XXL-Kältetechnik für die Kunststoffverarbeitung
Große Kälteanlage, kleiner CO2-Footprint und geringer Energieverbrauch
Ein Musterbeispiel für die effiziente und nachhaltige industrielle (Groß-)Kälteerzeugung befindet sich in Ostwestfalen, genauer gesagt im interregionalen Industriegebiet „Aurea“. Dort hat die Craemer Gruppe mit Hauptsitz in Herzebrock-Clarholz ein neues Werk für die Produktion von Kunststoffbehältern und -paletten in Betrieb genommen. Die drei Kältemaschinen mit einer Kälteleistung von jeweils 500 kW werden mit Propan (R290) betrieben und stellen 12 °C kaltes Kühlwasser für die Werkzeugkühlung bereit.
Kunststoff-Spritzguss im XXL-Format und mit höchster Energieeffizienz: So kann man – auf den kürzestmöglichen Nenner gebracht – den Prozess im neuen Werk der Craemer Gruppe beschreiben. Das weltweit agierende Unternehmen hat im interregionalen Industriegebiet „Aurea“ (das gemeinschaftlich von den drei ostwestfälischen Kommunen Oelde, Rheda-Wiedenbrück und Herzebrock-Clarholz betrieben wird) auf einer Fläche von 17 Hektar ein neues, nachhaltiges und auf die Nutzung regenerativer Energien ausgerichtetes Spritzgießwerk für die Produktion von Großladungsträgern und Kunststoffpaletten in Betrieb genommen.
Mit diesen Logistik-Lösungen, einem breiten Sortiment an Transport- und Lagerbehältern sowie Müllgroßbehältern zählt Craemer zu den weltweit führenden Herstellern. Darüber hinaus ist das 1912 als Metallverarbeitungsbetrieb gegründete Familienunternehmen im Geschäftsfeld Metallumformung international als Automobilzulieferer etabliert – mit Stanzteilen für den Fahrzeuginnenraum wie Sitzschalen und Sitzstrukturteile. Die Gruppe hat insgesamt rund 1000 Beschäftigte an vier Produktionsstandorten in Europa und verfügt über ein globales Netzwerk an Vertriebsbüros – und sie wächst kontinuierlich, wie das neue Werk eindrucksvoll beweist.
Fünf Spritzgießmaschinen im XXL-Format
Im Zentrum der Fertigung des neuen Standorts stehen fünf Maschinen, die mit Schließkräften von 3.200 bis 5.500 Tonnen zu den leistungsstärksten ihrer Klasse gehören. Entsprechend groß sind die Spritzwerkzeuge und auch die Hydraulikanlagen, die letztlich die Schließkraft aufbringen. Daraus resultiert ein großer Bedarf an Kälte für den Werkzeug- und Hydraulikkreislauf. Das ist schon an den mächtigen Rohrleitungen zu erkennen, die von den Kälteanlagen zu den Maschinen führen.
Grundkonzept: Drei Kältemaschinen, zwei Freikühler mit knapp 5.000 kW Gesamtleistung
Beeindruckend sind auch die Leistungsdaten der Kälteversorgung: Drei Kältemaschinen mit einer Kälteleistung von jeweils 500 kW stellen 12 oC kaltes Kühlwasser für die Werkzeugkühlung bereit. Die Kühlung der Hydraulik, die mit einem höheren Temperaturniveau von 35 oC auskommt, übernimmt ein Freikühler mit 1.900 kW Leistung. Zur Entlastung der Kältemaschinen für die Werkzeugkühlung ist ein weiterer Freikühler mit einer Kälteleistung von 1.500 kW installiert. Alle Freikühler sind in selbstentleerender Bauform ausgeführt und arbeiten mit 100 % Wasser ohne Glykolzusatz.
Beeindruckende Energieeffizienz
Noch beeindruckender als die schiere Leistung ist die Energieeffizienz der Kälteversorgung. Die Ingenieure der L&R Kältetechnik haben bei der Projektierung alle Register der Energieeinsparung gezogen und fanden in Craemer einen Kunden, der sich erstens fachlich auf Augenhöhe befindet und zweitens größten Wert auf eine effiziente, nachhaltige und kostengünstige Produktion legt.
