Fürsorgepflichten des Handwerksbetriebs

Welche Pflichten hat ein Arbeitgeber?

Arbeits- und Privatleben sind getrennt. Die Zeiten, dass der Geselle im Haus seines Meisters wohnte und von diesem auch im Privatleben Verhaltensvorgaben erhielt, sind lange vorbei – zum Glück. Dennoch besteht im Berufsleben weiterhin eine „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers. Die damit verbundenen Pflichten werden nachfolgend aufgezeigt.

„Fürsorge“ ist ein merkwürdig altertümliches, wenig zeitgemäßes Wort, mit dem die sich auf die Zukunft erstreckende Besorgnis ausgedrückt wird. Diese gilt allerdings nicht einem selbst, sondern einem Dritten, vielleicht sogar einem Gegenstand, mit dem man „fürsorglich“ umgeht. Nun mag es sinnvoll sein, dass Eltern, Erzieher im Kindergarten und Lehrer eine solche Fürsorge wahrnehmen, vielleicht noch ein Ausbilder im Betrieb, aber gegenüber Erwachsenen geht damit schnell der Vorwurf der Bevormundung einher. Sicherlich gilt es einen neuen Mitarbeiter einzuweisen, auf spezielle Gefahren und Schutzmaßnahmen hinzuweisen; wie aber der Betroffene dann im Einzelfall handelt, sollte er selber wissen und verantworten. Sind doch damit Themen angesprochen, die in der Ausbildung entsprechenden Raum einnehmen. Die Zeiten, in denen der Chef Einblick oder gar Eingriff ins Privatleben haben durfte, sind glücklicherweise lange vorbei. Schnell wird der Begriff der „Fürsorge“ mit einem totalitäten Staat oder einem übergriffigen Arbeitgeber verbunden. Mitarbeiter wollen und können selbstständig entschieden und installierende Handwerker haben weder Lust noch Zeit ihren Mitarbeitern wieder und wieder zu sagen, was sie im Einzelnen zu tun, bzw. wie sie sich zu schützen haben.

Dennoch ist Fürsorge keine nette, freiwillige Aufmerksamkeit, sondern auch Pflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitarbeitern, die eine Rechtspflicht begründen, deren Missachtung strafbar ist, selbst dann, wenn ein Mitarbeiter keine Fürsorge in Anspruch nehmen möchte, diese sogar ausdrücklich ablehnt.

Fürsorge im Arbeitsleben

Sicherlich wäre es für einen installierenden Handwerker nützlich, wenn ein „Fürsorgekatalog“ existieren würde, dem die Pflichten gegenüber Mitarbeitern entnommen werden könnten, und wenn er den Katalog den Mitarbeitern vorlegen könnte, damit sich diese der Fürsorge nicht entziehen können, ob sie es wollen oder nicht. Allerdings gibt es keinen entsprechenden Katalog. Es bestehen nur wenige, einzelne Regelungen, die nicht einmal an einer Stelle zusammengefasst sind. Meistens gibt nur die Rechtsprechung konkrete Hinweise auf den einzelnen Fall. Einen Anhaltspunkt bietet § 242 BGB, wo auf die Pflicht des Arbeitgebers verwiesen wird, sich nach „Treu und Glauben“ zu verhalten. „Treu und Glauben“ bezeichnet das Handeln eines redlich und anständig handelnden Menschen. Nun werden die meisten Leser unter diesen Begriff fallen, was allerdings genau gemeint ist, bleibt unklar. Schlussendlich entscheidet ein Richter darüber, wenn ein Fall vor Gericht landet.

Ein wenig konkreter wird § 241 BGB, da hier begründet wird, dass jeder Vertragspartner in einem Schuldverhältnis zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter und -interessen des anderen Teils verpflichtet ist. „Rechtsgüter“ sind das Leben, der Körper und die Gesundheit, die Freiheit und das Eigentum des Vertragspartners, also des Mitarbeiters, da Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Schuldverhältnis stehen.

Aber auch hier fehlen konkrete Feststellungen, es bleibt dabei, dass ein Gericht die abstrakten Paragraphen im Einzelfall auslegt und hieraus eine Schutzpflicht ableitet.

Zwar gibt es keine vollständige Liste von Pflichten in Bezug auf die Fürsorgepflicht, die installierende Handwerker abhaken könnten, um sicherzugehen, ihre Fürsorgepflicht nicht zu verletzen. Einige Leitplanken zur Orientierung hat der Gesetzgeber aber aufgestellt.

