Lobbyarbeit ist etwas Positives

Interview mit Andrea Voigt, Director General bei EPEE

Der europäische Herstellerverband EPEE (European Partnership for Energy and the Environment, www.epeeglobal.org) hat sich in den vergangenen Jahren zum Sprachrohr der Kälte-, Klima- und Wärmepumpenindustrie in Brüssel entwickelt. Die KKA-Redaktion führte ein Interview mit Andrea Voigt, seit 2009 Director General bei EPEE, über Strukturen, Aufgaben und Ziele des Verbands.

KKA: Sehr geehrte Frau Voigt, bevor wir zu den Themen kommen, mit denen sich EPPE derzeit beschäftigt, geben Sie doch bitte den KKA-Lesern, die Ihren Verband noch nicht so genau kennen, einen kurzen EPEE-Steckbrief ab.

Andrea Voigt: The European Partnership for Energy and the Environment (EPEE) vertritt die Interessen der Kälte-, Klima- und Wärmepumpenindustrie in Europa. Der Expertenverband wurde im Jahr 2000 gegründet und setzt sich aus 41 Unternehmen, internationalen und nationalen Verbänden zusammen, die in Europa einen Umsatz von über 30 Milliarden Euro erzielen sowie über 200.000 Mitarbeiter beschäftigen. EPEE setzt sich für sichere, umweltverträgliche und wirtschaftlich sinnvolle Technologien ein. Unser Ziel ist es, für ein besseres Verständnis der Branche in der EU zu sorgen und zur Entwicklung effektiver politischer Maßnahmen beizutragen.

 

KKA: Sie sind nun seit über fünf Jahren als Director General – wohl am besten mit Geschäftsführerin zu übersetzen – für EPEE tätig. Wenn Sie einmal zurückblicken, was hat sich in den vergangenen fünf Jahren im Verband und in der Branche verändert?

Andrea Voigt: Da hat es enorme Veränderungen gegeben. Das soll jetzt nicht die geleistete Arbeit meines Vorgängers im Amt, Friedrich P. Busch, schmälern. Aber durch die novellierte F-Gase-Verordnung und die zahlreichen neuen Ökodesign-Richtlinien befindet sich die ganze Kälte- und Klimabranche im Umbruch – so etwas verändert dann natürlich auch die Bandbreite der Arbeit in einem Verband wie dem unsrigen, der solche Verordnungen und Richtlinien als Interessenvertretung der Hersteller begleitet. Die Bedeutung von EPEE hat dadurch definitiv zugenommen und man sieht uns in Brüssel zunehmend als wichtigen Ansprechpartner und als Sprachrohr der Branche.

 

KKA: Ist diese gewachsene Akzeptanz in Brüssel nur ein Bauchgefühl und Wunschdenken oder können Sie das auch an konkreten Dingen festmachen?

Andrea Voigt: Das ist nicht nur so daher gesagt. Es beginnt bei vermeintlichen Kleinigkeiten: Wenn wir eine Frage an die EU-Kommission haben, bekommen wir schnell eine Antwort und wir bekommen relativ zügig Termine bei den Verantwortlichen – wer das schon einmal in Brüssel versucht hat, weiß wie langwierig das sein kann. Aber viel wichtiger: Wir werden mittlerweile bei allen laufenden und künftigen Gesetzesvorhaben, die die Kälte- und Klimabranche betreffen, von Anfang an eingeladen und werden als kompetenter Ratgeber geschätzt. Oft kommen die die Verantwortlichen der EU-Kommission direkt auf uns zu, weil unser fachlicher Rat geschätzt wird. Das ist natürlich kein Automatismus und kein Freibrief für die Zukunft – diese Wertschätzung für unsere Arbeit und unser Fachwissen gilt es immer wieder erneut unter Beweis zu stellen. Aber wir arbeiten ja zum Glück nicht im stillen Kämmerlein, sondern erfahren durch unsere  Mitglieder – Hersteller und Verbände – enorme Unterstützung, so dass wir auch in Zukunft immer fachkundige Gesprächspartner bleiben werden.

 

KKA: Wie sieht diese Unterstützung konkret aus?

