Kühlung von Rechenzentren – Last oder Chance?
Möglichkeiten der Wärmeabfuhr – das Leid mit dem Temperaturniveau und den Abnehmern
Rechenzentren verbrauchen weltweit Unmengen von Strom. Dieser Strom wird zu weit über 90 % in Wärme umgewandelt. Da liegt es natürlich nahe, im Zuge der Nachhaltigkeit und der zu erwartenden Klimakatastrophe, diese Wärme nicht zu entsorgen, sondern zu verwenden. In vielen Ländern gibt es daher bereits Regelungen, welche die Betreiber von Rechenzentren dazu auffordern bzw. verpflichten, ihre Wärme anderen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Auch in Deutschland ist am 18.11.2023 das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) in Kraft getreten. Damit ist beschlossen, dass Betreiber von Rechenzentren einen Teil der Abwärme nutzen bzw. zur Nutzung abgeben müssen.
Im Energieeffizienzgesetz (EnEfG) werden die Betreiber von Rechenzentren auch aufgefordert, ihre Daten für ein Energieeffizienzregister (BMWK-Energieeffizienzregister für Rechenzentren (RZReg): www.bmwk.de/RZReg/rechenzentrums-register.html) bereitzustellen, um einen Überblick zu erhalten und Energielieferanten und potenzielle Nutzer zusammenführen zu können. Das ist darüberhinaus natürlich auch in einem allgemeinen Abwärmenutzungskataster sehr sinnvoll. Oft entstehen Rechenzentren vor allem in Ballungszentren wie dem Rhein-Main-Gebiet und nicht dort, wo eventuelle Nutzer angesiedelt oder gut erreichbar sind (Bild 1).
Eine weitere Herausforderung ist das zur Verfügung gestellte Temperaturniveau. In Rechenzentren gibt es verschiedenste Arten der Kühlung.
Zunächst die freie Kühlung: Hierbei wird Außenluft gefiltert und direkt zur Kühlung der Server verwendet. Dieses Verfahren ist sehr kostengünstig, stößt aber schon durch die geographische Lage des Rechenzentrums schnell an seine Grenzen. Eine Abwärmenutzung ist nur sehr begrenzt möglich, da das Temperaturniveau bei ca. 30 °C liegt (Bild 2).
Bei der direkten Serverraumkühlung (Bild 3) wird von Kühltürmen oder Kompressionskälteanlagen erzeugte kalte Luft mit Hilfe gezielter Luftführung durch Kalt- und Warmgänge an die Server herangebracht. Das Abwärmeniveau beträgt auch hier ca. 30 °C, ist aber durchaus stetig verfügbar und dadurch deutlich besser nutzbar (Biomassetrocknung, Fishfarming oder als Quelle für Wärmepumpen).
Kühlregister in den Türen der Racks (Bild 4) ermöglichen eine noch direktere Abführung der Wärme und dadurch auch ein höheres Temperaturniveau von bis zu 40 °C. Dieses Nivau ermöglicht weitere Nutzungen wie zum Beispiel Trinkwassergewinnung durch Entsalzung.
Die genannten Kühlungsmethoden in Rechenzentren sind in ihrer Leistung jedoch begrenzt, denn Luft ist ein relativ schlechter Wärmeträger. Eine Leistungsdichte von 30 kW pro Rack ist kaum mit Luft als Medium zu kühlen. In Zukunft werden für Hochleistungsrechenzentren mit Leistungsdichten von weit über 30 kW pro Rack flüssigkeitsgebundene Kühlsysteme erforderlich sein, welche auch schon in vielfältiger Weise auf dem Markt erhältlich sind. Das Temperaturniveau der hier abgeführten Wärme steigt bis auf 65 °C, wodurch ein Level erreicht wird, das direkt genutzt werden kann. Heizungsbetrieb und sogar Trinkwassererwärmung werden möglich.
Diese „direct Chip Cooling“-Systeme unterscheiden sich grundlegend voneinander hinsichtlich der verwendeten Kühlmedien wie z.B. Wasser oder künstliche Kälteträger zur direkten Chipkühlung. Hier wird durch kleine Wärmeübertrager auf den Prozessoren die Wärme direkt vom Chip abgenommen, an die CDU (Cooling Distribution Unit) zurückgeführt und an den Rücklauf des Kühlkreises übertragen (Bild 5).
Eine weitere Art der direkten Chipkühlung ist das Eintauchen der kompletten Systeme in nicht elektrisch leitende (dielektrische) Flüssigkeiten. Die Immersionskühlung kann auf zwei Weisen betrieben werden: als 1- oder 2-Phasen-Anwendung. Bei der 1-Phasen-Anwendung wird die entsprechende Flüssigkeit direkt gekühlt und das ganze Equipment ist in einer Wanne in die Flüssigkeit eingetaucht. Das gezielte Einbringen der kalten Flüssigkeit unten und die Entnahme der erwärmten Flüssigkeit oben sorgen für eine sehr gute Abfuhr der in den Prozessoren anfallenden Wärme (Bild 6 und 7).
