Über den Tellerrand hinausblicken

Interview mit Günther Mertz, BTGA-Geschäftsführer

Der BTGA ist eine wichtige Organisation der Gebäudetechnik-Branche und vereinigt als Dachverband industriell ausgerichtete, Anlagen erstellende Unternehmen der Gebäudetechnik mit eigenen Ingenieurkapazitäten. Bislang verband man den BTGA eher mit den Gewerken Heizungs-, Klima- und Sanitärtechnik – aber der BTGA will sich auch stärker im Bereich Kältetechnik engagieren. Die KKA-Redaktion führte hierzu ein Interview mit dem BTGA-Geschäftsführer Günther Mertz.

KKA: Der BTGA – Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung e.V. will größeren Unternehmen aus dem Kälteanlagenbau eine Plattform bieten. Was veranlasst den Verband zu diesem Ansinnen?

Mertz: Der BTGA trug früher bekanntlich den Namen „BHKS – Bundesindustrieverband Heizungs-, Klima-, Sanitärtechnik/Technische Gebäudesysteme e.V.“. Wir haben den Verbandsnamen geändert, da unsere Mitgliedsunternehmen deutlich mehr als nur „HKS“ abdecken. Viele unserer Unternehmen befassen sich mit dem Kälteanlagenbau als einem zunehmend wichtiger werdenden Gewerk der Technischen Gebäudeausrüstung. So kam schon fast zwangsläufig der Wunsch auf, auch dem Kälteanlagenbau eine Plattform im BTGA zu bieten.

KKA: Wie könnte eine solche Plattform aussehen?

Mertz: Wir haben im BTGA einen sehr aktiven und hochrangig besetzten Zentralen Technischen Ausschuss (ZTA). In verschiedenen Fachausschüssen werden jeweils die Technikfelder „Heizung“, „Raumlufttechnik“, „Sanitärtechnik“, „Gebäudeautomation und Elektrotechnik“ intensiv behandelt. Um die Verbandsarbeit im Kontext der Technischen Gebäudeausrüstung zu komplettieren, wollen wir einen „Fachausschuss Kältetechnik“ aufbauen.

KKA: Was wären seine Aufgaben?

Mertz: Die Kältetechnik steht vor gewaltigen Herausforderungen. Als Stichworte seien genannt das „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ und die EU-F-Gase-Verordnung. Allein diese beiden Regelwerke sind geeignet, die Kältetechnik und deren Anwendung nachhaltig zu verändern. Wir wollen aber auch, dass die Kältetechnik ihrer hohen Bedeutung entsprechend verstärkt in anderen Gesetzes- und Verordnungswerken Berücksichtigung findet, beispielsweise in der Energieeinsparverordnung oder dem EEWärmeG.

KKA: Verbände, die dem Kälteanlagenbau eine Heimat bieten, gibt es mit dem VDKF, den Innungen und dem ZVKKW, als eine Art Dachverband, ja bereits. Was will der BTGA bieten oder leisten, was diese Verbände nicht schon tun? Sieht sich der BTGA hier als Ergänzung oder Konkurrenz in der Verbändelandschaft?

Mertz: Der BTGA sieht sich hier eindeutig als Ergänzung zur bestehenden Verbändelandschaft. Wir sprechen die größeren Unternehmen an, die die Kältetechnik nicht isoliert betrachten, sondern als Bestandteil einer immer komplexer werdenden Gebäudetechnik – also die Unternehmen, die „über den Tellerrand“ hinausblicken. Gemeinsam mit ihnen wollen wir den Kontakt zu Planern und zur Industrie intensivieren. Man darf auch nicht vergessen, dass der BTGA bereits im Kältebereich tätig ist: Gemeinsam mit dem Fachverband Gebäude-Klima e. V. bieten wir sehr erfolgreich speziell für das Kälteanlagenbauerhandwerk Seminare zur Energetischen Inspektion von Klimaanlagen nach § 12 EnEV an.

KKA: Welche Rolle spielt die Kälte Ihrer Auffassung nach in der Energiewende?

