Efficiency first: So geht Energiewende
Ein Energieeffizienzgesetz mit neuen Anforderungen ist auf dem Weg
„Efficiency First“ ist das aktuelle Leitprinzip der deutschen Energiewende. Es bedeutet konkret: Energie muss möglichst effizient und sparsam eingesetzt werden. Die Versorgung mit Energie soll so gesichert und der Klimawandel eingedämmt werden. Grundlage auf europäischer Ebene ist die Novelle zur EU-Energieeffizienzrichtlinie 2012/27/EU. Als Teil des „Fit für 55“-Paketes sieht sie vor, Treibhausgase bis 2030 auf mindestens 55 % gegenüber 1990 zu senken. Für die Umsetzung in Deutschland wurde ein Energieeffizienz-Paket geschnürt. Betroffen sind – neben öffentlichen Einrichtungen von Bund, Ländern und Kommunen – Unternehmen und Rechenzentren. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick, welche verschärften Anforderungen zukünftig gelten sollen und welche Chancen sich daraus ergeben.
Das neue Energieeffizienzgesetz (EnEfG) ist Teil des deutschen Energieeffizienz-Pakets und liegt im Entwurf vor. Es soll das Gesetz über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen (EDL-G) ablösen und erstmals einen sektorübergreifenden Rahmen schaffen, um Energieeffizienz in Deutschland zu steigern. Der Referentenentwurf setzt die wesentlichen Anforderungen der EU-Richtlinie national um und soll einen erheblichen Beitrag zum Erreichen der deutschen Klimaziele leisten, nämlich bis 2045 klimaneutral zu sein. Das Gesetz soll bald in Kraft treten.
Verpflichtungen für Unternehmen
Zukünftig sollen folgende Anforderungen an Unternehmen und Rechenzentren
gelten:
Unternehmen mit einem durchschnittlichen Endenergieverbrauch innerhalb der letzten drei Jahre von
mehr als 2,5 GWh pro Jahr, die kein Energie- oder Umweltmanagementsystem betreiben, sind verpflichtet, innerhalb der nächsten 20 Monate nach Inkrafttreten des EnEfG ein erstes bzw. mindestens alle vier Jahre ein Energieaudit nach DIN EN 16247-1 durchzuführen. Bisher besteht diese Pflicht nur für sog. große Unternehmen – das sind nach europäischer KMU-Definition für „kleine und mittlere Unternehmen“ Betriebe mit mehr als 250 Beschäftigten und mehr als 50 Mio. EUR Jahresumsatz bzw. 43 Mio. EUR Jahresbilanzsumme.
mehr als 10 GWh pro Jahr müssen innerhalb von 20 Monaten nach Inkrafttreten des EnEfG ein Energie- oder Umweltmanagementsystem einrichten, und zwar nach den Standards DIN EN ISO 50001 oder EMAS.
Energieaudits durchführen
Regelmäßige Audits sind wichtiger Bestandteil von Managementsystemen, um deren Wirksamkeit zu verbessern. Der Standard für Energieaudits ist die DIN EN 16247-1. Er legt Anforderungen, gemeinsame Methodik und Ergebnisse für Energieaudits fest. Die Norm gilt für alle Formen von Einrichtungen und Organisationen sowie alle Arten von Energie und des Energieeinsatzes. Gegenüber der alten Version von 2012 wurden in der Revision von 2022 die Abschnitte „Datenerfassung“ und „Analyse“ überarbeitet und ergänzt, neue Abschnitte „Messplan“ und „Stichprobenverfahren“ sowie drei erläuternde Anhänge aufgenommen. Detaillierte Anforderungen an Energieaudits legt § 14 EnEfG fest. Momentan sind nach EDL-G Energieaudits noch nach alter Norm von 2012 durchzuführen.
Managementsysteme einführen
Managementsysteme gewährleisten eine systematische Vorgehensweise. Standards sind die DIN EN ISO 50001 „Energiemanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung“ sowie EMAS (Eco Management and Audit Scheme). Unabhängige Prüfer zertifizieren bzw. validieren die Systeme.