Bedarfsgerechte Regelung spart Energie und steigert die Prozessqualität
Eine Energiesparfunktion mit hoher Wirksamkeit ist die Regelung der Kondensationstemperatur in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur. Diese Aufgabe übernimmt die von L&R entwickelte Vari-Kon-Steuerung. Sie kann bei niedrigen Außentemperaturen für einen um bis zu 40% reduzierten Energieverbrauch sorgen und gewährleistet bei hohen Umgebungstemperaturen eine hohe Leistungsstabilität.
Drehzahlgeregelte Pumpenantriebe gehören nicht nur in großen Leistungsklassen, wie sie bei Craemer realisiert wurden, zu den sinnvollen Optionen. Das bedarfsgerechte Bereitstellen der Kälte am Ort des Verbrauchs spart Energie. Zugleich kann das präzise Erreichen der Zieltemperaturen – und damit das exakte Temperieren des Werkzeugs – die Qualität der erzeugten Produkte steigern und auch die Zykluszahl verringern.
Freikühlung auch bei hohen Außentemperaturen
Die für die Werkzeugkühlung erforderliche Kälte kann bei niedrigen bis mittleren Außentemperaturen aus der Umgebung bezogen werden – über eine „Winterentlastung“. Die drei Freikühler haben eine Leistung von 1500 kW und können damit die gesamte Kälteerzeugung sozusagen zum Nulltarif übernehmen. Ihre leistungsstarken EC-Ventilatoren sind mit drehzahlgeregelten Lüftermotoren ausgestattet, die bedarfsgerecht geregelt werden.
Eine Besonderheit der Kältetechnik bei Craemer sind die PAD-Kühler, die für die Temperierung des Hydraulikkreislaufs verwendet werden. Diese adiabatischen Freikühler gewährleisten bei Außentemperaturen bis 35oC Kühlung aus der Umgebung, ohne Zusatzkühlung über eine weitere Kältemaschine oder ähnliches und ohne, dass externe Energiezufuhr erforderlich ist. Bei einer Kälteleistung von 1.900 kW ergibt sich dadurch eine ganz erhebliche Energie- und Ressourceneinsparung.
Die Vorteile von Freikühlern mit PAD-Systemen liegen u.a darin, dass das Besprühungswasser nicht in Berührung mit dem Wärmeübertrager kommt, dass kaum Aerosole in die Umgebungsluft gelangen und dass die eingesetzte Wasserqualität relativ vernachlässigbar ist. Durch diese Kühllösung haben die Anwender keine Probleme bei hohen Umgebungstemperaturen, wie es bei anderen Freikühlsystemen der Fall sein kann.
Hohe Einspareffekte, schnelle Amortisation
Die Summe dieser Maßnahmen spart bis zu 80% der Antriebsenergie, die bei einer Kälteanlage ohne diese Ausstattungsmerkmale anfallen würde. Die Hauptanteile der Einspareffekte entfallen auf die gleitende Kondensationstemperaturregelung, die Winterentlastung über selbstentleerende Freikühlung und die grundsätzlich energieeffiziente Konstruktion der Kälteanlagen mit natürlichem Kältemittel.
Darüber hinaus haben L&R und Craemer aber auch noch weitere Konstruktionsmerkmale verwirklicht, die zusätzlich Energie einsparen – u.a. durch die Integration der Kälteanlage in andere temperaturgeführte Prozesse. So wird die Wärme, die dem Hydraulikkreislauf im Rücklauf entzogen wird, zu Heizzwecken genutzt.
Natürliches Kältemittel ermöglicht hohe Leistungszahlen
Ein ganz entscheidendes und keineswegs selbstverständliches Merkmal ist Propan als natürliches Kältemittel, mit dem die drei Anlagen betrieben werden. Dass die L&R-Ingenieure Propan vorschlugen, hat seinen Grund im Gesamtprofil dieses Kältemittels für die individuelle Anwendung.
