„Wir müssen reden“
Teil 3: Kommunikation ist alles
Kommunikation, vor allem die innerhalb einer Organisation, ist ein immer mehr in den Fokus gerücktes Thema – die Erwartungen der Mitarbeitenden in Bezug auf Transparenz, Frequenz und Rechtzeitigkeit sind gestiegen. Ein gemeinsames Verständnis für die genannten Bereiche gilt es ebenso zu definieren, wie deren anschließende konsequente Einhaltung durch organisatorische Anpassungen.
Niklas Luhman, deutscher Soziologe und Gesellschaftstheoretiker sowie wichtigster deutschsprachiger Vertreter der soziologischen Systemtheorie und Soziokybernetik macht uns ein übersichtliches Angebot: „Die Kommunikation hat keinen eigenen Zweck. (…) Sie geschieht, oder geschieht nicht. Das ist alles, was man dazu sagen kann.“ So wenig komplex und daher verlockend präzise die Reduktion auch erscheinen mag: Die tägliche Herausforderung mit dem eigenen Kommunikationsverhalten und dessen Wirkung auf andere, sowie das der anderen auf einen selbst spricht eher gegen diese einfache Darstellung. Die Betrachtung von Paul Watzlawick, österreichischer Philosoph, Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler, geht hingegen etwas tiefer: Er formulierte unterschiedliche Thesen zur zwischenmenschlichen Kommunikation. Drei dieser Postulate verdienen eine nähere Betrachtung:
1. „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Jede Kommunikation (nicht nur verbal) ist Verhalten, und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren. Praktisches Beispiel: Eine Frau im Wartezimmer eines Arztes, die die ganze Zeit nur auf den Boden starrt. Zunächst könnte man annehmen, sie würde nicht kommunizieren. Dennoch tut sie es, indem sie den anderen Wartenden nonverbal mitteilt, dass sie keinerlei Kontakt möchte.
2. „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.“ Der Inhaltsaspekt hat die Aufgabe, Informationen zu vermitteln. Der Beziehungsaspekt gibt Aufschluss darüber, wie die Beziehung vom Empfänger aufgefasst wird. Bezüglich der Übertragung auf die Kommunikationssituation lässt sich sagen, dass es keine rein informative Kommunikation gibt. Jede Äußerung enthält eine Beziehungsaussage. Praktisches Beispiel: „Sie haben aber eine schöne Perlenkette. Ist die echt?“
3. „Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung.“ Praktisches Beispiel: Eine Ehefrau beschwert sich, ihr Mann würde sich ständig zurückziehen. Der Mann jedoch weist darauf hin, dass er sich nur zurückziehe, weil seine Frau ständig an ihm herumnörgelt. Die Frau nörgelt also und der Mann zieht sich zurück. Weil er sich zurückzieht, nörgelt sie. Ein Teufelskreis, der selbstverständlich auch mit vertauschten Rollen oder anderen in einer zwischenmenschlichen Beziehung stehenden Personen stattfinden kann.
Als Anmerkung zur ersten der drei Thesen soll nicht unerwähnt bleiben, dass die nonverbale Kommunikation weitaus mehr Einfluss auf die zwischenmenschliche Kommunikation hat als die rein verbale Kommunikation. Experten gehen davon aus, dass bis zu 90% der nonverbalen Signale (Gestik, Mimik, Tonfall, Stimme, etc.) auf die Kommunikation wirkt.
Kommunikationsleistung = Potenzial - Störung
Bedeutung und Potenzial von Kommunikation und deren Leistung rückt vor allem dann verstärkt ins Bewusstsein, wenn sie nicht, zu wenig oder unpräzise stattfindet. Die gefühlte Zunahme an Komplexität in allen Lebensbereichen sowie die Anzahl der Kanäle zum Senden und Empfangen von Botschaften und Inhalten machen eine intensivere Beschäftigung mit diesem Thema erforderlich. Politische, wie gesellschaftliche Ereignisse der letzten Monate, deren Ausgang und Bewertung kritische Betrachtung erfahren musste, hatten selten mangelnde fachliche Kompetenz der handelnden Personen als Ursache, sondern mangelndes Kommunikationsverhalten. Als Beispiel hierfür seien die Posse rund um das Gebäude-Energiegesetz (GEG), wie auch diverse Trennungen von Fußballtrainern genannt. Der mediale Vorwurf „gegen das Volk zu regieren“ bzw. „die Mannschaft und Kabine verloren zu haben“ basieren meist auf einer zwar erwarteten, jedoch nicht erhaltenen Kommunikationsleistung.