Maßnahmen ermitteln und bewerten
Betroffene Organisationen, die Audits durchführen bzw. Energie- oder Umweltmanagementsysteme einrichten müssen, müssen zukünftig u.a. mindestens Energie-Input und -Output, Prozesstemperaturen, Wärmemengen und Abwärme erfassen, ermittelte Daten grafisch darstellen, technische Maßnahmen für mehr Effizienz ermitteln und deren Wirtschaftlichkeit nach DIN EN 17463 „Bewertung von energiebezogenen Investitionen (VALERI)“ bewerten.
Maßnahmen umsetzen
Wurden im Rahmen von Audits und Managementsystemen Maßnahmen für mehr Energieeffizienz als wirtschaftlich erkannt, so müssen diese „unverzüglich“, spätestens aber innerhalb von 2 Jahren umgesetzt werden. Eine Maßnahme gilt als wirtschaftlich, wenn sich bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nach maximal 50% der vorgesehenen Nutzungsdauer ein positiver Kapitalwert, also die Summe aller zukünftigen Zahlungen, ergibt. Sowohl umgesetzte als auch – wegen fehlender Wirtschaftlichkeit – nicht umgesetzte Maßnahmen müssen durch Zertifizierer, Umweltgutachter oder Energieauditoren bestätigt werden.
Ausnahme: Für genehmigungsbedürftige Anlagen nach §4 Bundesimmissionsschutzgesetz gilt die Pflicht für Maßnahmen zum Energiesparen nicht, sofern für diese Anlagen speziellere Anforderungen zum Umsetzen von Energieeffizienz-Maßnahmen bestehen.
Abwärme vermeiden bzw. nutzen
Unternehmen sollen zukünftig entstehende Abwärme vermeiden bzw. auf den technisch unvermeidbaren Anteil verringern. Organisationen, die Energieaudits durchführen oder Energiemanagement-Systeme einrichten und aufrechterhalten müssen, müssen zusätzlich Informationen zu thermischer Leistung, Verfügbarkeit, Temperatur und Druck der Abwärme erheben und zur Verfügung stellen. Spätestens bis zum Ende des Jahres 2028 muss dann sämtliche Abwärme genutzt werden.
Rechenzentren müssen – falls noch nicht vorhanden – spätestens bis 1. Januar 2025 ein Energiemanagement- oder Umweltmanagementsystem einführen und werden ebenfalls zu Zertifizierung bzw. Validierung verpflichtet. Für den Betrieb werden zukünftig v.a. gefordert: Minimale Temperaturen für die Luftkühlung, bis zu 40% wiederverwendete Energie nutzen und ab 2025 den Stromverbrauch vollständig über ungeförderten Strom aus erneuerbaren Energien decken. Betreiber sollen zukünftig auch Angaben zu Wärmemenge, Temperaturniveau und Preis fürs Bereitstellen der Abwärme machen.
Eine Übersicht voraussichtlicher Anforderungen aus dem EnEfG an Unternehmen, Rechenzentren sowie öffentliche Einrichtungen liefert die Tabelle.
Prüfung durch das BAFA
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wird durch Stichproben kontrollieren, ob die Forderungen des EnEfG umgesetzt werden. Als Nachweis dient v.a. das Zertifikat nach DIN EN ISO 50001 bzw. die EMAS-Urkunde. Organisationen, die die Forderungen nicht erfüllen, drohen Bußgelder bis zu 100.000 EUR.
Weitere Vorschriften zum Energie sparen: EnSikuMaV und EnSimiMaV gelten weiter
Vor dem Hintergrund der angespannten Energieversorgungslage wurden im Jahr 2022 bereits zwei Verordnungen zum kurz- und mittelfristigen Energiesparen beschlossen. Sie basieren auf dem Energiesicherungsgesetz (§30 EnSiG) und sollen ebenfalls einen Beitrag zur sicheren Energieversorgung leisten.
Neben der Einsparung von Gas wurden auch Maßnahmen festgelegt, die den Stromverbrauch senken sollen. Die festgelegten Maßnahmen zielen vor allem auf Unternehmen, öffentliche Gebäude und private Haushalte ab. Die „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen“ (EnSikuMaV) wurde bis 15. April 2023 verlängert. Die zweite „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen“ (EnSimiMaV) gilt voraussichtlich bis 30. September 2024.
