Gefährdungsbeurteilung – eine Unternehmerpflicht!
Fragen an den Sachverständigen
Wieder einmal beleuchtet der Sachverständige Hort-Rüdiger Krä aus Straubing einen Sachverhalt, der ihm im Rahmen seiner Sachverständigentätigkeit häufiger begegnet ist. In diesem Beitrag geht es um Getränkeschankanlagen, die nur von in der Handwerksrolle mit „Getränkeschankanlagen“ eingetragenen Installateuren, Heizungsbauern, Flaschnern, Kälteanlagenbauern oder Brauereien als Hilfsbetrieb erstellt und instand gehalten werden dürfen, keinesfalls von Leitungsreinigern.
Bei Getränkeschankanlagen kommt es immer wieder zu schweren Gasunfällen, leider auch zu tödlichen. Betreiber gehen mit der Sicherheit sehr arglos um. Obwohl das gültige Getränkeschankanlagenrecht eindeutig aussagt, was und wie es gemacht werden darf und muss, setzt man sich darüber hinweg. Das ist sträflicher Leichtsinn!
Schon in der – leider heute nicht mehr gültigen – Verordnung über Getränkeschankanlagen (SchankV) hieß es unter § 9 „Betrieb“ (1): „Wer eine Getränkeschankanlage betreibt, hat die Anlage in betriebssicherem Zustand zu erhalten, ordnungsgemäß zu betreiben, zu überwachen, notwendige Instandsetzungsarbeiten unverzüglich vorzunehmen und die den Umständen nach erforderlichen Sicherheitsmassnahmen zu treffen. (. . .)“
Weiterhin hieß es unter (5): „Eine Getränkeschankanlage darf nicht betrieben werden, wenn sie Mängel aufweist, durch die Beschäftigte oder Dritte gefährdet werden können.“
Die Technischen Regeln für Getränkeschankanlagen (TRSK) untermalten dies.
Für die zurückgenommenen TRSK wurden Deutsche Industrie-Normen (DIN) erstellt, die fast identisch mit den alten TRSK sind, jedoch vieles offen lassen und weiter verweisen auf andere DIN. Es sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund des Bestandsschutzes die Befähigte Person, früher der Sachkundige § 16 SchankV, selbstverständlich die abgelöste SchankV und die TRSK kennen muss. Bestandsschutz, ausgenommen druckführende Teile und Schlauchmaterial einer Getränkeschankanlage, wird auf Grund des zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme einer Getränkeschankanlage geltenden Getränkeschankanlagenrechts beurteilt.
Wer trägt die Verantwortung?
Die Verantwortung für den Betrieb einer Getränkeschankanlage liegt beim Betreiber, nach der neuen Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) ist das der Arbeitgeber. Selbstverständlich fällt auch der „Einmannbetrieb“ auf Grund seines Unternehmerstatus unter die BetrSichV. Nach der gültigen Unfallverhütungsvorschrift BGV A1 „Grundsätze der Prävention“ mutieren Betreiber und Arbeitgeber zum Unternehmer. Dieser hat die Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Mittlerweile ist es also unerheblich, ob der Unternehmer auch Arbeitgeber ist oder nicht. § 3 der BGV A1 „Beurteilung der Arbeitsbedingungen, Dokumentation, Auskunftspflichten“ sagt unter (1): „Der Unternehmer hat durch seine Beurteilung der für die Versicherten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen entsprechend § 5 Abs. 2 und 3 Arbeitsschutzgesetz zu ermitteln, welche Maßnahmen nach § 2 Abs. 1 erforderlich sind.“
Unter (2) heißt es: „Der Unternehmer hat Gefährdungsbeurteilungen insbesondere dann zu überprüfen, wenn sich die betrieblichen Gegebenheiten hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz verändert haben.“
Unter (3): „Der Unternehmer hat entsprechend § 6 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung nach Abs. 1, die von ihm festgelegten Maßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung zu dokumentieren.“ Egal wie viele Arbeitnehmer er beschäftigt. Das ist neu und äußerst wichtig. Über die im Betrieb getroffenen Maßnahmen des Arbeitsschutzes hat der Unternehmer, auf Wunsch der Berufsgenossenschaft, diese zu informieren.