Zunächst weist Propan hervorragende Kennwerte in Bezug auf die Umweltauswirkungen auf. Der GWP-Wert liegt bei 3, der ODP-Wert ist gleich Null. Das heißt: Sollte Propan in die Atmosphäre gelangen, hat das nur minimalen Einfluss auf die Erderwärmung und keinerlei Auswirkung auf den Abbau der Ozonschicht.
Ebenso entscheidend ist: Im Temperatur- und Leistungsbereich der Anlagentechnik von Craemer sind mit Propan hohe Leistungszahlen möglich. Ein guter GWP-Wert wird also nicht durch schlechtere Effizienz der Gesamtanlage „erkauft“ und der Anwender geht keinen Kompromiss ein. Das ist besonders wichtig bei derart großen Anlagen, bei denen schon geringe Effizienzunterschiede große Auswirkungen auf Energieverbrauch und -kosten haben.
Ein weiterer positiver Aspekt: Propan-Kälteanlagen sind – aus gutem Grund – BAFA-förderfähig. Der Anwender muss jedoch berücksichtigen, dass Propan brennbar ist. Diese Eigenschaft kann man aber z.B. mit Hilfe einer Gaswarnanlage gut beherrschen, wie nicht zuletzt zahlreiche von L&R projektierte Kälteanlagen beweisen.
Steuerungstechnik: Bestens angebunden und integriert
Auf der steuerungstechnischen Ebene hat L&R auf Wunsch von Craemer ebenfalls neueste Technik und diverse Optionen realisiert. Der Betriebszustand der gesamten, von einer Siemens-SPS gesteuerten Anlage wird auf einem Touch Panel visualisiert. Eine von L&R programmierte Profinet-Schnittstelle erlaubt die Integration in die IT-Infrastruktur von Craemer und bei Bedarf kann z.B. der L&R-Service per Fernwartung Einblick in die Anlagensteuerung nehmen. Messsensoren ermitteln die aufgewendete Kälteleistung.
Fazit: Erhebliche Einsparung an CO2 und an Energiekosten
Dass sich bei der (Groß-)Kältetechnik eine umsichtige Anlagenplanung ebenso „rechnet“ wie die Entscheidung für Energiespar-Optionen, zeigt die Kalkulation zur CO2-Einsparung. Unterm Strich werden pro Jahr mehr als 1.350 Tonnen CO2 weniger emittiert, als es eine konventionelle Kälteanlage dieser Größenordnung tun würde. Der jährliche Energiekostenvorteil liegt im sechsstelligen Bereich.
Das Fazit von Ralf Westermann, Leiter Anlagenplanung und -beschaffung der Craemer GmbH: „Wir sind gut beraten worden. Die Vorgespräche waren angenehm und kompetent, die Montage verlief störungsfrei und beim Dichtigkeitstest hat die Anlage sehr gute Ergebnisse erzielt.“ Inzwischen ist die Anlage rund um die Uhr in Betrieb – noch nicht ganz mit voller Leistung, denn sie bietet, wie von Craemer gewünscht, Reserven für mögliche Kapazitätserweiterungen.
Kunststoffproduktion mit minimalem CO2-Fußabdruck
Bei der Planung der neuen Fertigungsstätte für Kunststoffpaletten und Palettenboxen haben die Verantwortlichen größten Wert auf eine möglichst gute Umweltbilanz mit minimalem CO2-Fußabdruck gelegt. Ralf Westermann, Leiter Anlagenplanung und -beschaffung: „Das Gebäude wurde nach KFW 55-Standard errichtet. Auf eine Gaszuleitung für das Gelände haben wir verzichtet und werden stattdessen verstärkt regenerative Energien – insbesondere Windkraft und Photovoltaik – nutzen. An den Produktionsmaschinen sind energiesparende Zusatzsysteme installiert, und zur Hallenbeheizung verwenden wir die industrielle Abwärme der Spritzgießanlagen.“ Da fügt sich die energieeffiziente 1,5 MW-Kälteanlage mit dem Kältemittel Propan bestens ins Bild.