Wärme nachhaltig erzeugen und eiskalt nutzen
Anlagenhydraulik im Schweizer Sport- und Wellnessbetrieb
Das Sportzentrum Lenzerheide im Kanton Graubünden setzt bei seiner energetischen Versorgung auf Biomasse-Nahwärme und Wärmerückgewinnung aus der Eisproduktion. Mit optimierter Anlagenhydraulik und einer intelligenten Sammel-, Speicher- und Verteillösung von thermischer Energie gelingt es dem Betreiber, seine hoch energieintensive Einrichtung wirtschaftlich solide und konsequent nachhaltig zu führen.
Der Alpentourismus ist massiv mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert. Bedeutet die globale Erwärmung einerseits Zuwachschancen für den Sommertourismus, verschlechtern sich andererseits die klimatischen und witterungsspezifischen Voraussetzungen für den Wintersport. Neben dem Ausbau von Beschneiungsanlagen erweitern zahlreiche Urlaubsregionen deshalb ihre Freizeitangebote und investieren etwa in attraktive Sport-, Bade- und Wellness-Konzepte. Viele der in den vergangenen Jahren neu entstandenen Einrichtungen sind hoch energieintensiv – mit entsprechend deutlichem Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit ihres Betriebs.
Dass sich Umweltschutz- und Ökonomieziele wirksam in Einklang bringen lassen, zeigt die schweizerische Gemeinde Vaz/Obervaz mit ihrer Energielösung für das örtliche Sport- und Wellnesszentrum Lenzerheide, einem gefragten Anziehungspunkt für Sportler und Urlauber. Das vor rund 40 Jahren eröffnete Freizeitobjekt wurde in den vergangenen Jahren wegen zunehmender Besucherzahlen und der steigenden Nachfrage nach neuen Angeboten stetig erweitert. Seit 2008 genießen Sommer- und Wintertouristen aus aller Welt die Wellness-Oase H2Lai. Die luxuriöse Sauna- und Wasserlandschaft bietet in modernen Innen- und Außenanlagen vom Dampfbad über die finnische Sauna bis hin zur Blocksauna mit Whirlpool, Kneippbecken und Kaltwasserbereich viel Raum zur Entspannung und Erholung – komplettiert durch einen Fitnessbereich, Restaurant, Minigolfanlage und eine ganzjährig nutzbare Eishalle. Mit dem neuen Freizeitkonzept brachte die Gemeinde Wellness und Sport erfolgreich unter ein gemeinsames Dach. Die thermische Versorgung des Objekts indes erwies sich im Laufe der Zeit als energetisch ineffizient und personell aufwändig.
Für den Betrieb der Schwimm-, Bade- und Wellnessbecken müssen große Mengen an Warmwasser in unterschiedlichen Temperaturen bereitgestellt werden. Auch für Raumlufttechnik und -beheizung, die Bereitstellung von Brauchwarmwasser, Eisflächenkühlung und Hallenklimatisierung sind gleichzeitig zahlreiche unterschiedliche Temperaturvorgaben einzuhalten.
Aufgrund ihrer hohen thermischen Grundlast steht bei der energetischen Gebäudebewirtschaftung bzw. energetischen Sanierung, Modernisierung oder Neubau von Multifunktionsobjekten die Effizienzoptimierung besonders im Fokus. Vor allem der Bestandbau mit häufig maroder energetischer Infrastruktur, fehlender Wärmerückgewinnung, unzureichender Anlagenhydraulik und gestörtem Pumpenbetrieb weist enorme Potenziale für eine verbesserte Bewirtschaftung mit deutlich reduziertem Energieeinsatz auf.
Vor einem solchen Hintergrund beauftragte auch die Gemeinde eine Modernisierung aller Gebäudeautomations- und Wärmeversorgungsanlagen ihrer Sport- und Wellnesseinrichtung. Innerhalb von nur drei Monaten konnte das Projekt vollständig umgesetzt werden. Komfortstandards und Nachhaltigkeitsziele werden seitdem stabil erfüllt. Zentraler Bestandteil der heute effizienzoptimierten und hydraulisch ausbalancierten Energieversorgung ist ein Zortström-Sammel-, Speicher- und Verteilzentrum der Zortea GmbH aus Hohenems in Österreich.
Kälte generieren, Abwärme nutzen
Das in die Jahre gekommene energetische Versorgungssystem des Sport- und Wellnesszentrums Lenzerheide hatte zuvor die Anforderungen der erweiterten Gebäudeanlage nicht mehr ausreichend erfüllen können. Darüber hinaus ließ sich die Abwärme, die im Prozess der Kälteproduktion frei wurde, nicht nutzbar machen; vielmehr musste diese fortlaufend per Notkühlung mit mehreren tausend Litern Trinkwasser vernichtet werden. Eine betriebswirtschaftlich und ökologisch wirksame Einbindung der (Abwärme-)Niedertemperatur in das Wärmenetz des Gebäudekomplexes war nach damaligem technischen Stand nicht möglich.
Gleichzeitig stießen die in der Anlage einst verbauten Balkenverteiler bei Laständerungen und Spitzenlastabfrage an ihre Leistungsgrenzen. In der Folge kann dies zur Unterversorgung der Heizkreise oder Störungen in der Netzhydraulik führen, die dann entstehen, wenn sich der Pumpenbetrieb einzelner Kreise gegenseitig negativ beeinflusst. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Druckverhältnisse zwischen Vor- und Rücklauf und wirkt sich auf die benötigte (dann erhöhte) Drehzahl der Pumpenregulierung aus: Die Aufnahme an elektrischem Strom steigt – und damit der Energieverbrauch.
