanlage zur Minimierung der Rohrleitungsarbeiten an der vorhandenen Stelle im Kellergeschoss aufgestellt werden und zusätzlich, für die sich darüber befindlichen Arbeitsplätze, die Geräuschemission verringert werden. Der Austausch der Anlage musste über einen vorhandenen Lastenaufzug mit festen, vorgegebenen Maßen und beschränkter Förderlast erfolgen. Ebenso musste auf alle Transportwege innerhalb und außerhalb des Gebäudes Rücksicht genommen werden. Der vorgegebene Zeitplan gab für den Austausch, inklusive Demontage der Altanlage und Anpassung der vorhandenen Rohrleitungen, ein Zeitfenster von drei Tagen vor, vorzugsweise innerhalb eines Wochenendes, um die laufende Produktion möglichst wenig zu beeinträchtigen.
Kaltwassersatz mit ölfreiem Turboverdichter
Die Auswertung all der Anforderungen, in Verbindung mit dem vorhandenen Budget, ließ die Wahl auf einen Kaltwassersatz mit einem ölfreien Turboverdichter fallen. Das im Vorfeld ermittelte Lastprofil zeigte deutlich auf, dass ein ölfreier Turboverdichter in genau dieser Anwendung seine Stärken ausspielen kann. Die konstante Teillastanforderung und die gelegentlichen Anforderungen der Lastspitze lassen den stufenlos regelbaren Turbinenverdichter immer in seinem effizienten Betriebsbereich arbeiten. Hinzu kommen weitere Vorteile, wie zum Beispiel der verhältnismäßig niedrige Anlaufstrom und eine extreme Laufruhe der Maschine. Da die Standardanbieter dieser hocheffizienten Systeme keine passende Lösung für die örtlichen Gegebenheiten anboten, fiel die Wahl auf eine nach Kundenvorgaben aufgebaute Kompaktanlage der Firma hekra Kälte- und Klimatechnik GmbH, die als eine der wenigen OEM-Partner von Danfoss Turbocor befähigt ist, diese ölfreie Turbotechnologie einzusetzen. Dadurch, dass sowohl das Engineering als auch die Produktion in Deutschland angesiedelt ist, konnte die Umsetzung und Anpassung an die Kundenvorgaben ohne Verlust von Informationen und bei maximaler Flexibilität umgesetzt werden. So wurden Wünsche wie einheitliche Pumpenhersteller im ganzen Werksgelände und eine Bus-Anbindung, mit Übergabe aller wichtigen Kompressorparameter umgesetzt bei nur einem Ansprechpartner auf Herstellerseite.
Der Verdichter ist nicht auf dem freien Markt verfügbar und nur über speziell zertifizierte OEM-Partner (original equipment manufacturer) von Danfoss Turbocor Compressors Inc. zu beziehen. Auch im Bereich der Wartung dürfen, aufgrund der komplexen Regelparameter und Einsatzbedingungen, nur zertifizierte Techniker Arbeiten an dem Gerät durchführen. Auch diesbezüglich kann auf die fachliche und zertifizierte Kompetenz der Firma hekra zurückgegriffen werden.
In einem Abstimmungsprozess mit den angrenzenden Gewerken und dem Anbieter der übergeordneten Gebäudeleittechnik wurden alle Schnittstellen genau definiert und speziell die Kommunikation zwischen bauseitiger Leittechnik und Kälteanlage eindeutig festgelegt. Um den vorgegebenen Zeitplan einhalten zu können, mussten die kompletten Rohrleitungen vorgefertigt werden. Mit Hilfe von 3D-Modellen und einer präzisen Detailplanung konnte auch dieser oftmals kritische Punkt gelöst werden.
Die Demontage der Altanlage und die Einbringung der Neuanlage erfolgten ohne größere Probleme nach Zeitplan. Im Zuge des Umbaus wurden auch die Umwälzpumpen zu den Nasskühltürmen und die Pumpen zum Kaltwasser-Hausnetz gegen Pumpen der Energieeffizienzklasse IE3 ausgetauscht. Zur Erhöhung der Betriebssicherheit wurden die Pumpenstationen als redundante Systeme mit variabler Drehzahl (Regelung mit Frequenzumformer) aufgebaut.
Kundenspezifische Lösung und Visualisierung
Generell wurde bei der Auslegung der Anlagenkomponenten jedes Bauteil auf den speziellen Anwendungsfall des Kunden dimensioniert. Hier liegt die Stärke des Anlagenbauers. Der Wärmetauscher wurde bei Alfa Laval in Italien kundenspezifisch ausgelegt. Hierbei handelt es sich um einen überfluteten Wärmetauscher, extra für ölfreie Anwendungen. Der Kondensator, vom gleichen Hersteller, wurde ebenfalls auf das örtlich gegebene Kühlwassernetz ausgelegt.
