Lebensgefahr durch Schankanlage

Fragen an den Sachverständigen

Wieder einmal beantwortet der Sachverständige Hort-Rüdiger Krä aus Straubing eine Frage, die ihm im Rahmen seiner Sachverständigentätigkeit gestellt wurde. Die Frage eines Kälteanlagenbauers lautete: „Bei einem unserer Kunden wurde die Getränkeschankanlage bei einer Nachkontrolle vom bayerischen Lebensmittelkontrolleur außer Betrieb genommen. Der Wirt konnte zwei Tage kein Fassbier zapfen. Ist das durch Gesetz gedeckt?“

Als Hintergrundinformation muss noch gesagt werden, dass angeordnete Auflagen nicht beachtet wurden. So wurde auch der Hauptalarm der Gaswarnanlage „weggedrückt“. Bei der Nachkontrolle mussten die unter Erdgleiche aufgestellten Getränkebehälter abgeschlagen werden. Aus diesem Grund gingen die Bedienung und der Lebensmittelüberwacher in den Keller. Die Bedienung ging im Abstand von zwei Metern dem LÜ voran in den Vorraum und den Kühlraum. Die Bedienung taumelte und wurde sofort vom LÜ aus dem Raum gebracht. Die Türe zum gekühlten Getränkelagerraum und dem Vorraum wurde geöffnet. Der Vorraum mündet zusätzlich in eine Tiefgarage. Beim LÜ trat leichtes Schwindelgefühl auf. Durch die verständigte Sachgebietsleiterin der zuständigen Behörde wurden Polizei und Feuerwehr verständigt, die in wenigen Minuten eintrafen.

Der gefährdete Bereich wurde von der Polizei abgesperrt und die Feuerwehr führte Messungen und Lüftungsmaßnahmen durch. Es wurde angeordnet, dass die Getränkeschankanlage nicht mehr betrieben werden darf, bis für Abhilfe gesorgt ist und eine Befähigte Person die Freigabe erteilt hat. Durch die Bedienung erfuhr der LÜ, dass der Gastronom den Alarm bemerkt und über Tage keine Abhilfe geschaffen hatte. Nachbarn konnten sich erinnern, dass der Hauptalarm sehr lange andauerte. Das Warnschild „Warnung vor Gasansammlungen“ fehlte. Die Bedienung wurde nicht in ihre Arbeit eingewiesen.

 

Die Antwort des Sachverständigen

Nach Ihrer Schilderung wurde vom Unternehmer (Betreiber) mehrmals gegen geltendes Getränkeschankanlagenrecht verstoßen. Dass nichts passiert ist, ist offenbar dem prüfenden Lebensmittelüberwacher zu verdanken. Es bestand Gefahr für Leib und Leben Dritter. In diesem Falle musste – nicht nur durfte – der Lebensmittelüberwacher handeln.  

Die Kohlendioxid-Konzentration war so hoch angestiegen, dass der Hauptalarm der Gaswarneinrichtung ansprang. Somit bestand große Gefahr für Leib und Leben Dritter. Der Voralarm kommt bei 1,5 VOL, der Hauptalarm bei 3,0 VOL. Bei Hauptalarm darf der gefährdete Bereich nicht mehr ohne Atemschutzgerät betreten werden. Hilfskräfte sind zu mobilisieren. Kohlendioxid ist abzusaugen. Erst wenn die Räumlichkeiten wieder durch die Hilfskräfte, Feuerwehr oder THW, freigegeben sind, dürfen sie betreten werden.

Das Quittieren des Hauptalarms darf nur vorgenommen werden, um das „furchtbare“ Geräusch abzustellen. Der Alarm bleibt optisch erhalten, bis die Anreicherung der Luft wieder unter 1,5 VOL vermindert wurde. Der Betreiber hätte dafür sorgen müssen, dass bei Hauptalarm niemand mehr die angereicherten Räume betreten konnte.