Unterweisung von Arbeitnehmern
Der Unternehmer hat die Versicherten (Arbeitnehmer) über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit, insbesondere über die mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen und Maßnahmen zu ihrer Verhütung entsprechend § 12 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz sowie bei einer Arbeitnehmerüberlassung entsprechend § 12 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz zu unterweisen; die Unterweisung muss erforderlichenfalls wiederholt werden, mindestens aber einmal jährlich erfolgen; sie muss dokumentiert werden. Auch hier braucht mancher Unternehmer Hilfe: die Hilfe der Befähigten Person – früher Sachkundiger § 16 SchankV.
Ohne Gefährdungsbeurteilung darf aber auch keine wiederkehrende Prüfung einer Getränkeschankanlage durch die Befähigte Person durchgeführt werden. Jetzt stellt sich die Frage: Darf der Unternehmer die Gefährdungsbeurteilung selbst erstellen? Ja, er muss, wenn er auch kann. Nur kann er? Nein, nicht oft! Hier ist ein Betätigungsfeld für die Befähigte Person gegeben.
Aus der überwachungsbedürftigen Getränkeschankanlage ist ein technisches Arbeitsmittel geworden. Nach Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) § 2 Abs. 2 Nr. 7 ist die Getränkeschankanlage aber eine überwachungsbedürftige Anlage geblieben oder geworden. Das ist die Grundlage für den Lebensmittelüberwacher entsprechend vorzugehen und eventuell eine Getränkeschankanlage, nicht nur auf Grund der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) außer Betrieb zu nehmen.
Wer darf welche Tätigkeiten ausüben?
Spätestens jetzt stellt sich die Frage: Wer darf denn eine Getränkeschankanlage überhaupt erstellen und instand halten? Zur selbständigen Ausübung eines Handwerks oder wesentlicher Tätigkeiten eines Handwerks ist nach § 1 der Handwerksordnung (HwO) die Eintragung in der Handwerksrolle erforderlich. Getränkeschankanlagen dürfen von Installateuren und Heizungsbauern (§ 1 Abs. 2 Berufsbild des früheren Gas- und Wasserinstallateurhandwerks) Vollhandwerk Nummer 27 und Kälteanlagenbauer (§ 1 Abs. 1 Ziffer 3 Berufsbild für dieses Handwerk), die in der Handwerksrolle mit „Getränkeschankanlagen“ eingetragen sind, erstellt und instand gehalten werden. Die Erstellung, Instandsetzung und Wartung von Getränkeschankanlagen kann durch Brauereien im Rahmen eigener Anlagen bei eigenen Gaststätten als Hilfsbetrieb (§ 3 Abs. 3 HwO) und bei fremden Gaststätten, die verpachtet sind, ebenfalls als Hilfsbetrieb (§ 3 Abs. 3 HwO) ausgeführt werden. Falls derartige Arbeiten durch die Brauereien im Rahmen eines selbständigen Handwerksbetriebes ausgeführt werden, bedarf es der Eintragung in der Handwerksrolle. Dabei kann diese Tätigkeit als begrenztes Spezialgebiet i. S. der Ziffer 2.11 der Leipziger Beschlüsse vom 21.11.2000 angesehen werden. Entscheidende Stelle im Einzelfall ist jedoch die zuständige Bezirksregierung. Die Erfahrung der letzten Jahre hat leider gezeigt, dass Ausnahmebewilligungen erteilt werden.
Schwarze Schafe
Betriebe, die nur im Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe als Getränkeleitungsreiniger eingetragen sind, dürfen Getränkeschankanlagen grundsätzlich nicht erstellen und instand halten. Ein Betreiber darf Getränkeschankanlagen im eigenen Betrieb für eigene Anlagen lediglich im Rahmen eines Hilfsbetriebes nach § 3 Abs. 3 HwO ausführen. Es sollte auch Aufgabe der zuständigen Behörden sein, „schwarze Schafe“, die Getränkeschankanlagen erstellen und instand halten, obwohl sie es nicht dürften, zur Rechenschaft zu ziehen. Die staatlich auferlegte Sorgfaltspflicht der Lebensmittelüberwacher müsste hier ziehen.
Wer haftet?
