Kaltwasser-Verbundanlage im Stahlwerk
F-Gas-freie Klimaanlage zur Klimatisierung von Leitwarten und Messständen
Durch Erweiterungen der Produktionskapazitäten bestand im Jahr 2016 im Bereich einer neu errichten Kaltwalzstraße für Edelstahlbleche in einem Stahlwerk im Ruhrgebiet ein erhöhter Bedarf an Klimatisierung. Die unterschiedlichen Anwendungen gingen von Humanklima für menschliche Aufenthaltsbereiche über Maschinenkühlung bis zur Permanent-Klimatisierung von Schalthäusern. Statt der ursprünglich geplanten R410A-Anlage bekam letztlich ein Konzept mit einem Propan-Flüssigkeitskühlsatz den Zuschlag.
Die Anforderungen sahen eine besondere Korrosionsbeständig gegenüber den in einem Stahlwerk vorhandenen Atmosphären, Verschmutzungen und hohen Temperaturen vor. Diese erschwerten Betriebsbedingungen innerhalb der Werkshallen stellten den Einsatz von Standard-Klimageräten in Frage. Eine weitere Anforderung war, dass die neu zu errichtende Anlage im Betrieb einfach durch weitere Verbraucher zu erweitern sein sollte, da sich die Anforderung an die Klimatisierung laufend ändern können.
Ursprüngliche Planung
Der Betreiberfirma lag zunächst ein Angebot vor, das mit 50 Standard-Klimageräten die Klimatisierung der Schalthäuser, Leitwarten und Messständen jeweils lokal mit Anlagen in klassischer Splitbauweise vorsah. Die Aufstellung der Außenteile sollte oberhalb der Verbraucher innerhalb der Halle erfolgen, um die Rohrwege und damit die Füllmengen gering zu halten. Die im Stahlwerk ansässige, interne Kälte- und Klimaabteilung, die für Instandhaltung und Reparaturen verantwortlich ist, sah diese Konzeption jedoch grundsätzlich für die Anwendungen und Aufstellungsorte als problematisch an. Die Vergabe wurde in der Angebotsphase mit folgenden Argumenten angehalten:
Standard-Klimageräte sind für die an den vorgesehenen Aufstellungsorten herrschenden Atmosphären nicht ausreichend korrosionsbeständig.
Standard-Klimageräte schalten bei zu hohen Umgebungstemperaturen automatisch ab, was innerhalb der Halle zu erwartenden 45 °C im Sommer problematisch werden könnte.
Die Luft innerhalb von Stahlwerken ist sehr partikelhaltig. Die Filter der Innenteile und die Lamellenpakete der Außenteile, die nur über sehr kleine Lamellenabständen verfügen, würden sich schnell zusetzen, was den Betrieb zusätzlich erschweren würde.
Kaltwalzstraßen können nicht einfach angehalten werden. Ein Produktionsstopp aufgrund von mangelnder Kühlung der Schalthäuser ist auf jeden Fall zu vermeiden.
Trotz der kurzen Rohrwege war mit einer Füllmenge von ca. 400 kg R410A zu rechnen.
Besonders die Verfügbarkeit der Betriebsstoffe war dem Betreiber, insbesondere der internen Kälte- und Klimaabteilung, wichtig, da am Standort im Anlagenbestand bedingt durch die Korrosionsproblematik ständig Probleme mit Undichtigkeiten auftreten können.
Kältemittelsituation im Jahre 2016
Aufgrund der zu erwartenden Verknappung von durch die F-Gas-Verordnung geregelten Stoffen wurde von der internen Kälte- und Klimaabteilung der Vorschlag gemacht, das Projekt mit natürlichen Betriebsstoffen zu realisieren. Der Betreiber willigte schnell in die ausschließliche Verwendung von natürlichen Kältemitteln ein. Hier spielten von der Betreiberseite, insbesondere von der Kälte- und Klimaabteilung, gemachte negative Erfahrungen mit Undichtigkeiten, die aufgrund der Vielzahl der auf dem Werksgelände installierten Kälte- und Klimaanlagen auftreten, eine entscheidende Rolle bei der Vergabe des Auftrages.
Die Verantwortung für die Durchführung des Baus der Kaltwalzstraße lag bei einer internen Bauabteilung, die im Dialog mit der Kälte- und Klimaabteilung die zwingend notwendige Klimatisierung realisieren musste.
Schließlich wurde die in Duisburg ansässige CoolTool Technology GmbH mit der Planung bzw. Ausarbeitung eines F-Gas-freien Konzeptes beauftragt, das alle Anforderungen des Betreibers für die Klimatisierung der verschiedenen Schalthäuser, Leitwarten und Messstände erfüllen sollte. Da die Klimatechnik einen großen Einfluss auf die Betriebssicherheit der Kaltwalzstraße hat, wurde ein besonderes Augenmerk auf Redundanz, die Korrosionsbeständigkeit und langfristige Nutzung gelegt. Im Rahmen der Vorbetrachtungen wurden Alternativen wie freie Kühlung ebenfalls betrachtet und durchgerechnet.