Die 2-Phasen Immersionskühlung nutzt durch das Verdampfen einer Flüssigkeit den Phasenwechsel und hat dadurch die Möglichkeit, mit noch höheren Energiedichten klarzukommen. Im Behälter mit den Servern ist neben der flüssigen Phase gleichzeitig auch immer die Gasphase der Flüssigkeit enthalten. Durch spezielle offene Plattenkondensatoren wird die überschüssige Energie abgeführt und gleichzeitig die gewünschte Verdampfungstemperatur geregelt. Das ermöglicht eine sehr homogene Temperaturverteilung im kompletten System (Bild 8).
Die große Herausforderung in diesen Systemen sind die einsetzbaren Flüssigkeiten. Durch die Reglementierung der PFAS-Chemikalien (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (Dauerchemikalien)) fallen viele sehr gut geeignete Medien weg. Aber es laufen bereits einge vielversprechende Versuche mit alternativen Fluiden.
Aber wohin mit der Wärme, wer will sie haben?
Neben der geografischen Entfernung der Bieter von Energie und deren Nutzer sind auch die Nah- und Fernwärmenetze selten geeignet, die bereitgestellte Abwärme aus Rechenzentren direkt zu nutzen. Heutige Fernwärmenetze arbeiten häufig mit Temperaturen deutlich über 80 °C, so dass eine direkte Einspeisung der Abwärme nicht funktioniert. Ebenso ist nicht zu erwarten, dass die in naher Zukunft gebauten Rechenzentren allesamt mit Flüssigkeitskühlung und damit höheren Temperaturen arbeiten werden – das lassen schon die unterschiedlichen Geschäftsmodelle (Hyperscale, Colocation, Enterprise) nicht zu.
Das neue Bewusstsein der Nachhaltigkeit und die Begrenztheit der fossilen Energieträger lassen jedoch Lösungen, die vor Jahren noch „verpönt“ waren, wieder aufleben. Im Umfeld der Rechenzentren wird jetzt erkannt, dass eine permanente Energiequelle mit einem Vorlauf von 30 °C eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit ist, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Wärmepumpen können mit einem konstanten, relativ hohen Vorlauf Jahresarbeitszahlen von 4 oder gar 5 erreichen, was mit Außenluftwärmepumpen in unseren Breiten nicht möglich ist. Es gibt bereits verwirklichte Projekte, auf deren Auswertung wir gespannt sein dürfen. Ob die Wärmepumpe im Rechenztrum zentral als Großwärmepumpe oder in den Wohnquartieren dezentral als kleinere Wärmepumpe betrieben wird, wird von Fall zu Fall zu optimieren sein. Daher ist es wichtig, dass die Interessenten früh miteinander sprechen.
Die anstehende Wärmenetzplanung schafft unter Umständen neue Möglichkeiten, Energie zu verteilen (egal ob Kühl- oder Heizenergie) und damit die Ziele des EnEfg zu erfüllen. Es werden zukünftig nicht nur Fernwärmenetze mit Vorlauftemperaturen von 80 °C und mehr entstehen, sondern auch Fernwärmenetze der 5. Generation mit 30 °C und weniger, welche dann als Quelle für dezentrale Wärmepumpensysteme verwendet werden können. In diesem Zusammenhang kommt es immer häufiger zu Anwendungen, welche extreme Temperaturannäherungen brauchen. 1 K logarithmische mittlere Temperaturdifferenz (LMTD) in Wärmeübertragern sind heute keine Seltenheit mehr. Solch große Annäherungen brauchen auch zuverlässige Berechnungsprogramme. Daher gibt es auch für 1-Phasen-Wärmeübertrager in der Gebäudetechnik eine Zertifizierungsstelle. Das Air-Conditioning, Heating and Refrigeration Institut (AHRI, www.ahridirectory.org) bietet neben der Zertifizierung von Kompressionskälteanlagen auch eine Zertifizierung von Plattenwärmeübertragern an.
Eine üblicherweise zugelassene Toleranz von 0,5 K bedeutet bei 1 K LMTD eine Abweichung von 50 % – das hat u.U. einen um 50 % zu kleinen Wärmeübertrager zur Folge (s. Tabelle). Um die Leistung dennoch zu erbringen, werden die Pumpen mehr Wasser fördern müssen, wodurch der Pumpenstromverbrauch steigen wird. Das ist genau das, was vermieden werden soll.
Deshalb empfiehlt sich bei Anwendungen mit solch geringen LMTD-Werten, unbedingt leistungszertifizierte Wärmeübertrager einzusetzen. Eine ähnliche Zertifizierung ist für luftführende Wärmeübertrager durch EUROVENT (www.eurovent-certification.com) bereits etabliert.
Aber auch das Teillastverhalten sollte immer im Auge behalten werden. Zu geringe Druckverluste im Volllastbetrieb verschlechtern die Eigenschaften im Teillastbetrieb deutlich. Sprechen Sie früh miteinander, um die optimale Lösung zu finden.
Wärmeübertrager trennen verschiedene Medien/Bereiche voneinander, gleichzeitig sind sie aber auch das verbindende Element und haben damit Einfluss auf fast alle Einrichtungen im Rechenzentrum. Daher ist es gerade jetzt nicht nur im Hinblick auf die Abwärmenutzung, sondern vor allem auch auf den sicheren Betrieb des Rechenzentrums sehr wichtig, früh diese alles trennende und verbindende Komponente im Auge zu behalten.