Gemeinsam Wandel gestalten
Coolektiv-Convent in der Zeche Zollverein
Auf die Herausforderungen der Kälte/Klima-Branche mit zukunftsweisenden Lösungen antworten – dieses Ziel hat der Coolektiv-Convent am 7. November 2019 in der Zeche Zollverein in Essen erreicht. Die rund 100 Teilnehmer arbeiteten gemeinsam an Lifecycle-Betrachtungen und Öko-Effizienzmodellen, den Inhalten eines neu zu schaffenden Berufsbilds sowie praxisnahen Fortbildungsinhalten. Sie formulierten außerdem konkrete Empfehlungen an den Gesetzgeber.
Auf Initiative der Westfalen-Gruppe wurde die Initiative Coolektiv im Rahmen der Chillventa 2018 gegründet – ein Zusammenschluss der Firmen und Verbände Asercom, BIV, Chemours, Honeywell, L & R Kältetechnik sowie Westfalen. Seitdem haben sich die Coolektiv-Experten regelmäßig getroffen mit dem Ziel, den Wandel in der Kälte- & Klima-Branche durch pragmatische und kurzfristige Lösungen zu unterstützen und allen Marktteilnehmern Hilfestellungen zur Bewältigung der Herausforderungen durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen wie der F-Gas-Verordnung an die Hand zu geben. Die Ergebnisse des ersten Arbeitsjahres wurden allen Marktteilnehmern, vom Kälteanlagenbauer über Betreiber und Planer bis hin zur Industrie, beim Coolektiv-Convent am 7. November in Essen vorgestellt. In Fachforen und bei der abschließenden Podiumsdiskussion war die Branche gebeten aktiv mitzuwirken.
Mechaniker für Kältetechnik
Fachlichen Input lieferte zunächst Jörg Peters von der Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik in Maintal zur Situation der Ausbildung im Spannungsfeld der Kälte- und Klimatechnik. Jörg Peters konnte berichten, dass es seit der Einführung der neuen Berufsbezeichnung „Mechatroniker für Kältetechnik“ einen signifikanten Anstieg bei den Ausbildungszahlen gegeben habe. Einen großen Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs gebe es aber trotzdem nach wie vor. Leider schaffen nicht alle, die eine Ausbildung im Kälteanlagenbauerhandwerk beginnen, auch einen erfolgreichen Abschluss. Für manche sind die Anforderungen im Kälteanlagenbauerhandwerk einfach zu ambitioniert – Systemlösungen mit integrierter MSR-Technik, Digitalisierung und die Kältemittelsituation sind in diesem Zusammenhang nur einige Aspekte. Abhilfe könnte eine abgespeckte Ausbildungsvariante zum „Mechaniker für Kältetechnik“ (Arbeitstitel) schaffen. Diese wurde auf dem Coolektiv-Convent vorgestellt und von einer Mehrheit der Anwesenden auch begrüßt. In einem interaktiven Fachforum diskutierten sie in Kleingruppen konkrete Ausbildungsinhalte und entwickelten einen ersten Muster-Lehrplan. Nachdem neue Technologien aber nicht nur in der Aus-, sondern auch in der Fortbildung eine wichtige Rolle spielen, entwickelte das Fachforum Ideen für digitale Formate von Webinaren über Podcasts bis hin zu Youtube-Tutorials.