Gesetzliche Schutzvorschriften

Jeder Arbeitgeber muss dafür Sorge tragen, dass seine Mitarbeiter ihre Arbeit gefahrlos erledigen können. § 618 BGB führt dazu aus: „Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“

Dabei gibt es zahlreiche Gesetze, die einzelne Schutzvorschriften enthalten. Der Leser wird die Tendenz der Entwicklung kennen: Immer mehr Gesetze werden erlassen, sollen immer mehr Betroffene, vor immer mehr möglichen Schäden schützen. So hat die Datenschutz-Grundverordnung für viel Arbeit und Unsicherheit geführt, das Allgemeine-Gleichbehandlungsgesetz wird teilweise von interessierter Seite dazu genutzt, Verfehlungen hervorzurufen und Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Da aber der Primat der Politik über die Wirtschaft gilt, hat sich ein installierender Handwerker dieser Situation zu stellen, letztlich mit ihr abzufinden.

Die wichtigsten Gesetze im Rahmen der Fürsorgepflicht sind die folgenden:

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Es verpflichtet Arbeitgeber zu ermitteln, ob und wie Mitarbeiter bei der Arbeit gefährdet sind. Bestehen Gefahren für die Gesundheit oder Sicherheit, muss der Arbeitgeber die notwendigen Schutzmaßnahmen treffen.

Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV): Hier wird festgehalten, was Arbeitgeber beim „Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten“ in Bezug auf die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit der Beschäftigten zu beachten haben.

Arbeitszeitgesetz (ArbZG): Dieses legt fest, wie lange Mitarbeiter höchstens am Tag arbeiten dürfen, in welchem Rahmen Überschreitungen erlaubt sind und ausgeglichen werden müssen, aber auch welche Ruhepausen einzuhalten sind.

Mutterschutzgesetz (MuSchG): Es legt den besonderen Schutz von Schwangeren und Müttern fest und gibt bspw. vor, wie weit vor und nach der Entbindung diese arbeiten dürfen und welcher Kündigungsschutz besteht.

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO): Diese regelt unter anderem, welche Daten der Mitarbeiter der Arbeitgeber erheben und speichern darf.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Darin wird verboten, Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters oder ihrer Sexualität zu benachteiligen. Weiterhin werden Arbeitgeber in § 12 verpflichtet; „erforderliche Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen“ zu treffen.

Unterrichtungs- und Auskunftspflichten des Arbeitgebers

Unterrichtungs- und Auskunftspflichten sind vom Arbeitgeber aktiv wahrzunehmen, d.h. ein betroffener Mitarbeiter muss auf einen Sachverhalt hingewiesen werden, auch ohne explizite Nachfrage. Die Einweisung eines neuen Mitarbeiters erfolgt sicherlich mündlich; geht es aber um Themen mit finanziellen Auswirkungen, ist eine schriftliche Unterrichtung oftmals besser, da so für den Fall späterer Konflikte eine gerichtsfeste Dokumentation vorhanden ist.

Wenn bspw. ein Mitarbeiter ein Unternehmen verlässt, gibt das Sozialgesetzbuch (SGB) vor, dass der Arbeitgeber den Betroffenen über dessen Pflicht unterrichten muss, sich unverzüglich bei der Agentur für Arbeit zu melden und sich um eine neue Arbeitsstelle zu kümmern.

Für Arbeitgeber besteht immer dann eine Auskunftspflicht, wenn

der Arbeitgeber über Informationen verfügt, die für den Arbeitnehmer ersichtlich von Bedeutung sind,

der Arbeitgeber diese ohne erheblichen Aufwand dem Arbeitnehmer zugänglich machen kann,

dem Arbeitnehmer ohne diese Informationen ein nicht unerheblicher Schaden droht.

Hier sind häufig Fragen angesprochen, die im Falle einer Trennung aufkommen, wenn bspw. ein Aufhebungsvertrag angesprochen wird oder Modelle des frühzeitigen Eintritts in den Ruhestand angeboten werden.

Kontrollpflichten des Arbeitgebers

Kein installierender Handwerker kann ständig kontrollieren, ob der jeweilige Mitarbeiter seine persönliche Schutzkleidung trägt und vielleicht gerade dann den Helm beiseitelegt, wenn etwas von oben herabfällt. Zumindest gelegentlich sollte man sich jedoch von der Einhaltung der Vorschriften überzeugen. Wird ein neuer Mitarbeiter gesucht, kann nicht jede Stellenanzeige gelesen werden, allerdings muss sichergestellt sein, dass nicht nur ein Geschlecht zur Bewerbung aufgefordert wird.

Das altbekannte Prinzip der drei Affen: „nichts hören – nichts sehen – nichts sagen“ wird nicht erfolgreich sein. Die Fürsorgeplicht lässt sich nicht delegieren.

Strafen bei Verletzung der Fürsorgepflicht

Wenn ein installierender Handwerker seine Fürsorgepflicht verletzt, dürfen betroffene Arbeitnehmer die folgenden Rechte in Anspruch nehmen:

Außerordentlich kündigen. Kündigungsfristen spielen dann keine Rolle. Allerdings muss der Arbeitnehmer meistens den Arbeitgeber vorab abmahnen und auf die Einhaltung der Pflichten hinwirken.