Andrea Voigt: Dazu muss ich kurz die Struktur unseres EPEE-Büros in Brüssel erklären. EPEE arbeitet mit mir als Geschäftsführerin und mit Grayling, einem Consulting-Unternehmen, das mich und die Mitglieder unterstützt. Das EPEE-Team bei Grayling setzt sich aus fünf Mitarbeitern zusammen. Diese leisten zum einen klassische Sekretariatsaufgaben, die Zusammenarbeit geht aber viel weiter, da meine „Kollegen“ inzwischen ebenfalls sehr tief in der Materie stecken und unsere EPEE-Themen gemeinsam mit mir koordinieren. Und hier kommen unsere Mitgliedsunternehmen zum Einsatz. Es gibt verschiedenste Arbeitsgruppen, in die unsere Mitglieder ihre Mitarbeiter entsenden. Bei Sitzungen und Telefonkonferenzen ist immer auch mindestens ein EPEE-Mitarbeiter dabei. EPEE gibt Anstöße, entwickelt Positionspapiere als Vorschlag und knüpft die erforderlichen Kontakte, aber ein Großteil der Arbeit geschieht in den Arbeitsgruppen. Die Kompetenz der EPEE-Arbeit steht und fällt also mit der Kompetenz unserer Mitgliedsunternehmen – und die ist exzellent. Unsere Mitglieder sind weltweit vernetzt, eine gelungene Mischung aus mittelständisch organisierten Firmen, Konzernen und Verbänden. Um keinen faden Beigeschmack entstehen zu lassen: Bei derartigen Treffen wird übrigens akribisch darüber gewacht, dass z.B. das Thema Preise gar nicht erst zur Sprache kommt, um sich nicht kartellrechtlichen Problemen auszusetzen.

 

KKA: Apropos fader Beigeschmack: Im vergangenen Jahr titelte die Süddeutsche Zeitung: „Macht, Milliarden, Meinungsmacher“ und prangerte die geheime Macht der Lobbyisten an, die Politiker beeinflussen und unter Druck setzen. Dem Begriff Lobbyarbeit haftet bei vielen ein gewisser negativer Beigeschmack an. Zu Unrecht?

Andrea Voigt: Schwarze Schafe gibt es natürlich überall, aber im Grunde genommen ist Lobbyarbeit etwas Positives und durchaus wünschenswert. Und das sage ich nicht nur, weil ich selbst Lobbyarbeit betreibe. Die Politiker in Brüssel können nicht alles wissen und sind auf fachlichen Beistand aus der Industrie zwingend angewiesen. Ein Beispiel: Durch die aktuelle F-Gase-Verordnung hat das Kältemittel R404A aufgrund seines hohen GWP-Werts quasi den Todesstoß versetzt bekommen. Nun gibt es aber Tiefsttemperaturanwendungen, bei denen R404A durch kein anderes Kältemittel ersetzt werden kann. Es gibt nun in der Verordnung eine Ausnahme für R404A für eben diese besonderen Anwendungsfälle. Diese hätte es aber nicht gegeben, wenn die Fachleute aus der Kälteindustrie nicht auf diesen Umstand hingewiesen hätten.

Politiker müssen über unglaublich komplexe, hochtechnische und täglich wechselnde Themenfelder abstimmen – da ist nicht zu erwarten, dass sie bei allen Themen bis ins Detail Bescheid wissen können. Ohne den fachlichen Input aus der Industrie kommt man hier nicht aus, denn sonst bleibt es bei einem „politischen Bauchgefühl“, das aber evtl. unrealistisch ist. Die Studien, die Consulting-Unternehmen im Auftrag der EU-Kommission im Vorfeld erstellen, reichen da meines Erachtens nicht aus – auch da gibt es schließlich gute und schlechte Akteure. Daher ist es Aufgabe der Lobbyisten und der dahinter stehenden Industrie, hier beratend zur Seite zu stehen.

Halten Sie mich jetzt bitte nicht für völlig blauäugig. Komplett uneigennützig und nur zum Wohl der Allgemeinheit agieren viele Lobbyvertreter natürlich auch nicht. Aber ohne sie würden viele Gesetzesvorhaben an der Wirklichkeit vorbeigehen – je technischer die Vorhaben sind, umso größer wäre das Risiko.