Somit stellt sich sofort die nächste Frage: Wer ist verantwortlich, wenn eine Getränkeschankanlage von einem nicht in die Rolle eingetragenen Betrieb, also einem Nichtberechtigten, z.B. Getränkeleitungsreiniger erstellt wird? Der Betreiber als Unternehmer! Und wen kann der Unternehmer ins Obligo nehmen? Es muss befürchtet werden, niemanden. Wie weit geht die Sorgfaltspflicht der zuständigen Behörde? Im Strafverfahren wird der Staatsanwalt ein gewichtiges Wort mitreden. Mit einer so wohlwollenden Behandlung wie beim letzten tödlichen Unfall (alle ein bis drei Jahre war bisher mit einem tödlichen Unfall zu rechnen!) sinngemäß: „Der Betreiber ist tot, er war selbst schuld, was wollen wir mit weiteren Untersuchungen und Pressemitteilungen erreichen?“ kann man nicht immer rechnen. Nach Aussagen der zuständigen Behörde wurde nicht einmal ein öbuv-Sachverständiger zur Klärung zugezogen.
Gewähr für sichere Anlagen
Das bisherige Getränkeschankanlagenrecht, SchankV und BetrSichV sowie LMHV bieten Gewähr für sichere Getränkeschankanlagen, sofern man sich auch daran hält. Sie bieten auch Gewähr für betriebssichere Getränkeschankanlagen, die durch berechtigte Personen erstellt und instand gehalten werden. Wenn, wie zuvor erwähnt, der Unternehmer die Gefährdungsbeurteilung nicht eigenständig durchführen kann, ist er auf Hilfskräfte angewiesen – Befähigte Personen, die dazu in der Lage sind. Die Betriebssicherheitsverordnung verlangt ausreichende Kenntnisse für diese Tätigkeit, die durch Aus- und Weiterbildung zu erlangen sind. Ausbildungsinstitute (wie Krä Privatinstitut Bayern + Sachsen) bieten entsprechende Maßnahmen an. Die Betriebssicherheitsverordnung stützt sich auf technische Normen (DIN). Die klaren Aussagen der SchankV und der TRSK werden vermisst. TRSK bleiben aber teilweise als „Stand der Technik“ erhalten, bis entsprechende Normen (DIN und EN) veröffentlicht sind und Gültigkeit erlangen. DIN und EN haben nicht den Gesetzescharakter der bisherigen TRSK.
Warnungen und Tipps
Ausdrücklich gewarnt muss davor werden, als Arbeitgeber eine x-beliebige Person zur Befähigten Person „zu schlagen“. Eine Befähigte Person wird die gleiche Ausbildung wie der Sachkundige § 16 SchankV haben müssen. Nicht mehr und nicht weniger. Die Verantwortung ist einfach zu groß. Hält sich ein Unternehmer in der Zukunft an die ihm aufgegebenen Unfallvorschriften, muss er Aufträge, Einrichtungen zu planen, herzustellen, zu ändern oder instand zu setzen, schriftlich erteilen und dem Auftragnehmer aufgeben, die in § 2 Abs. 1 und 2 genannten für die Durchführung des Auftrags maßgeblichen Vorgaben zu beachten. Dies sind hauptsächlich Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren. Das ist umso wichtiger, als im neuen Europarecht Beschaffenheitsanforderungen nicht mehr vorgesehen sind – ein Weg zu mehr Qualität, wie ich meine. Einheimische Fachleute, qualifiziert für gute Arbeit, werden unter Berücksichtigung der verabschiedeten Unfallverhütungsvorschriften interessante Aufträge erhalten. Es gilt aufzuklären und die Auftraggeber anzuhalten, den hohen Standard der Qualität und Sicherheit zu halten, oder besser noch, zu steigern. Dadurch wird auch das Unfallrisiko gesenkt.
Der Unternehmer muss selbst entscheiden, wie die Sicherheit an den von ihm betriebenen Anlagen herzustellen und zu halten ist (DIN, EN, ...). Die gute Ingenieurkunst und der Stand der Technik sind ihm Entscheidungshelfer; die kompetente Befähigte Person technischer Berater. Wilde und „Möchtegern“-Befähigte Personen haben hier sicher keinen Platz.