Studie: Wie machen sich KMU fit für das „Zeitalter der Krisen“?
06.07.2022Erst die Pandemie, jetzt der Ukraine-Krieg: Die aktuellen Krisen stellen die Belastbarkeit der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland auf eine harte Probe. Nicht alle Unternehmen sind gleich gut darauf vorbereitet, wie der B2B-Plattformbetreiber Visable in einer Umfrage durch das Meinungsforschungsinstitut YouGov herausgefunden hat. KMU nutzen generell eine breite Palette an Maßnahmen zur Erhöhung ihrer Krisenfestigkeit. Der am weitesten verbreitete Ansatz: 20 % der Unternehmen haben einen betrieblichen Notfallplan für Krisenfälle in der Schublade. Gleichzeitig steht aber jedes fünfte Unternehmen (21 %) blank da und hat bisher gar keine Maßnahmen zur Vorbeugung gegen Umsatzausfälle durch Krisen implementiert.
Jedes fünfte Unternehmen hat keine Pläne, wie im Krisenfall vorzugehen bzw. diesem vorzubeugen ist.
Bild: Visable
Peter F. Schmid, CEO von Visable, ordnet das Ergebnis ein: „Ich bin überrascht, dass so viele Unternehmen sich gar nicht auf Krisen vorbereitet haben. Der aktuelle Krisenzustand zeigt aber einmal mehr, wie wichtig es als Teil der strategischen Unternehmensführung ist, mögliche künftige Entwicklungen zu antizipieren und entsprechende Vorsorge zu treffen. Resilienz wird in den nächsten Jahren zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor.“
Hinter betrieblichen Notfallplänen folgen bei deutschen KMU auf Platz 2 und 3 der Maßnahmen-Rangliste mit der Bevorratung von Materialien (18 %) und vermehrten Rückstellungen (16 %) eher konservative Methoden zur Erhöhung der Krisenfestigkeit im Unternehmen. Proaktiv ausgerichtet sind dafür die Plätze 4 und 5: Investitionen in IT-Kompetenz (16 %) und Diversifizierung des Einkaufs (15 %). Schmid erklärt: „Den Einkauf breit aufzustellen und sich nicht von wenigen Lieferanten abhängig zu machen, ist eine sehr effektive Maßnahme zur Krisenvorbeugung. Das fördert die Resilienz und Flexibilität.“
Kurzarbeitsregelung als Erfolgsgeschichte
Im internationalen Vergleich gibt es eine weitere Besonderheit: Kurzarbeit und Kostensenkungen durch Personalabbau oder Lohnkürzungen landen mit jeweils 14 % in Deutschland nicht einmal in den Top 5 des Maßnahmenkatalogs. Schmid analysiert: „Die Kurzarbeitsregelung stand den Unternehmen in Deutschland zu Beginn der Pandemie sofort zur Verfügung und konnte ohne große Hürden breitflächig angewandt werden. Das hat viele KMU vor dem Schlimmsten bewahrt und zu einer schnellen Erholung der wirtschaftlichen Situation beigetragen. Jetzt können deutsche KMU schon früher als in anderen Ländern wieder Richtung Zukunft denken und agieren. Man könnte sagen: Die Kurzarbeitsregelung ist eine deutsche Erfolgsgeschichte.“
Jobperspektive: Krisenbeauftragter
Bei der Betrachtung klassischer – für viele wohl sogar „typisch deutscher“ – Vorsorgemaßnahmen fällt auf: Versicherungen genießen kein großes Vertrauen bei deutschen KMU, denn nur 9 % nutzen sie zur Vorbeugung gegen Umsatzausfälle im Krisenfall. Schmid rät den Versicherern, sich dieses Vertrauen wieder zu erarbeiten: „Nicht zuletzt in der Krise fühlten sich viele Versicherte, als hätte man sie im Regen stehen lassen. Versicherungen müssen sich wieder als zuverlässige Partner erweisen. Sonst ist der Imageschaden irgendwann irreparabel.“
Während der Versicherungsmakler bei KMU eventuell auch in Zukunft nicht so gerne gesehen ist, könnte ein neuer Job im Unternehmen perspektivisch interessant werden: Einen unternehmenseigenen Krisenbeauftragten als Antwort auf das heraufziehende „Zeitalter der Krisen“ leisten sich derzeit zwar erst wenige deutsche KMU (7 %). Doch jüngere Entscheider (18-44 Jahre) agieren hier schon mit einem anderen Mindset als ihre älteren Kollegen: Fast dreimal so viele (11 % gegenüber 4 %) sehen diese Position als wichtigen Beitrag zur Resilienz des eigenen Unternehmens.
Die Online-Umfragen wurden vom 5.-10. April vom Marktforschungsinstitut YouGov durchgeführt. In Deutschland nahmen 508 Personen mit Entscheidungsbefugnis in kleinen und mittleren Unternehmen teil, in Frankreich 530 Personen, in der Schweiz und in Österreich wurden jeweils 217 Menschen befragt.