Die Regelung der Anlage erfolgt durch den Basic Controller Siemens Simatic S7-1200. Hier wurde, als Besonderheit, eine kundenspezifische Schnittstelle zu einer älteren Siemens-Gebäudeleittechnik-Software umgesetzt. Zusätzlich wurde ein Datalogging und eine Remote-Service-Schnittstelle installiert. Diese zusätzlichen Features erlauben der Anlage das Senden einer Wartungsmeldung an den Hersteller, wenn sich ein Anlagenparameter verändert, oder das Auslesen und die Analyse verschiedenster Betriebsparameter aus der Ferne. Somit kann die Anlage nachträglich im realen Betrieb mit geringem Aufwand analysiert und, falls nötig, optimiert werden. Neben all den technischen Feinheiten wurde vor allem darauf geachtet, dass der Kunde über die Touch-Bedienoberfläche eine verständliche und übersichtliche Darstellung der Lastanforderungen und relevanten Betriebsparameter, inklusive Pumpenstation, erhält. Auch hier wurde die Visualisierung mit dem Kunden gemeinsam erarbeitet und umgesetzt.
Rechnet sich der Mehraufwand für die individuelle Anlagenkonfiguration?
Die der Anschaffung zugrundeliegenden Abschätzungen der Einsparpotenziale sagten in einem üblichen Betriebsjahr eine Einsparung allein von Betriebskosten in Höhe von ca. 50.000 € pro Jahr voraus. Nach einem Jahr Betrieb im Feld wurde nahezu eine Punktlandung erreicht. Zusätzlich sind die Stromspitzen, die bei der Altanlage beim Starten der konventionellen Hubkolben entstanden, egalisiert worden.
Durch die Investition in redundante Pumpen mit Energieeffizienzklasse IE3 und Frequenzumrichter-basierter Drehzahlregelung wurde die Betriebssicherheit erhöht und dem aktuellen Stand der Technik genüge getan. Die individuelle Konfiguration der Kälteanlage für die Anwendung beim Kunden ermöglicht bei verhältnismäßig geringer finanzieller Mehrinvestition ein höchst effizientes System, welches nach einer Amortisationszeit von nur etwas mehr als zwei Jahren bares Geld alleine durch niedrigeren Energieverbrauch spart.
Fazit
Wie so oft sind die großen Einsparpotenziale in Fertigungsbetrieben nicht immer sofort ersichtlich. Der Unternehmer neigt dazu, seine reinen Fertigungsprozesse und deren Kosten immer im Fokus zu haben und Kosten, die umgelegt auf die gesamte Infrastruktur gering erscheinen, zu vernachlässigen. Speziell dieses Beispiel einer gründlichen Analyse der Betriebsparameter und der zugehörigen Fertigungskapazitäten ermöglichte eine genaue Kostenabschätzung und rechtfertigte die Investition in eine neue, speziell an die örtlichen Gegebenheiten angepasste Anlage. Nur durch das hohe technische Verständnis auf Bauherrenseite und der offenen Kommunikation der verschiedenen Projektbeteiligten konnte eine optimale Lösung erreicht werden. Eine frühe Einbindung des potenziellen Anlagenbauers ermöglichte hier die Dimensionierung der Anlagenkomponenten nach den aktuellen technischen Vorgaben, unter Berücksichtigung der technisch machbaren Grenzen. Hervorzuheben an dieser Vorgehensweise ist auch die Einbindung der Hochschulen (TH Esslingen und TH Nürnberg) im Zuge zweier Masterarbeiten. Speziell bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wurde so eine neutrale Instanz eingebunden, die eine weitere Sichtweise auf den Betrieb und den Unterhalt einer Anlage einbringen konnte.
Nur durch diese Teamarbeit war es möglich, dem Bauherrn eine optimale Anlage für die Zukunft an die Hand zu geben und bemerkenswerte Einsparungen zu sichern.
Das Projekt wurde beim Chillventa Award 2016 in der Kategorie „Klimatechnik“ mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Auch 2018 wird es wieder einen Chillventa Award geben. Halten Sie schon 2017 Ausschau nach würdigen Projekten, die Sie einreichen können!
hekra Kälte- und Klimatechnik GmbH
Die hekra Kälte- und Klimatechnik GmbH bietet seit 2012 maßgeschneiderte Lösungen und jahrzehntelange Erfahrung im Bereich Kältetechnik, Klimatechnik, Wärmerückgewinnung, Energiesparsystemen und Lüftungsanlagen. Das Leistungsportfolio deckt sowohl die Konzeption und Umsetzung in der eigenen Fertigung ab, als auch die Entwicklung von Schaltanlagen und Regelungskonzepten. Darüber hinaus ist das inhabergeführte Unternehmen spezialisiert auf die Umsetzung und Einhaltung von ATEX- und Reinraum-Richtlinien. hekra realisierte als Partner u.a. Anlagen für Siemens, MAN, BMW und Emerson.
www.hekra-gmbh.com
Rupp+Hubrach Optik GmbH
Bereits seit 1922 entwickelt und produziert der deutsche Brillenglashersteller Rupp+Hubrach erstklassige Marken-Gläser. Im Fokus: Brillengläser, die die persönlichen Sehgewohnheiten ebenso wie die individuelle Anatomie des Gesichts schon im Fertigungsprozess berücksichtigen. Dazu entwickelt r+h seine Fertigung laufend weiter und ist mit dem Stand der Produktion, den Arbeitsprozessen und maschinellen Einrichtungen marktführend. Dies wirkt sich auch positiv auf die Umwelt aus: Rupp+Hubrach wurde bereits für verantwortungsbewussten Umgang mit den natürlichen Ressourcen ausgezeichnet.
www.brillenglas.de