Die Bedienung hatte Glück, dass der Lebensmittelüberwacher hinter ihr ging und sie aus dem Gefahrenbereich bringen konnte. Höhere Konzentrationen als 3,5 VOL (Hauptalarm) können innerhalb kürzester Zeit zum Tod führen. Tödliche Gasunfälle wurden in der Vergangenheit alle ein bis drei Jahre registriert – eindeutig zu viel. Diese Unfälle zeigen auch den unsachgemäßen Umgang mit Getränkeschankanlagen. Ich kann das durch Untersuchung eines Gasunfalls mit zwei Toten und mehreren Verletzten bestätigen.

Die Mehrzahl der eindeutigen Verstöße gegen das Getränkeschankanlagenrecht bestätigt die Sorglosigkeit vieler Unternehmer – auch in diesem Fall. Die Stilllegung durch die zuständige Behörde war angebracht und notwendig. Eine Stilllegung auf Grund hygienischer Mängel ist eindeutig geregelt durch das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sowie die VO (EG) 178/2002 (ab 1.1.06 die VO 852/2004) und die neue Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV). Nachteilige Beeinflussung durch ekelerregende oder sonstige Beeinträchtigungen der einwandfreien hygienischen Beschaffenheit von Lebensmitteln, verursacht durch Mikroorganismen, Verunreinigungen, Witterungseinflüsse, Gerüche, Temperaturen, Gase, Dämpfe, Rauch, Aerosole, tierische Schädlinge, menschliche und tierische Ausscheidungen, Abfälle, Abwässer, Reinigungs- und Desinfektionsmittel, Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel; ungeeignete Behandlungs- und Zubereitungsverfahren, sind zu verhindern. Die Reinigungsintervalle sind nach DIN-Norm 6650-6 festgelegt.

Die Stilllegung in vorliegendem Fall ist nach Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) und dem Gesetz über den öffentlichen Gesundheits- und Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung (GDVG) geregelt. Nach der Lebensmittelrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung (LMRStV) von 2006 wird ein evtl. Bußgeld geregelt.

Nachdem seit dem 01. Juli 2005 die Verordnung über Getränkeschankanlagen (SchankV) endgültig außer Kraft getreten ist, ist auch die Getränkeschankanlage keine überwachungsbedürftige Anlage mehr. Eine Überwachungsbedürftigkeit einer Getränkeschankanlage ist aber über das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) gegeben. Sie ist überwachungsbedürftig nach §2 Abs. 2 Nr. 7 GPSG „Getränkeschankanlagen und Anlagen zur Herstellung kohlensaurer Getränke“. Eine Überwachungsbedürftigkeit nach Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) ist nicht gegeben. Die BetrSichV lässt die Getränkeschankanlage von einer überwachungsbedürftigen Anlage zu einem technischen Arbeitsmittel mutieren.

Wenn schon die Getränkeschankanlage keine überwachungsbedürftige Anlage nach BetrSichV mehr ist, bleibt die Anlage aber trotzdem überwachungsbedürftig.

Die Außerbetriebnahme war rechtens. Ein Bußgeld muss verhängt werden.

Die Beantwortung wurde, nachdem es sich um eine bayerische Gaststätte handelt, nach in Bayern gültigen Rechtsgrundlagen gegeben. Es kann durchaus vorkommen, dass der Geschäftsverteilungsplan einer Behörde die Prüfung der Technik und die Überprüfung der Hygiene einer Getränkeschankanlage strikt trennt. Das heißt nicht, dass der Fall in einem anderen Bundesland nicht geahndet werden würde. Es besteht nur die Möglichkeit, dass eine andere zuständige Behörde die Untersuchung und Stilllegung vornimmt.

Auskunft erhalten Sie (für ein anderes Land) über Landratsamt / Stadtverwaltung, Gesundheitlicher Verbraucherschutz und Lebensmittelüberwachung.


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