Unternehmen profitieren
Unternehmen können die Chance nutzen, Energie effizienter einzusetzen. Die Analyse des Energieverbrauchs ist dabei der erste Schritt. Im Rahmen eines Energie- oder Umweltmanagementsystems oder von Energieaudits können erforderliche Maßnahmen – auch auf Grundlage des neuen Gesetzes sowie weiterer Vorschriften zum Energie sparen – abgeleitet und systematisch umgesetzt werden. Unternehmen, die bereits Energieaudits nach dem Gesetz über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen (EDL-G) oder im Rahmen ihrer Energie- oder Umweltmanagementsysteme durchgeführt haben, sollten festgelegte Maßnahmen an die neuen Forderungen anpassen, neu priorisieren und zügig umsetzen.
Fördergelder für mehr Energieeffizienz können Betriebe beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) beantragen, z.B. für Energieaudits für Nichtwohngebäude, Anlagen und Systeme bis zu 6.000 EUR. Das Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für Energie- und Ressourceneffizienz umfasst 5 Module, gefördert werden neue Anlagen, Soft- und Hardware, Optimierung von Anlagen und Prozessen sowie Transformationskonzepte hin zum klimaneutralen Unternehmen.
Mögliche Förderprogramme und hilfreiche Links
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: www.energiewechsel.de
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle: BAFA – Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft – Zuschuss (Kurzlink: https://t1p.de/87ef7) und Kredit sowie BAFA - Energieberatung & Energieaudit (Kurzlink: https://t1p.de/yh9jg)
KKA: Ressourcen- und Energieeffizienzplattform (Kurzlink:https://t1p.de/6loah)
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Fazit
Die neuen Forderungen nach mehr Energieeffizienz bieten Unternehmen die Chance, Verbrauch und Effizienz genau unter die Lupe zu nehmen. Anlagen und Prozesse sollen energetisch optimiert werden. Fördermittel stehen bereit.
Ein verringerter Energieverbrauch spart nicht nur Kosten, sondern erhöht die Versorgungssicherheit für alle. Eine Transformation zum klimaneutralen Unternehmen ist der nächste logische Schritt, denn Deutschland kann bis 2045 nur klimaneutral werden, wenn sich alle Akteure bewegen.
(Update: Gegenüber dem Referentenentwurf vom Oktober 2022 gibt es mittleiweile wesentliche Änderungen, v.a. für Unternehmen, die das Bundeskabinett am 19.04.2023 beschlossen hat. Ferner ist seit 18.11.2023 das neue Energieeffizienzgesetz (EnEfG) in Kraft)
Glossar
Effizient versus effektiv: Eine Anlage mit Energie zu betreiben ist effektiv, eine Anlage mit weniger Energie bei mehr Leistung zu betreiben ist dagegen effizient.
Gesamtendenergieverbrauch: Gesamter Energieverbrauch eines Unternehmens, Endenergie wird aus Primärenergie (Öl, Kohle, Erdgas, Wind, Wasser, Sonne) erzeugt.
Klimaneutral/CO2-neutral: Klimaneutralität bedeutet, dass durch einen Prozess oder eine Tätigkeit das Klima nicht beeinflusst wird und bezieht sich auf die Gesamtheit der Treibhausgase, d.h. es werden entweder keine Treibhausgase in die Atmosphäre abgegeben oder deren Emission wird vollständig kompensiert. CO2-Neutralität bezieht sich dagegen nur auf Kohlendioxid. Die beiden Begriffe werden häufig synonym benutzt.
Positiver Kapitalwert: Betriebswirtschaftliche Kennzahl aus der Investitionsrechnung, die auf der Summe aller zukünftigen (erwarteten) Zahlungsflüsse, die aus einer Investition entstehen, beruht.
