Selten zu früh, aber fast immer zu spät

Das Dilemma mit der Nachfolgeregelung

Im ersten Teil dieser Beitragsserie wird der Ursache für die vielerorts vorherrschende Tatenlosigkeit bei der Regelung der Unternehmensnachfolge im Handwerk auf den Grund gegangen. Zudem wird erläutert, wie man von der Lethargie hin zum aktiven Handeln im Generationswechsel kommt.

Trotz der Sensibilisierung für das Thema der Nachfolgeregelung hat sich an den eingespielten Verhaltensmustern wenig geändert. Nach wie vor wird die Notwendigkeit, sich rechtzeitig und gezielt mit der Regelung der Nachfolge in Kälte-/Klima-Fachbetrieben auseinanderzusetzen, weitestgehend ignoriert.

Die langjährigen Bemühungen seitens der Familie, man möge auch noch etwas von der knappen Zeit mit seinen Lieben verbringen, haben nicht immer genügend Zugkraft. Lieber überlässt man Krankheit oder Tod die Verantwortung für den Generationswechsel im Unternehmen. Sollen dann doch die Hinterbliebenen und Mitarbeiter sehen, was sie mit dem Unternehmen machen wollen – zur Not kann man ja endgültig den Laden schließen.

Das Dilemma

Es ist selbstverständlich, dass die Regelung der eigenen Nachfolge ein unbequemes Thema ist. Schließlich reden wir hier nicht selten über das eigene Lebenswerk, welches dem eigenen Dasein so viel Halt und Sinn gegeben hat. Besonders quälend für die Unternehmer ist die Frage nach dem „danach“. „Was wird aus meinem Unternehmen, wenn ich nicht mehr am Ruder bin?“Und vor allem – „Was wird aus mir?“

Die permanente Belastung durch den Betriebsalltag und die Tatsache, dass man verständlicherweise das Thema Nachfolgeregelung nicht in der Meisterlichkeit wie das eigene Handwerk beherrscht, tun das Übrige. Unentschlossenheit und tatenloses Zusehen sind die Ursache, warum viele Nachfolgeregelungen scheitern, im Sande verlaufen oder erst gar nicht begonnen werden. Doch wie kommt man raus aus der lethargischen Tatenlosigkeit?

Verantwortung übernehmen

Fakt ist: Genauso wie man beim Start der Unternehmung und dem laufenden Betrieb die Verantwortung übernommen hat, so ist es auch die Pflicht jedes Unternehmers, die Weichen für die Zeit nach ihm so zu stellen, dass sein Lebenswerk bestmöglich fortgeführt werden kann. Es darf keine Option sein, die Familie, Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Perspektiven schaffen

Es müssen also erstrebenswerte Perspektiven her: Eine für den Unternehmer und eine für das Unternehmen. Im Prinzip ist die Regelung der Nachfolge eine ähnliche Situation wie die Gründung eines Unternehmens oder dessen Übernahme. Es ist irgendwie alles neu, aufregend und unsicher. Es gibt eine klare Vorstellung von den Unternehmenszielen und Visionen sowie von dem, was in der Zukunft passieren soll. Und das treibt den Unternehmer voller Tatendrang voran.

Bei der Nachfolgeregelung fehlt dieser letztere Part leider oft, da für die Zeit nach dem Geschäftsleben kein Unternehmen mehr da ist sowie keine wirklich erkennbare Perspektive vorliegt. Das macht auf der einen Seite natürlich Angst und ist darüber hinaus auch noch sehr schade, denn der vorausliegende Lebensabschnitt ist nicht minder spannend als der zurückliegende.

Die Perspektiven für den

Unternehmer – die drei Leitfragen

Eins sei schon vorweggesagt – die Perspektive, den Garten auf Vordermann zu bringen, ist zwar auch schön, fordert aber höchstens ein paar Monate. Dann bleibt da nämlich auch nichts mehr zu tun. Die Suche nach erstrebenswerten Perspektiven für den Unternehmer nach der Geschäftsübergabe geht hier schon deutlich tiefer. Neben einem Zettel und einem Stift braucht man dafür eigentlich nur die Bereitschaft, für die Suche entsprechend Zeit zum Nachdenken sowie zum Aufschreiben zu investieren – mehr ist nicht nötig. Als Leitfaden für die Suche kann man sich zudem auch drei Fragen zu Nutze machen:

1. Was will ich in Zukunft nach dem Geschäftsleben tun, lernen und sein?

2. Mit wem will ich meine Zeit verbringen?

3. Wie sollen die Menschen, die mir wichtig sind, mich irgendwann einmal in Erinnerung behalten?

Das Ergebnis dieser Suche und die jeweilige Antwort auf die drei Leitfragen ist von Unternehmer zu Unternehmer immer völlig unterschiedlich sowie höchst individuell. Der Eine möchte eine lange Weltreise mit der lieben Frau machen – der Andere möchte die Enkelkinder ab sofort täglich zur Schule bringen oder sich mehr in der Gemeinde engagieren. Wichtig ist nur, dass man ehrlich zu sich und seinen Lieben ist. Dazu benötigt man etwas Mut, die neue Zukunft zu gestalten und mit Leben zu füllen. Mit Hilfe von Familie und Freunden ergibt sich aber vieles von alleine.

