Brauereien beeinflussten entscheidend die Entwicklung von Kältemaschinen

„Erstling der Lindeschen Kältemaschine“ als Modell aus dem 3D-Drucker

Wenn man die Geschichte der künstlichen Erzeugung von Kälte genauer betrachtet, wird man feststellen, dass gerade durch die Brauereien die Entwicklung der Kompressionskälteanlagen entscheidend beeinflusst und gefördert worden ist. Die erste Kältemaschine, die Carl von Linde in München entwickelt und für eine Wiener Brauerei in Triest errichtet hatte, ist nach einer wechselvollen Geschichte seit 2018 im „Haus der bayerischen Geschichte“ (HdBG) in Regensburg zu besichtigen. Nachfolgend finden Sie einen gekürzten Auszug aus einer Ausarbeitung von Dr. Rainer Jakobs (DKV) für das HdBG und eine kurze Darstellung der Aktivitäten einiger Studierender aus Regensburg zur besseren Dokumentation der Ur-Kältemaschine.

Als Lebensmittelbetriebe standen die Brauereibetriebe seit jeher in einem ständigen Kampf gegen die störenden Einwirkungen von Wärme. Natureis, tief in die Erde eingebaute Keller und weitgehende Anpassung der Arbeit an die klimatischen Verhältnisse und an die Jahreszeiten waren die einzigen Mittel, die dem Brauer in früheren Jahren zur Verfügung standen, um wirtschaftliche Verluste und Güteminderungen möglichst zu vermeiden. Ein milder Winter, der die Natureisernte ungünstig beeinflusste, zog zwangsläufig nachteilige Folgen für die Güte des Bieres nach sich.

1870 schrieb Carl Linde in dem Bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt seine erste grundlegende Abhandlung „Über die Wärmeentziehung bei niedrigen Temperaturen durch mechanische Mittel“, in der er die Wirkungsgrade der Kaltluft-, Kaltdampf- und Absorptionsmaschinen errechnete. Er stellte fest, dass keine der bis dahin gebauten Kältemaschinen mehr als ein Fünftel der naturgesetzlich erreichbaren Höchstleistung geliefert hatte und prüfte, ob und auf welchem Wege ein besseres Ergebnis zu erreichen sei.

Es ist verständlich, dass der Artikel „Verbesserte Eis- und Kühlmaschinen“ von Carl Linde, der 1871 im Bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt erschien, in Brauerkreisen ein lebhaftes Echo fand.

Man hatte erkannt, dass die Gärung bestimmter Temperaturen bedarf, sollte ein wohlschmeckendes, gleichmäßiges Bier entstehen. Um die 15 bis 20 °C für obergäriges Bier, 4 bis 10 °C bei untergärigem. Solche Temperaturen hielten sich nur in tiefen Kellern, am besten natürlich in Felsenhöhlen, in die Unmengen von Eis eingebracht werden mussten. Und das ging nur im Winter. Die Brausaison dauerte damals von Oktober bis März; in Bayern war das sogar gesetzlich festgelegt.

Linde empfahl, eine direkte Kühlung durch die Kältemaschine anzuwenden. Eine entscheidende Wendung brachte sein Vortrag vor dem internationalen Brauerkongress während der Weltausstellung in Wien 1873, auf Grund dessen mehrere führende Brauereibesitzer mit ihm in engere Verbindung traten.

Der Direktor der größten österreichischen Brauerei Dreher, August Deiglmayr, besuchte Linde zusammen mit einem Wiener Maschinenfabrikanten und schlug ihm vor, eine Kältemaschine für den Gärkeller der Zweigbrauerei in Triest zu entwerfen, die in Wien gebaut werden könne. Wien kam jedoch für diese Versuche nicht in Frage. Linde brachte München und vor allem den Münchner Großbrauer Gabriel Sedlmayr ins Spiel.

Linde erhielt von Sedlmayr in seiner Spatenbrauerei die Chance zu einer mehrjährigen Versuchsphase, an deren Ende eine Kältemaschine stand, die den Konkurrenzprodukten vor allem in punkto Betriebssicherheit und Langlebigkeit überlegen war. Im Gegenzug wurde Sedlmayr Mitinhaber der Patente.