Zu reden und zu schreiben gibt es genug, an Themen mangelt es nicht. Kommunikationskanäle und deren nahezu ständige Abrufbarkeit sind ebenso vorhanden, wie eine gemeinsame Sprache. Die Störungen, die dieses Potenzial erfährt und damit die Kommunikationsleistung schwächt, speisen sich interessanterweise aus denselben Faktoren: Es gibt zu viele komplexe Themen, die Anzahl der Kanäle wächst, deren Anwendungsauswahl bleibt dabei jedoch gleichzeitig jedem selbst überlassen. Die gemeinsame Sprache schafft leider nicht immer ein gemeinsames Verständnis, da Erklärungen, vor allem im gesprochenen Wort, mangels anderer Prioritäten („keine Zeit“) zu kurz kommen.
Kommunikation und Information sind nicht dasselbe!
Damit Kommunikation sich nicht ihren eigenen Weg bahnt und meist aufwändig nachträgliche Korrektur sowie Kanalisation in Form von Dementis, Richtigstellungen und im Extremfall Entschuldigungen erfordert, ist deren Kontrolle erforderlich. Innerhalb einer Organisation ist diese Verantwortung klar an eine Person oder einen definierten Personenkreis zu übertragen. Andernfalls können ungewollt Medien, Flurfunk oder auch Kunden sich verselbständigende und nur wieder schwer einzufangende Inhalte im relevanten Umfeld platzieren und damit die Kommunikation übernehmen. Die Abgabe der Kommunikationshoheit gilt es also zu verhindern, was wiederum zusätzliche Ressourcen und damit Fokussierung erfordert. Eine Abgrenzung von rein informativen Inhalten ist daher hilfreich.
Während sich die Information meist erklärend mit dem Wie und dem Was eines Sachverhaltes beschäftigt, sollte sich die Kommunikation inhaltlich auf das Warum fokussieren und damit von reiner Information abgrenzen. Das erzeugt beim Verfassen meist mehr Aufwand, jedoch machen es die Themen durchaus erforderlich. Im Gegensatz dazu ist Information zwar keinesfalls weniger relevant und wichtig, in der Inhaltsstruktur nur eben eher beschreibend, faktenbasiert und dies meist zu Themen, die als Tatsache vollendet sind. Im Gegensatz dazu kann Kommunikation begleiten, bloße Ideen als Inhalt haben, aber natürlich auch Fakten mitteilen, die jedoch mehr Erläuterung bedürfen. Typische Inhalte für Information können technische oder organisatorische Veränderungen innerhalb der eigenen Organisation, der Lieferanten und auch Kunden sein, zum Beispiel personelle Zu- und Abgänge, Anpassungen von technischen Daten, Regeln und Gesetzen.
Kommunikation hingegen kann ankündigend vermitteln, schafft unterstützende Bereitschaft für kommende Veränderungen, indem es die Notwendigkeiten erklärt. Beispiele hierfür sind der Eintritt in neue Geschäftsfelder (oder auch den Rückzug aus bestehenden), Firmenzukäufe oder Verkäufe, strategische Neuausrichtungen (oder zumindest Anpassungen), sowie Firmenübergaben und Nachfolgeregelungen.
Diese unterschiedlich inhaltlichen Ausrichtungen sollten sich in der jeweiligen Wahl des Kommunikationskanals ebenso widerspiegeln, wie in der Definition des relevanten Empfängerkreises. Gemeinsamkeiten bestehen darin, dass die positive Wirkung und damit der Erfolg zielgerichtet verfasster Kommunikations- als auch Informationsinhalte auf drei Prinzipien basiert:
Verfasser und Sender sollte(n) sich immer kritisch hinterfragen: Wer muss wirklich was, wann wissen?
Verfasser, Sender und Empfänger sollten Respekt vor der dem anderen zur Verfügung stehenden Zeit und damit Akzeptanz von Reaktionszeiten bei und für Nachfragen haben.
Disziplin bei der Einhaltung vereinbarter Regeln als auch Konsequenzen bei Verstoß vorleben als auch einfordern (größte Herausforderung, gilt für alle).