Lifecycle-Betrachtung von Kälteanlagen
Manfred Rössling, Funktionsbereichsleiter Immobilien Bauen Energiemanagement der Rewe Group, zeigte die Strategie des Unternehmens hin zum klimaneutralen Rewe-Supermarkt im Jahr 2050 auf. Die Bedeutung der Kältemittelsituation für sein Unternehmen wurde deutlich, als er davon berichtete, dass Rewe rund 15.000 Gewerbekälteanlagen mit ca. 1.000 t Kältemittel betreibt. Das Ziel, bis 2050 klimaneutrale Supermärkte zu betreiben, hat auch Auswirkungen auf die Kälteanlagen. Als Kältemittel kämen 2050 nur noch natürliche Kältemittel (CO2, Propan, Ammoniak und Wasser) in Frage. Bis dahin werde man mehrere Übergangskältemittel einsetzen (R448A, R449A, R450A, R513A). Die Kosten für Kältemittel spielen für Rewe zwar auch eine Rolle, aber bei der Betrachtung der Lebenszykluskosten haben andere Aspekte größere Auswirkungen. Die Investitionen für Kühlmöbel, Ersatzteile und den Kälteverbund liegen jeweils über den in 20 Jahren zu erwartenden Kältemittelkosten. Den Löwenanteil machen hingegen die Energiekosten aus. Eine interessante Info gab Rössling in diesem Zusammenhang noch preis: Auf 20 Jahre Betrieb gesehen, entstehen in einem durchschnittlichen Rewe-Markt Energie-Mehrkosten in Höhe von 250.000 Euro, wenn statt verglaster unverglaste Kühlmöbel zum Einsatz kommen.
Beim Coolektiv-Convent wurde die Lifecycle-Betrachtung für Investition und Betrieb weiter vertieft. Das Modell, vorgestellt von Sébastien Casterman (Honeywell), bietet konkrete Entscheidungshilfen für die Investoren. Eine erste Checkliste zum Thema Service von Anlagen wurde vorgestellt und erläutert. Die Teilnehmer hatten die Aufgabe, diese zu bewerten und in Gruppenarbeit zu ergänzen.
Auch zum Thema Umgang mit brennbaren Kältemitteln erhielten die Teilnehmer eine Checkliste. Der von Harald Conrad (Westfalen) vorgestellte Entwurf wurde in Essen intensiv diskutiert, bewertet und mit Änderungsvorschlägen an die Experten von Coolektiv zurückgespielt. Man darf gespannt sein, welche weiteren unterstützenden Maßnahmen in diesem Kontext das Gremium bis zur kommenden Chillventa erarbeiten wird.
Schwarzmarkt bekämpfen und HFO fördern
Wolfgang Zaremski (Asercom) stellte die politische Arbeit von Coolektiv vor. Im Mittelpunkt der vergangenen Monate stand die Unterstützung von Bund und Ländern bei der Bekämpfung des Schwarzmarkts. Illegale Kältemittel würden unkontrolliert über Europas Grenzen in den Binnenmarkt gebracht und über Online-Plattformen gehandelt. Dabei gehe es in erster Linie um die Sicherheit der Anwender: Falsche Kennzeichnungen von Flaschen und die Befüllung mit unbekannten Gemischen könnten im Bereich der brennbaren Kältemittel zu schweren Unglücken bei der Anwendung führen.
Kritik an der Förderpraxis der Bundesregierung wurde in der anschließenden Podiumsdiskussion laut: Während die Branche den Wunsch nach einer Förderung der Entwicklung und des Einsatzes von HFO (Hydrofluorolefine) äußerte, lehnte Prof. Dr. Wolfgang Plehn vom Umweltbundesamt dies ab. Da Produkte einiger HFO in der Natur nicht abbaubar seien, gebe es wissenschaftliche Bedenken. „Für die Bundesregierung ist eine langfristige Perspektive ausschlaggebend für Förderung. Höhere Kosten z. B. für Explosions-Schutz begründen die Förderung natürlicher Kältemittel.“, erläuterte Plehn.
Intensiv erörterten die Teilnehmer auch die Emissionsverringerung durch den Einsatz von Wärmepumpen, die sowohl Wärme als auch Kälte erzeugen und damit die höchste Energieeffizienz aufweisen. Sie gelten als eine zukunftsfähige Lösung zur CO2-Minderung, insbesondere, wenn sie über den Wohnbau hinaus im Gewerbebau und in der Industrie eingesetzt werden.