Die Standard-Klimaanlagen innerhalb der Werkshallen konnten insgesamt nur als mittelfristige Lösung angesehen werden. Nicht nur die Verfügbarkeit der Betriebsstoffe ist ein klarer Vorteil, auch die errechnete Jahresarbeitszahl von 8,51 (R410A ca. 5) und der Energiebedarf von 120.000 kWh/a (R410A = 200.000 kWh/a) sprachen für die Lösung mit natürlichen Kältemitteln. Nach ersten Lösungsansätzen mit freier Kühlung und Simulation des jeweiligen Energiebedarfs der verschiedenen Ansätze wurde das F-Gas-freie Konzept mit einem R290-Flüssigkeitskühlsatz mit zwei redundanten Kreisläufen favorisiert, da hier die besten Resultate hinsichtlich des Verhältnisses Investitions- zu Betriebskosten, aber auch Betriebssicherheit zu erwarten waren.
Das bis März 2016 erstellte Leistungsverzeichnis wurde an verschiedene potentielle ausführende Firmen versendet. Nach Sichtung der Angebote fielen Investitions-Mehrkosten nicht an. Bedingt durch einen Gleichzeitigkeitsfaktor von 80 % konnte der Kälteerzeuger mit 376 kW Nennleistung realisiert werden. Damit waren die Investitionskosten für die F-Gas-freie Lösung zunächst nicht höher als für die ursprünglichen 50 DX-Anlagen mit R410A.
Förderfähigkeit durch das Bafa durch hohe Effizienz
Im Dialog mit der internen Kälte- und Klimaabteilung, dem Planer CoolTool Technology und der ausführenden Firma Kälte-Klima-Peters wurden anschließend einige technische Änderungen an der ursprünglichen Planung sowie einige sinnvolle Ergänzungen vorgenommen, um den Energiebedarf weiter zu senken und insbesondere die Betriebssicherheit zu erhöhen.
Erfreulich war für den Betreiber, dass die Anlage nach der 2016 geltenden Förderrichtlinie förderfähig war und er dafür nach Inbetriebnahme einen einmaligen Zuschuss von € 95.000,- erhielt.
Um das Potential zur Energiekostenreduzierung optimal zu nutzen, wurden folgende Punkte für Haupt- und Nebenaggregate konsequent umgesetzt:
Invertersteuerung aller Verdichter mit bis zu 70 Hz/kurzfristig 80 Hz
Invertersteuerung der EC-Motoren aller Luftkühlerlüfter und Verdampfer
Invertersteuerung der EC-Motoren der Verflüssigerlüfter
Einsatz von elektronisch geregelten Expansionsventilen
Einstellung Winterregelung der Verdichter auf 18 °C Verflüssigung
Umwälzpumpen mit Drehzahlregelung
hydraulischer Abgleich aller Verbraucher
Die Kälteerzeugung verfügt über vollständig drehzahlgeregelte Verdichter und kann im Teillastbetrieb die Verdampfungstemperatur gleitend anheben. Abrupte Schaltvorgänge, die die Regelung negativ beeinflussen, entfallen durch diese elegante Art des Verdichterantriebs. Ferner sind auch die Verflüssigerlüfter und alle Umwälzpumpen drehzahlgeregelt, womit die Leistungsaufnahme im vorherrschenden Teillastbetrieb deutlich gesenkt werden kann.
Die Installation der R290-Kälteerzeuger erfolgte in einem separaten Maschinencontainer auf dem Dach der Halle, die die neue, fast 400 m lange Kaltwalzstraße aufnimmt. Damit konnten, im Gegensatz zur Aufstellung im Inneren der Halle, die tiefen Außenlufttemperaturen im Winter zur Absenkung der Verflüssigungstemperatur genutzt werden. Die Kältekreisläufe sind vollständig hermetisiert und gelten als dauerhaft technisch dicht. Sie sind vom restlichen Bereich mit dem Pufferspeicher sowie den Pumpen räumlich getrennt aufgestellt.
Der im Bereich der Verdichter schwadendicht ausgeführte Maschinencontainer verfügt dennoch über eine einfache zusätzliche Absicherung, wie Gaswarnsensor und Belüftung. Lediglich innerhalb des Containers, der nur während Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten als ATEX-Zone 2 eingestuft wird, mussten einige wenige Bauteile einfache Auflagen erfüllen. Während des Normalbetriebes ist auch der Maschinenraum mit den Verdichtern keine ATEX-Zone.