Rechenzentren (i.S. des EnEfG): „eine Struktur oder eine Gruppe von Strukturen für die zentrale Unterbringung, die zentrale Verbindung und den zentralen Betrieb von Informationstechnologie- und Netzwerk-Telekommunikationsausrüstungen zur Erbringung von Datenspeicher-, Datenverarbeitungs- und Datentransportdiensten sowie alle Anlagen und Infrastrukturen für die Leistungsverteilung, für die Umgebungskontrolle und für das erforderliche Maß an Resilienz und Sicherheit, das für die Erbringung der gewünschten Dienstverfügbarkeit erforderlich ist, mit einer elektrischen Nennanschlussleistung ab 100 Kilowatt.“
Mögliche Maßnahmen
Für einen verantwortungsvollen und effizienten Umgang mit den verfügbaren Ressourcen müssen Verantwortliche zusammenarbeiten. Der Gebäudebereich kann einen großen Beitrag dazu leisten, da in Deutschland auf ihn rund 40 Prozent des Energieverbrauchs entfallen. Wichtige Akteure sind hier also v.a. Planer, Anlagenbauer, Hersteller aus der Gebäudetechnik, der Kälte- und Wärmeerzeugung sowie der Luftbe- und -entfeuchtung.
Stellschrauben für mehr Energieeffizienz sind u.a. das richtige Kältemittel für die jeweilige Anwendung, eine intelligente Steuerung und regelmäßige Kontrolle der einzelnen Komponenten einer Anlage sowie ein Design dieser Komponenten, das hohe Leistung bei geringem Energieeinsatz ermöglicht.
Mit energieeffizienten Lösungen für Heizen, Kühlen, Lufterneuerung und -reinigung sowie Warmwasserbereitung in Gebäuden inklusive energieeffizienter Geräte (z.B. Raumklimageräte mit Wärmepumpenfunktion) kann der Energieverbrauch deutlich gesenkt werden. Auch veraltete Geräte (z.B. Ventilatoren) durch neue, effizientere Modelle zu ersetzen, kann eine sinnvolle und zugleich wirtschaftliche Maßnahme sein. Und schließlich ermöglicht regelmäßige Instandhaltung von Geräten und Anlagen nicht nur den reibungslosen Betrieb, sondern auch einen effizienteren Einsatz von Energie.
Wärmepumpen als Ersatz oder Ergänzung fürs Kühlen bzw. Heizen machen von fossilen Energieträgern unabhängig, wenn der benötigte Strom aus erneuerbarer Energie stammt.
Drei Beispiele aus der Praxis
Prima Klima in der Küche
Eine solar angetriebene Adsorptionskältemaschine in Verbindung mit Erdsonden sorgt in der Küche der Institutskantine des Fraunhofer ISE in Freiburg für gutes Klima. Die Adsorptionsmaschine mit 5,5 kW Kälteleistung kühlt im Sommer, im Winter heizt sie (Quelle: Fraunhofer ISE und SorTech AG).
Kühlanlage für Metallverarbeiter
Bis zu 80 % Energieeinsparung sowie ein präzises und effizientes Thermo-Management konnte ein Metallverarbeiter für die Kühlung seiner Gussprodukte umsetzen: Mit einer 2 MW-Kühlanlage, zwei getrennten Kühlkreisläufen (Gießkreis und Rückkühlkreis) sowie einer Temperaturregelung, bei der zwei Kältemaschinen nur dann anlaufen, wenn Freikühlung bei hohen Außenlufttemperaturen nicht möglich ist (Quelle: technotrans solutions GmbH, s. KKA 1/2023, S. 44-46, https://t1p.de/iw3k4).
Effizienz Plus
Sämtliche Abwärmeströme aus den industriellen Prozessen werden am Stammsitz von Viessmann in einem Verbundsystem zusammenführt, fürs Heizen nutzbar gemacht und mit Kühlung gekoppelt. Die Wärmerückgewinnung ist Bestandteil von „Effizienz Plus“, dem Modellprojekt für Ressourceneffizienz, Klimaschutz und Standortsicherung. Es wurde mit dem „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“ ausgezeichnet. Ergebnis: Verbrauch fossiler Energie um 40% (42 GWh) und CO2-Emissionen um ein Drittel (12.000 t) verringert (Quelle: Viessmann Climate Solutions SE).