Die Entwicklung der ersten Maschine mit dem Kältemittel Methyläther war aber nicht erfolgreich. Der austretende Methyläther verursachte Explosionen im Maschinenraum und so musste sich Gabriel Sedlmayr im Frühjahr 1874 sogar zur Einstellung der Versuche entschließen.

Linde konstruierte einen neuen Verdichter mit einer einfachen und wirkungsvollen Dichtung. Als Kältemittel setzte er Ammoniak ein. Linde bestellte den neuen Verdichter im Frühjahr 1875 bei der Maschinenfabrik Augsburg und meldete die neue Maschine zum bayerischen Patent an. „Schon die ersten Versuche mit diesem zweiten Kompressor“, so Linde nicht ohne Stolz, „zeigten völlig befriedigende Ergebnisse“.

Die Maschine wurde im September 1876 an die Brauerei Dreher verkauft, und in seinem Zweigbetrieb in Triest aufgebaut und im Frühjahr 1877 in Gang gesetzt. Sie war bis 1908 in Betrieb und sorgte für Kühlung und Lufttrocknung und kam dann unter dem Titel „Erstling der Lindeschen Kältemaschine“ in das Technische Museum Wien. Dort blieb sie bis 2018 im Archiv verborgen. 2018 wurde die Kältemaschine, bestehend aus 2-Kolbenverdichter, Kondensator und Verdampfer, in das neu errichtete „Haus der bayerischen Geschichte“ (HdBG) in Regensburg eingebracht (siehe Youtube Film: www.t1p.de/KKA5-24HdBG) und ist seit der Eröffnung dieses Museums zu besichtigen.

Ein Besuch des Museums lohnt sich. Das HdBG zeigt die gesellschaftliche, kulturelle und technologische Entwicklung in Bayern in den letzten drei Jahrhunderten, beginnend mit dem Entstehen des bayerischen Königtums unter Maximilian I Joseph unter Mithilfe von Napoleon und endend mit der Entwicklungsgeschichte von BMW mit einigen Automodellen. Die bedeutsame Entwicklung von Carl von Linde (Linde wurde von Prinzregent Luitpold 1897 mit dem Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone geehrt und in den Adelsstand erhoben) befindet sich inmitten der Ausstellung.

Nachdem die Beschreibung der Kältemaschine vor Ort sehr spärlich ist, hat auf Anraten des Historischen kälte- und klimatechnischen Vereins (HKK) Dr. Rainer Jakobs vom DKV 2021 eine ausführliche Beschreibung in Form einer Powerpoint-Präsentation für das Museum erstellt, deren Anwendung leider aufgrund des Umfangs abgelehnt wurde, die aber hier in Auszügen abgedruckt ist.

Leider blieb auch eine von einem Studenten der OHT Amberg-Weiden unter Prof. Dr. D. Müller angefertigte digitale Animation ohne Verwendung. Im nächsten Anlauf wurde in einer studentischen Projektgruppe unter der Regie von Prof. Dr. Thomas Lex an der OHT Regensburg im letzten Sommersemester ein 3D-Druck Modell erstellt und ein Film zur Entstehungsgeschichte der Linde-Ur-Kältemaschine gestaltet. Die Animation und dieser Film ist bei der Chillventa auf dem Messestand des HKK in Halle 9, Stand 218 gegenüber dem VDKF-Stand zu sehen. Das HKK-Messeteam freut sich über jeden Besucher.

Quellenangabe der von Dr. Jakobs verwendeten Literatur

Handbuch der Kältetechnik, Rudolf Plank, Band 1, 1954, und Band 10, 1960: Band 1, S. 57-60, Ammoniakmaschinen, Carl Linde; Band 1, S. 133-136, Die Brauereien; Band 10, S. 550-551, Bier

Die Linde AG, Hans-Liudger Dienel, Verlag C.H. Beck oHg, München, 2004

Carl Linde – Aus meinem Leben und von meiner Arbeit, R. Oldenbourg Verlag, München

50 Jahre Kältetechnik, 1879-1929 Geschichte der Gesellschaft für Linde`s Eismaschinen A.-G. Wiesbaden

Ingenieure zwischen Hochschule und Industrie, Hans-Liudger, Bd. 54, Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1995

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