Als Kälteträger wurde Wasser ohne den Zusatz von Frostschutz genommen. Durch die Anforderung einer Betriebszeit von 365 Tagen in Jahr und 24 Stunden am Tag für die Kaltwalzstraße ist eine permanente Wärmequelle vorhanden.
Das insgesamt 240 m umfassende Edelstahl-Rohrnetz mit industrieller Schäumung der Dämmung und Blechmantel zum Schutz vor äußeren Beschädigungen wurde auf dem Hallendach im Freien installiert. Alle Endbereiche des Rohrnetzes wurden mit Überstromventilen ausgestattet, damit keine Totzonen in der Strömung im Rohrnetz entstehen können. Mehrere Abgänge gehen oberhalb der Schalthäuser, Leitwarten und Messstände durch Deckendurchbrüche in die Halle, die die neue Kaltwalzstraße aufnimmt. Die Anbindung der unterschiedlichen Verbraucher erfolgte mit gepressten Edelstahlrohren. Dadurch konnte auf die Ausführung von Löt- und Schweißarbeiten innerhalb des Gebäudes vollständig verzichtet werden. An mehreren Stellen wurden Blindflansche für schnelle, einfache, zukünftige Erweiterungen vorgesehen, die dadurch im Betrieb vorgenommen werden können. Ein als Hydraulische Weiche eingebundener Pufferspeicher und insbesondere die Verwendung von Primär- und Sekundärpumpen halten den Leistungsbedarf der Pumpen sehr gering.
Kompressionskälte mindestens so effizient wie freie Kühlung
Die Verdichter können, bei entsprechender Außentemperatur und Auslastung, die Verflüssigungstemperatur auf einen Wert von +18 °C absenken. Dies wird durch die Verwendung von elektronischen Expansionsventilen möglich, die auch bei geringen Druckdifferenzen noch präzise arbeiten können.
Die Arbeitszahl ist bei so tiefen Verflüssigungstemperaturen so hoch, dass sie die Effizienzwerte einer freien Kühlung erreicht. Freie Kühlung benötigt neben hohen Ventilatorleistungen auch hohe Pumpenleistungen für die Strömung im Rückkühler, um einen zuverlässigen Wärmeübergang von Luft auf das Medium Wasser zu gewährleisten. Die ausgeführte Anlage benötigt, bedingt durch die guten Wärmeübergänge von R290, insbesondere bei der Verflüssigung wesentlich kleinere Antriebsleistungen für die Ventilatoren im Verflüssiger.
Ein weiterer Vorteil von R290 ist, dass es als azeotropes Kältemittel keinen Temperatur-Glide aufweist. Somit ist die Regelung der Überhitzung, auch bei Teillast und bei wechselnden Betriebszuständen, vollkommen unproblematisch. Auch die Verdampfungstemperatur kann bei Teillast gleitend angehoben werden.
Durch die großzügige Dimensionierung aller Wärmeübertrager können alle notwendigen Leistungen sicher übertragen werden. Der COP für den reinen Kältemittelkreislauf kann dadurch, bei Außentemperaturen unter 14 °C, einen Wert von bis zu 16 erreichen. Dies wird noch durch das kurze Rohrnetz im Kälteerzeuger, die geringen Druckverluste kältemittelseitig, die elektronischen Expansionsventile und die guten Wärmeübertragungseigenschaften des natürlichen Kältemittels R290 unterstützt. Damit wäre eine freie Kühlung, bedingt durch die relativ niedrige Zieltemperatur in den zu kühlenden Räumen von 20 bis 22 °C, nur ein unnötiger Investitionspunkt und wurde so schon im Vorfeld verworfen. Ein weiterer Vorteil der durch eine Kompressionskälteanlage erzeugten Vorlauftemperatur von bis zu 6 °C ist die definierte Entfeuchtung der Luft. Damit lässt sich die vorgegebene relative Feuchte in den Schalthäusern und beim Humanklima über einen definierten Taupunkt in den Luftkühlern zuverlässig einhalten.
Bedingt durch die geregelten Ventilatoren und Pumpen wird für die Gesamtanlage inklusive aller Nebenaggregate eine Jahresarbeitszahl SEPR (Seasonal Energy Performance Ratio) von 8,51 erreicht. Nach der heute gültigen Eco-Design-Richtlinie wird für den Leistungsbereich und den Anwendungsfall ein MEPS-Wert (Minimum Efficiency Performance Standard) von 3,8 gefordert. Damit wurde die 2016 zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme noch nicht gültige Eco-Design-Richtlinie um mehr als die Hälfte übertroffen.