Mit Abschluss des Modernisierungsprojekts wird das Objekt heute über den Anschluss an das gemeindeeigene Biomasse-Nahwärmenetz versorgt. Zur Wärmeerzeugung nutzt Vaz/Obervaz naturbelassene Holzschnitzel aus der Region. Der biogene Energieträger mit vergleichsweise geringer Energiedichte und großem Volumen hat zwar eine entsprechend niedrige Transportwürdigkeit; durch kurze Entfernungen zwischen Bezugsquelle und Einsatzbereich bietet der nachwachsende Rohstoff jedoch eine wirtschaftliche und umweltfreundliche Alternative zu fossilen Brennstoffen.
Die Biomasseheizung versorgt das Sport- und Wellnesszentrum mit Wärmeenergie bei einer Spitzenkapazität von 1,5 MW. Vorrangig angesteuerte Wärmequelle ist jedoch eine 425 kW-Ammoniak-Kälteanlage. Das NH3-Absorptionskälte-System produziert die benötigte Kälte für den Betrieb der Eishalle. Die im Prozess der Kältegewinnung entstehende Abwärme wird per Wärmerückgewinnungsverfahren für Heizvorgänge im angrenzenden Wellnessbad genutzt.
NH3-basierte Kältelösungen zählen zu den bevorzugten Verfahren im sogenannten Großkälte-Einsatz, da sie ein besonders günstiges Verhältnis von Kälteleistung zu Antriebsleistung (COP-Wert – coefficient of performance) aufweisen. Mit Ammoniak ist zudem ein günstiges, klimaneutrales Kältemittel verfügbar, das weder die Ozonschicht schädigt (Ozonabbaupotential: ODP-Wert = 0), noch zum Treibhauseffekt beiträgt (Global Warming Potential = 0).
Das Prinzip Zortström optimiert den Anlagenbetrieb
Um eine kostensparende, technisch und hydraulisch optimierte Energieversorgung des Sport- und Wellnesszentrums Lenzerheide zu realisieren, setzten die ausführenden Planer und Ingenieure auf die patentierte Zortström-Technologie.
Das Herzstück der modernisierten Energieanlage bildet ein Zortström-Sammel-, Speicher- und Verteilzentrum. Das Prinzip Zortström basiert auf der Funktion einer hydraulischen Weiche, eines Puffers und eines Verteilers mit exakter Temperaturtrennung. Im Zortström werden die Volumenströme aller angeschlossenen Erzeuger (unabhängig ob regenerativ oder konventionell) zunächst hydraulisch entkoppelt, voneinander getrennt und in exakten, beliebig vielen Temperaturschichten gesammelt. Die Vor- und Rückläufe der unterschiedlichen Heizkreise bedienen sich bedarfsgerecht mit der exakt benötigten Temperatur, die Energie von Rückläufen kann dabei aktiv genutzt werden.
Auf diese Weise ist es auch möglich, die Rückläufe aus einem Hochtemperatur-Heizkreis effizient als Vorlauf für eine niedrigere Temperaturbereitstellung zu nutzen oder – wie in Lenzerheide umgesetzt – Niedertemperaturen aus dem Wärmerückgewinnungsprozess der Kälteerzeugung weiterzuverwenden.
Die Einbindung eines Zortström als hydraulischer Nullpunkt ermöglicht einen Anlagenbetrieb unter technisch optimalen Bedingungen, ohne hydraulische Störungen.
Auch die Schichtungseffizienz einer Speicherlösung beeinflusst die Gesamteffizienz eines energetischen Versorgungssystems. So führt allein eine zehnprozentige Steigerung der Schichtungseffizienz im Speicher – also etwa von 70 auf 80 % – zu einer Reduktion von 13 % des elektrischen Energiebedarfs von Wärmepumpen, wie Untersuchungen des Instituts für Solartechnik SPF in Rapperswil belegen. Mit einem Schichtungseffizienzgrad von 83,5 % (Effizienzklasse A) zählen Zortström-Anlagen derzeit zu den energetisch effektivsten Vorhaltesystemen auf dem Markt.
Im Sport- und Wellnesszentrum Lenzerheide wurde eine individuelle Zortström-Lösung mit insgesamt fünf Temperaturstufen zwischen 25 und 70 °C installiert. Im Einsatz regelt die Anlage die Energieflüsse aus der Abwärmenutzung und dem Nahwärmenetz und versorgt auf Verbraucherseite sämtliche Abnehmer mit individuell festgelegten Wassertemperaturen. Die Sicherung des Wärmeausgleichs und der Spitzenlastabdeckung übernimmt ein gekoppelter 44.000 l fassender Pufferspeicher.
Fazit
Als eine der ersten Gemeinden im Kanton Graubünden erhielt Vaz/Obervaz bereits 2013 die Auszeichnung als Energiestadt, ein Leistungsausweis für Gemeinden, die eine nachhaltige kommunale Energiepolitik aktiv umsetzen. Weitere Auszeichnungen folgten. Mit der Modernisierung des Sport- und Wellnesszentrums Lenzerheide leistet die Energiestadt einen weiteren wichtigen Beitrag zur lokalen Energiewende. Derweil genießen die Besucher des H2Lai die hohe Präzision und Temperaturstabilität der optimierten Wärme- und Kälteversorgung – in einer Erlebniswelt, die zeigt, wie Tourismus und Klimaschutz erfolgreich Hand in Hand gehen können.