Mertz: Das energetische Energieeinsparpotenzial der aktiven Kühlung ist bisher weitgehend unbeachtet geblieben. In den kommenden Jahren wird sich das aber dramatisch ändern. Schon jetzt steigt der Bedarf an Kühlung rapide an – gerade auch im Passivhaus. Gleichzeitig schlummert bei den bestehenden Anlagen zur Gebäudekühlung ein Energieeinsparpotenzial von 30 bis 60 %. Das belegen zahlreiche Studien, beispielsweise von Ecofys im Auftrag des Bundesumweltamtes. Dieses Potenzial ist der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt. Spätestens wenn die Verbrauchsreduzierung bei den Systemen zum Heizen oder Lüften ausgeschöpft ist, wird das zusätzliche Einsparpotenzial der aktiven Kühlung in den Fokus rücken. Hierzu leistet der BTGA schon jetzt wichtige Grundlagenarbeiten.

KKA: Haben Sie ein Beispiel?

Mertz: Der BTGA begleitet verschiedene Forschungsvorhaben. Besonders hervorheben möchte ich das vom BMWi geförderte Forschungsprojekt „EnEff Wärme: Feldtest Absorptionskältetechnik für Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungssysteme“. Im Gegensatz zu strombetriebenen Kompressionskälteanlagen erzeugt hier eine Absorptionskälteanlage Kälte durch die Nutzung von Wärmeenergie, beispielsweise Wärme aus Blockheizkraftwerken, Abwärme von Industrieanlagen, Wärme von Verbrennungsanlagen für Biomasse und Müll oder Wärme aus Nah- und Fernwärmenetzen. Zusammen mit Kooperationspartnern führt der BTGA deutschlandweit Feldtests mit solchen Anlagen durch. Die wesentlichen Ziele sind dabei u.a. die Steigerung der Systemeffizienz im realen Betrieb, die Prozessoptimierung sowie der Aufbau und die Verbreitung von Wissen.

Generell kann man festhalten, dass die Bedeutung der Kühlung von Gebäuden auch in Deutschland weiter zunehmen wird – und nicht nur an heißen Sommertagen. Während der Heizbedarf in Gebäuden sinkt, steigt gleichzeitig der Bedarf an Klimatisierung bzw. Kühlung an – vor allem auch in Nichtwohngebäuden. Dafür verantwortlich sind Gebäudedämmung in Verbindung mit großzügig verglasten Fassaden und hohe interne Wärmelasten, beispielsweise aufgrund von IT-Ausstattungen. Die aktive Gebäudekühlung ist hier die Lösung, die zu einem angenehmen Raumklima führt. Damit verbunden sind ein besserer Komfort für die Nutzer und eine nachweislich höhere Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter. Hinzu kommt, dass sich Flächen, die guten Komfort bieten und höheren Ansprüchen genügen, besser vermieten lassen.

KKA: Wie kann das Fachwissen in den Markt gebracht werden?

Mertz: Das wäre eine wichtige Aufgabe des neuen „Fachausschusses Kältetechnik“. Die Kältetechnik muss viel stärker zum integralen Bestandteil der Gebäudetechnik werden. Zukünftig werden nicht mehr die Wärme und ihre Erzeugung im Vordergrund stehen, sondern die Frage, wie mit der Unterstützung der Lüftungs- und Klimatechnik ein „Wohlfühlklima“ bereitgestellt werden kann. Das bedingt aber einen ganzheitlichen Planungs- und Installationsansatz. Über diesen wird die Klimatechnik von Anfang an in ein das Gebäude und seine Funktionalitäten einschließendes Energiekonzept eingebunden. Dieser integrale Ansatz wird mit der Einführung der BIM-Methode im Bausektor weiter an Bedeutung gewinnen.

KKA: Wie sehen Sie die Zukunftsaussichten für junge Fachkräfte im Bereich Kältetechnik?

Mertz: Die Mitgliedsunternehmen des BTGA bilden auch Mechatronikerinnen und Mechatroniker für Kältetechnik aus. Insgesamt bieten sie rund 350 dieser Ausbildungsplätze an. Die Mechatronikerin und der Mechatroniker für Kältetechnik sind in der TGA-Branche sehr gefragt. Eine Ausbildung in diesem Bereich eröffnet den jungen Menschen daher eine sichere berufliche Zukunft mit guten Karrierechancen.

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