Monitoring-System
Durch die integrierten Monitoring- und Energie-Erfassungssysteme können alle Energieflüsse transparent aufgezeigt werden. Ferner können die für den Kunden wichtigen Benchmark-Zahlen einfach zur Verfügung gestellt werden. Evtl. Fehlfunktionen, die im Laufe der Jahre auftreten, können so schnell lokalisiert und behoben werden, bevor hohe und unnötige Energiekosten anfallen.
Als Sonderfunktion wurde in die SPS-Steuerung eine Siemens S7 – ein Online-Monitoring-Tool – integriert. Dieses kann in Echtzeit Leistungsmessung, Effizienzüberwachung und Darstellung aller relevanten Betriebspunkte wie COP, Verdichterwirkungsgrad, Verdichterliefergrad und ordnungsgemäße Unterkühlungen und Überhitzungen vornehmen. Diese können in Echtzeit in Messkurven aber auch im h,log p-Diagramm dargestellt werden. Die im System enthaltene Plausibilitäts-Überprüfung aller Prozesspunkte zeigt dem Wartungspersonal evtl. ungünstige Betriebspunkte auf.
Da sich alle relevanten und sensiblen Teile der Kälteerzeugung in den separaten Maschinencontainern befinden, ist ein Sicherstellen eines ordnungsgemäßen Betriebs einfach zu realisieren. Die bisherigen Erfahrungen des Betreibers, der am bisherigen Standort, aufgrund der Vielzahl der direkt verdampfenden Kältekreisläufe, permanent Probleme mit Kältemittelmangel und defekten Bauteilen hatte, sind seit der Inbetriebnahme nicht aufgetreten.
Die Anlage läuft seit der Inbetriebnahme störungsfrei. Dies ist auf durch die konsequente Ausführung der Anlage mit geregelten Pumpen, Ventilatoren und Verdichtern zurückzuführen. Die beiden Kältekreisläufe sind einfach aufgebaut. Es gibt durch die konstruktive Gestaltung keinerlei Probleme mit Ölrückführung oder mit lösbaren Verbindungen wie Bördelverschraubungen, die langfristig potentielle Undichtigkeiten darstellen.
Im Vergleich zu vielen anderen Anlagen ist das R290-System dicht und musste bislang nicht nachgefüllt werden. Das aktive Monitoring-System erlaubt, bevor Temperaturen ansteigen, evtl. Fehlerfunktionen durch Verschleiß oder Bauteildefekt zu erkennen und Reparaturen einzuleiten.
Technische Daten
AC-Stufe mit zwei R290-Kompressionskältekreisläufen
Kälteleistung AC:
376 kW
Max. Leistungsaufnahme AC:
2 x 65 kW,
Verdampfungstemperatur
to = +3 °C gleitend auf +6 °C im Teillastbereich,
Verflüssigungstemperatur
tc = 18 bis 42 °C
Kälteleistungszahl im
Auslegungspunkt
5,8 für R290 NK +3/+42 °C
Jahresarbeitszahl SEER
8,51 inkl. Nebenaggregate (MEPS = 3,8)
Verdichter AC:
2 x Bock „EX-HG7/2110-4S 3GHC“,
beide mit Inverter „FC-102P75“
Verflüssiger AC:
2 x Thermofin,
Verflüssigungsleistung Qc = 225 kW,
mittlere Temperaturdifferenz dtm = 7 K,
ausgestattet mit EC-Ventilatoren,
Energieeffizienzklasse B
Verdampfer AC:
Alfa Laval, Platten-Wärmeübertrager mit dtm = 6 K
Expansionsventile:
„E2V30BSM00“ von Carel für tiefe Verflüssigungstemperaturen im Winter und gleitende Verdampfungstemperatur
Primärpumpen:
KSB, mit auf den Druckverlust des Platten-Wärmeübertragers abgestimmtem Druck von 5 m/50 kPa
Rohrnetz:
Edelstahl mit exakt berechneten Rohrdimensionen für geringen Druckverlust, Hydraulische Weiche zur Trennung von Primär-/Sekundärkreis, hydraulischer Abgleich mittels dynamischen Volumenstromreglern von Caleffi oder geregelten Motor-Kugelventilen von Belimo über Siemens S7 (SPS)
Luftkühler AC:
Schalthäuser:12 x Güntner, 7 mm Lamellenabstand, große Lamellenfläche, geringer Druckverlust auf der Glykolseite und EC-Ventilatoren, die alle separat drehzahlgeregelt sind. Alle mindestens Energieeffizienzklasse B
Humanklima:
Carrier, Kaltwasser-Wandgeräte/ Deckenkassetten mit geringen Druckverlusten
Sekundärpumpen:
KSB, drehzahlgeregelt mit auf den Druckverlust des Rohrnetzes und der Luftkühler abgestimmtem Druckverlust von 14 m/140 kPa
Expansionsventile:
Carel, „E2V18B“ elektronisch