Arbeit verweigern. Dabei muss jedoch die Leistungsverweigerung in Relation zur Gefahr stehen.

Den Arbeitgeber verklagen, seine Pflichten zu erfüllen.

Schadenersatzansprüche geltend machen. Wen bspw. ein schwerer Gegenstand auf den ungeschützten Fuß fällt oder Lärm zu einem Hörschaden führt.

Nun werden bei einem vernünftigen Verhältnis zueinander im Betrieb mögliche Mängel angesprochen und eine Lösung gefunden, stellt die Unversehrtheit jedes Betriebsangehörigen doch ein Ziel aller Betroffenen dar. Möchte ein Mitarbeiter jedoch zielgerichtet das Arbeitsverhältnis stören, ja zerstören, können sich hier Ansätze finden lassen.

Sehr viel gravierender sind die möglichen Ansprüche Dritter gegenüber dem installierenden Handwerker. Hiervon sind auch Risiken betroffen, die abgesichert erscheinen. Vor allem wenn es zu Unfällen kommt, prüft der Versicherungsträger nach, inwieweit der Fürsorgepflicht nachgekommen wurde. Trug ein Arbeitnehmer keine Schutzkleidung, arbeitete länger als gesetzlich zulässig, bediente eine Maschine ohne Einweisung oder fuhr einen Firmenwagen, ohne dass der Führerschein kontrolliert wurde, kann es teuer werden, richtig teuer.

Wird bspw. der betroffene Mitarbeiter oder ein Dritter berufsunfähig, im schlimmsten Fall sogar tödlich verletzt, sind siebenstellige Schadenssummen keine Seltenheit. Diese Kosten muss der Firmeninhaber tragen.

Reduktion der Risiken

Die oben aufgeführten, vielfältigen, in ganz unterschiedlichen Feldern existierenden Fürsorgepflichten verlangen Kenntnisse des jeweiligen Sachgebietes, welche laufend aktuell gehalten werden. Damit ist im Prinzip jeder installierende Handwerker überfordert, zumindest solange er sich noch seine eigentliche, berufliche Tätigkeit ausführen möchte.

Dem Gesetzgeber ist bewusst, dass spezielle Aufgaben nur Fachpersonen wahrnehmen können. So sind Sicherheitsbeauftragte oder Datenschutzbeauftragte zu bestimmen, ein Betriebsarzt erforderlich, ein Brandschutzbeauftragter ist notwendig, sobald eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitern überschritten wird.

Zwar gibt es keine systematische Erfassung – weder der Vorschriften, noch der zu berufenen Funktionsträger, noch der die Fürsorge gegenüber den Mitarbeitern betreffenden Gesetze –, gewisse Möglichkeiten die Risiken zu reduzieren existieren dennoch.

Pragmatische Wahrnehmung: Sich um den anderen kümmern, wenn es notwendig erscheint. Ein Mitarbeiter ist nicht der beste Kumpel, muss dies nicht sein, vergleichbar mit diesem sollte jedoch eine Ansprache erfolgen, wenn sich dieser in Gefahr bringt, bewusst oder unbewusst. Dabei ist darauf zu verweisen, dass eben nicht nur der Betroffene das Risiko trägt, wenn etwas schiefgeht, sondern immer auch sein Arbeitgeber, zumindest finanziell.

Delegation der Verantwortung: Jeder Unternehmer hat seine Stärken und Schwächen, konzentriert sich auf bestimmte Aufgaben und überlässt andere seinen Mitarbeitern oder externen Dienstleistern. Entsprechend gilt es, bestimmte Teilbereiche der Fürsorgepflicht zu delegieren. Delegation beinhaltet Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung. Nur wenn diese drei Faktoren gegeben sind, ist eine Delegation wirksam. Dabei muss der Betroffene immer die Möglichkeit haben, sich regelmäßig weiterzubilden, die notwendige Arbeitszeit zur Verfügung gestellt zu bekommen, als auch darauf hinzuweisen, dass externe Unterstützung sinnvoll, ja notwendig ist und bspw. eine bestimmte Position bekleidet werden muss.

Nachfragen: Ob Berufsverbände, Innung oder Kammern, vielleicht auch nur der Berufskollege aus dem Nachbarort, viele kennen die darstellten Herausforderungen und haben pragmatische Lösungen gefunden, können aber auch darauf hinweisen, wo Handeln erforderlich ist, der betroffene Unternehmen nicht umhin kommt, Geld in die Hand zu nehmen. Ebenso können die verantwortlichen Behörden angesprochen werden, welche sich in der Praxis oft als flexibler und hilfsbereiter als befürchtet erweisen.

Informieren: Last but not least lassen sich aus der Lektüre von Fachzeitungen und -büchern Informationen erhalten, die die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers thematisieren, wie der vorliegende Betrag in der KKA.

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