 

KKA: In Brüssel agieren nach unterschiedlichen Schätzungen 15.000 bis 25.000 Lobbyisten. Auch aus der Kälte- und Klimabranche gibt es mehrere Verbände und Institutionen, die sich in Brüssel Gehör verschaffen wollen. Kommt man sich da nicht mitunter ins Gehege?

Andrea Voigt: Sie haben Recht, EPEE ist nicht der einzige Verband der Kältebranche, der in Brüssel aktiv ist. Um die Abgeordneten in Brüssel nicht zu sehr zu verwirren und zu belästigen, ist es daher eminent wichtig, dass sich die Branchenverbände im Vorfeld abstimmen und eng verzahnt agieren – um dann mit EINER Botschaft an die Politiker heranzutreten. Ein und derselbe Beamte ist doch völlig überfordert, wenn er nacheinander von zwei bis drei Verbänden informiert wird – wem soll er da glauben? Wenn jeder für sich handelt und sich zu profilieren versucht, schwächt man das gemeinsame Anliegen. Platzhirschgehabe, wie von manchen durchaus praktiziert, ist eindeutig kontraproduktiv. Vor allem bei den extrem komplexen Ökodesign-Verordnungen ist es ungemein wichtig, dass die betroffenen Firmen und Verbände ganz eng zusammenarbeiten. Ich bin daher ein Fan von sogenannten Joined Industry Expert Groups, in denen man sich verständigt und abstimmt, bevor man sich an die Beamten und Politiker wendet.

Im Übrigen sind es nicht nur die Gremienvertreter in Brüssel, die man informieren und zu denen man Kontakt halten muss – auch wenn unsere Arbeit in Brüssel Priorität hat. Aber ohne die Zusammenarbeit mit den nationalen Verbänden und natürlich  den Politikern und Organisationen aus den Mitgliedsstaaten läuft auch in Brüssel nichts bzw. wenig. EPEE arbeitet in zahlreichen Ländern eng mit den nationalen Verbänden zusammen und hat auch für die Zukunft vor, diese Zusammenarbeit weiter auszubauen.

 

KKA: Das Thema F-Gase-Verordnung beherrscht – zumindest in der Fachpresse – schon seit vielen Monaten die Schlagzeilen. Informiert sein sollte also eigentlich jeder mittlerweile. Wie bekannt sind die anstehenden Veränderungen denn aus Ihrer Sicht?

Andrea Voigt: Das kann man nicht pauschal beantworten. Sehr viele Unternehmen – und hier meine ich vor allem die Hersteller – sind bestens informiert. Es gibt aber dennoch erschreckend viele Firmen, die sich noch im Dornröschenschlaf befinden. Es ist also noch viel Infoarbeit zu leisten, was wir von EPEE, gemeinsam mit Verbänden wie der AREA (europäischer Verband der Kälteanlagenbauer), mit forcieren. Die Verbote im Zusammenhang mit den GWP-Werten sind den meisten klar; das Thema der Quotierung ist allerdings bei vielen noch nicht angekommen. Hier erwarten manche Hersteller von Kälteanlagen, dass sie selbst Quoten beantragen können, dabei können dies nur die Kältemittelproduzenten und -lieferanten. Auch das Vorbefüllen von Geräten ist nach wie vor ein Thema, das viele Fragen aufwirft.

 

KKA: Und wie bewerten die Hersteller die Anforderungen der F-Gase-Verordnung?

Andrea Voigt: Die Verordnung ist ambitioniert, aber machbar, was die Umsetzbarkeit betrifft – so könnte man es zusammenfassen. Viele Hersteller haben ihre Hausaufgaben gemacht und entsprechende technische Lösungen entwickelt, bzw. sind auf dem besten Weg. Ich stelle auch kein Gegeneinander von Komponenten- und Kältemittellieferanten fest. Hier ziehen alle an einem Strick – schließlich wollen beide auch in Zukunft etwas verkaufen. Für uns in Europa wird es vor allem ab 2018 knifflig, wenn die erste schmerzhafte Phase-Down-Stufe greift. Ab einer Reduzierung der CO2-Äquivalente um 30 % wird es weh tun.