Und für alle, die es nicht ganz sein lassen können: Es ist natürlich auch möglich, noch Teil des abgegebenen Unternehmens zu bleiben. Hier aber bitte immer mit gebremstem Schaum und mit klarer Kompetenzregelung mit dem neuen Inhaber bzw. Geschäftsführer, um von vorneherein Konfliktpotential zu vermeiden. Es sind jetzt auch mal Andere dran.

Die Perspektiven für das

Unternehmen

Aus den bekannten Zweifeln an den nachfolgenden Generationen und aus dem Glauben heraus, dass es wohl kaum Jemanden gibt, der das Unternehmen mindestens genauso gut führen kann wie man selbst, scheint das Lebenswerk schon vor dem bevorstehenden Generationswechsel dem Untergang geweiht.

Perspektive: Wenn schon Untergang – dann bis zum bitteren Ende dabei sein.

Durch diese vorherrschende Perspektive für das Unternehmen wird die Angst vor dem Loslassen des Unternehmers und die Zweifel an dem Fortbestand des Betriebes allgegenwärtig. Diese Muster gilt es zu durchbrechen.

Zunächst einmal muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die nachfolgende Generation im Betrieb anderen Herausforderungen gegenüberstehen wird als die derzeitige Unternehmergeneration. Wir bewegen uns in einer sich immer schneller wandelnden Welt, die täglich digitaler, vernetzter und komplexer wird – das gilt auch für das Handwerk. Und um diese neuen Herausforderungen, zu den bestehenden Aufgaben, auch noch erfolgreich zu meistern, bedarf es in Zukunft Unternehmertypen, die einfach anders ticken als die jetzigen.

Daher sind Eitelkeiten und Vorurteile eher Hemmschuhe und sollten mal bewusst bei Seite gelassen werden. Erst dann hat man einen klaren Blick auf die mögliche Zukunft des Unternehmens.

Am besten werden hierfür wieder Zettel und Stift gezückt. Im Gedanken davon ausgehend, dass man bereits eine optimale Nachfolgeregelung geschaffen hat, kann man dann positiv seine Fantasie spielen lassen. Beispielsweise führt der neue Inhaber das Unternehmen im Sinne des Vorgängers weiter. Viel besser noch: Es kommen immer mehr neue Kunden dazu. Dadurch wächst der Mitarbeiterstamm auf ein Ausmaß, dass man sich nie erträumt hätte. Und das alles unter dem ursprünglichen Namen des Vorgängers. Klasse!

Solche „Tagträume“ helfen, sich richtig und vor allem positiv auf das Thema der eigenen Nachfolge einzustellen. Die Pessimisten unter uns bevorzugen für die Motivation aber vielleicht auch die Option, sich lebhaft vorzustellen, was alles passieren kann, wenn die Nachfolge NICHT geregelt wird. Beispielsweise steht die Familie auf einmal vor vollendeten Tatsachen nach Krankheit oder Tod des jetzigen Unternehmers, langjährige Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz, Kunden gehen verloren und die über Jahre glanzvolle Unternehmensgeschichte endet mit einem Schild an der Tür mit der Aufschrift „Wegen Geschäftsaufgabe geschlossen“.

Wie geht es jetzt weiter?

Wenn man von sich ehrlich behaupten kann, Klarheit in seiner eigenen und in der Perspektive für den Betrieb zu haben, ist schon ein großer Schritt in Richtung Nachfolgeregelung genommen. Jetzt kann es richtig los gehen.

Wie in unserem zweiten Teil dieser Serie zu lesen sein wird, geht es im nächsten Schritt nicht – wie häufig angenommen – um rechtliche und steuerliche Themen. Damit setzt man sich zum Glück erst auseinander, wenn man sich bereits auf der Zielgraden befindet.

Dafür müssen im Vorfeld aber noch einige andere Hürden genommen werden. Das Schöne ist: Wie auch das Handwerk des Unternehmers die Probleme seiner Kunden löst, gibt es für die ungewohnte Herausforderung der Nachfolgeregelung auch die Unterstützung von Profis. Daher möchten wir Ihnen im nächsten Artikel einen Einblick über die drei essentiellen Fragestellungen aus der Praxis der Nachfolgeregelung aufzeigen, auf die es nach der Festlegung der Perspektiven am meisten ankommt:

1. Was wird eigentlich übergeben und welchen Wert hat das?

2. Welche Nachfolgeoptionen gibt es und welche ist die individuell Richtige?

3. In welchem realistischen Zeitrahmen wird die Nachfolge geregelt?

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