Bemerkenswert ist im Vergleich zwischen Kommunikation und Information wiederum der Unterschied, dass Mitarbeitende als auch Führungskräfte eher über zu viel Information klagen, die es zu verarbeiten gilt; selten gibt es hingegen kritische Anmerkungen bezüglich eines zu ausführlichen Kommunikationsverhaltens innerhalb einer Organisation. Die naheliegende Vermutung: Gelungen verfasste und vermittelte Kommunikation kann es nicht genug geben, während zu viel Information sich häufig kontraproduktiv auf das eigentliche Ziel der Inhaltsvermittlung auswirkt: Die Botschaft erreicht aufgrund der zu hohen Frequenz als auch Komplexität die relevanten Empfänger nur noch unzureichend. Wohl dosierte und damit weniger Information fördert zudem das Nachfragen, Interesse, Neugier und damit das Kommunikationsverhalten untereinander.
Wahrnehmung und Interpretation
Das menschliche Gehirn und seine Sinne nehmen nicht nur wahr, sie interpretieren auch, was immer wieder zu unterschiedlichen Einschätzungen, Meinungen und damit potenziellen Konflikten führen kann. Wahrnehmung beschreibt Dinge neutral wie sie sind und stellt dabei die grundlegenden Fragen „Was sehe, was höre, was rieche und was spüre ich?“ Das Wesen der Interpretation analysiert, diagnostiziert, stellt Vermutungen an, fällt Urteile, schlussfolgert und bewertet letztendlich. Die Interpretation beschreibt dabei, welche Bedeutung den Dingen gegeben wird, und beschäftigt sich mit den Fragen: „Was heißt das (für mich)?“ „Was bedeutet das?“ „Wie ordne ich das ein?“ Ein Zitat aus dem Talmud bringt es auf den Punkt: „Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind, sondern wie wir sind.“
Zusammenfassung und Fazit
Kommunikation ist eine Frage der Haltung: Haltung zu Kommunikations- und Informationskanälen, Wahrnehmung und Interpretation sowie Zeitmanagement, Geschwindigkeit und Prioritäten.
Kommunikation ist alles. Alles ist Kommunikation. Ohne Kommunikation ist alles nichts.
Es gibt ausreichend Kommunikationskanäle, Bedienungsanleitungen hierfür gibt es nicht.
Wahrnehmung stellt fest, Interpretation erzeugt Gefühl. Gefühle machen den Unterschied!
Weniger Information erzeugt mehr Kommunikation. Nachfragen ausdrücklich erwünscht!
Gerade im Bereich moderne Führung und intrinsische Motivation von Mitarbeitenden gilt gelungene Kommunikation als eines der wichtigsten Elemente. Moderne Führung dreht sich unter anderem um Individualität, Reagieren und Eingehen auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Durch stimmige Kommunikation, die erklärt und den nonverbalen Aspekt nicht vernachlässigt, kann dies erreicht werden. Was den Mitarbeitenden intrinsisch motiviert, kann nur durch direkte Kommunikation in Erfahrung gebracht werden, um so mögliche Maßnahmen zu entwickeln.
Die Autoren: Schöner&Schöner
Katrin Schöner:
• Diplom Betriebswirtin und BA. Sc. Psychologie
• Zertifizierter Systemischer Business Coach und Trainer für Klärung und Strukturierung von Rollen und Aufgaben, Begleitung von grundlegenden Entscheidungsprozessen und Moderation von Konfliktsituationen; Change-Management
• 18jährige Berufserfahrung, überwiegend im Bereich Vertrieb und Marketing für die IT-, Automobil- und Finanzdienstleistungsbranche
• Expertisen im Bereich internationale Marken-, CI-, Kommunikationsstrategie (Online, Offline) und Kundenzufriedenheitsstudien; Internationale Zusammenarbeit und Projektmanagement
Bernhard Schöner:
• Kommunikationswirt (BAW)
• Über 25Jährige Berufserfahrung mit Schwerpunkt Marketing und Kommunikation u.a. für die Branchen Maschinenbau, Automobil, IT, TGA
• Expertise im Bereich Markenführung, Kommunikationsstrategie, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Mitarbeiterführung und Personalentwicklung, Moderation von Fachveranstaltungen, Entwicklung von Kreativkonzepten und Umsetzungsideen im Bereich interne und externe Kommunikation, Projektsteuerung, Budgeterstellung- und Verantwortung