Ein Problem ist natürlich die Beschränkung der Verordnung auf Europa. „Im Rest der Welt“ herrschen andere Bedingungen und die F-Gase-Verordnung scheint keine Blaupause zu sein, die andernorts Eins zu Eins umgesetzt werden könnte. Eine gewisse Strahlkraft für den Rest der Welt haben aber Entscheidungen, die in der EU getroffen werden, durchaus – umso wichtiger ist daher unser Engagement für die Kältebranche in Brüssel. Darüber hinaus ist EPEE auch international sehr aktiv, und setzt sich in Foren wie zum Beispiel dem Montrealer Protokoll dafür ein, dass an realistischen Maßnahmen zur Reduzierung der HFKW-Emissionen gearbeitet wird.

 

KKA: In Brüssel wird derzeit über eine neue Heating & Cooling Strategy diskutiert, die deutliche Auswirkungen auf die Gebäudetechnik haben wird. Was kommt denn da auf uns zu und wie positioniert sich EPEE?

Andrea Voigt: Die Heating and Cooling Strategy ist im Zusammenhang mit der angestrebten europäischen „Energieunion” zu sehen, die gerade in Brüssel heiß diskutiert wird. Ziel der Energieunion ist es, den europäischen Energiemarkt zu stärken. Schwerpunkte sind: Energieversorgungssicherheit, ein vollständig integrierter Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz, Verringerung der CO2-Emissionen des Energiemix, Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.

Weil rund 40 % des Energieverbrauchs in der EU auf Gebäude entfallen und davon wiederum ein großer Teil auf Heizen und Kühlen, wird für letzteres an einer speziellen Strategie gearbeitet. Strategie bedeutet dabei zwar nicht direkt Gesetz oder Verordnung, aber eine solche Strategie kann durchaus die Grundlage oder auch Rahmenbedingungen schaffen für spätere Gesetzesvorhaben oder für Subventionen, Ideen für steuerliche Maßnahmen und Marktanreizprogramme etc.

Deshalb ist EPEE direkt involviert. Wir wollen sicherstellen, dass die europäischen Bürokraten eine ganzheitliche Sichtweise bei der Erarbeitung der Strategie berücksichtigen. Also zum Beispiel nicht nur die Energieeffizienz des einzelnen Produktes sehen, sondern das Produkt im Zusammenhang mit dem Gebäude, der Regelungstechnik usw. Dazu gehört die korrekte Dimensionierung und Wartung, die Fähigkeit „smart“ zu reagieren und vieles mehr. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Überarbeitung der Gebäudeeffizienzrichtlinie, die im nächsten Jahr ansteht. Auch diese wird mit einfließen in die Heating and Cooling Strategy und steht auf unserer Prioritätenliste ganz weit oben. Denn auch hier gibt es noch viel zu tun, wie zum Beispiel die Umsetzung der Vorschriften zur Wartung von Klimageräten.

 

KKA: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie gefällt es Ihnen selbst in Brüssel tätig zu sein?

Andrea Voigt: Mir macht meine Arbeit enormen Spaß. Ganz ehrlich! Ich habe mit interessanten, spannenden Menschen zu tun – sowohl im EPEE-Team selbst als auch bei unseren Mitgliedern. Und das bezieht auch die Beamten in Brüssel mit ein, die gar nicht die verknöcherten Bürokraten sind, wie manche erwarten würden. Unsere Branche ist einfach klasse!

EPEE-Steckbrief

EPEE – The European Partnership of Energy and the Environment

Europäischer Verband der Kälte- Klima- und Wärmepumpenindustrie


Gegründet im Jahr 2000


Sitz in Brüssel


41 Mitglieder


Derzeitige Funktionsträger (Rotation im Zweijahresrhythmus):


Chairman: Jürgen Göller (Director Sustainability, Carrier Transicold & Refrigeration Systems)


Vice-Chairman: John McMenamin (Business & Market Manager, Chemours – früher DuPont Fluorochemicals)


Treasurer: Jean Janssen (President Emerson Climate Technologies Europe)


Geschäftsführerin: Andrea Voigt

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