Mit sanftem Druck zur CO2-Anlage
Transkritische CO2-Booster-Anlage im Bio-Supermarkt
CO2-Anlagen gelten noch immer als hohe Stromverbraucher mit hohen, schwer beherrschbaren Drücken; CO2-Anlagen seien außerdem nur für Großanlagen geeignet und nur von großen Anlagenbauern realisierbar, so die gängigen Vorurteile. Das Beispiel des Bio-Supermarktes Biomichl in Weilheim zeigt aber ein ganz anderes Bild: Aus dem Wunsch eines Bio-Supermarkt-Betreibers, dem Engagement eines Anlagenbauers, der Planungsleistung eines Großhändlers und der Schulungsleistung eines Herstellers ist eine kleine transkritische CO2-Anlage entstanden, die in dieser Form wohl einzigartig ist.
Treibende Kraft hinter dem Projekt ist Michael Sendl, überzeugter Öko-Landwirt und Biomarkt Betreiber aus Weilheim: „Ich hatte mich im Vorfeld auf der Messe Euroshop über CO2-Kompakt-Anlagen informiert und meine Entscheidung stand schnell fest“, sagt Sendl. „Bei der Planung zum Neubau und zur Verdoppelung der Verkaufsfläche unseres Supermarktes kam für mich nur eine umweltfreundliche Anlage mit klimaneutralen Kältemitteln in Betracht, bei gleichzeitiger bester Ausschöpfung der entstehenden Abwärme durch Wärmerückgewinnung“, so Sendl weiter. „Jetzt musste ich nur noch meinen Anlagenbauer überreden, mir eine CO2-Anlage zu bauen.“
Grundlagen des Anlagenbaus und CO2-Besonderheiten
Realisiert wurde die Anlage von der Firma HeDu Kälte- und Klimatechnik, Dieter Hellinger und Sven Dunkelberg aus Weilheim, einem Klein-Betrieb, der den „sanften Druck“ seines Kunden aufgenommen und engagiert in eigenes Know-how umgesetzt hat. „Gemeinsam mit dem Großhändler Beijer Ref Deutschland und dem Hersteller SCM Frigo in Italien habe ich mich in die Aufgabe eingearbeitet. Im SCM-Testlabor in Italien habe ich in zwei sehr intensiven Tagen die CO2-Besonderheiten kennen- und damit umgehen gelernt“, so Dieter Hellinger. „Anfangs war ich durchaus skeptisch, ob wir dies leisten können.“ In der Hochphase des Anlagenbaus kamen zeitweise auch zwei zusätzliche freie Mitarbeiter zum Einsatz.
Individuelle Planung und Anpassung
Als Herausforderung beim Bau erwies sich der Übergang von Kühlung auf Wasser beim Gemüsekühlregal. Hier gibt es keine Standardlösungen und es musste eine individuelle Lösung ohne Verdampfer gefunden werden. Ebenso bei nicht für CO2 geeigneten Kühlmöbeln, die mangels herstellerseitigem Angebot nachträglich mit einem CO2-Verdampfer ausgerüstet werden mussten. Heute stellt Hellinger zufrieden fest: „Ich war erstaunt, wie einfach letztendlich die Installation war. Auch meine Vorurteile – wie z.B. hohe Drücke – kann ich heute getrost vergessen, denn bei der Installation waren keine TÜV-Schweißer nötig für Edelstahl, sondern die Verrohrung war mit regulärem K65-Kupferrohr möglich.“ Damit hielt sich der Montageaufwand in Grenzen. Die benötigten Komponenten sind Lagerware, die eingesetzten Regler kommen aus dem Standardsortiment und somit ist die zukünftige Ersatzteilbeschaffung problemlos. Klar ist, eine CO2-Anlage erfordert höheren Planungsaufwand. Für Klein-Betriebe ohne Planer springt hier der Großhändler mit ein; bei der Auslegung der Anlage, der Erstellung von Rohrleitungsschemata und Fließbildern: „So unterstützt, war für mich die Aufgabe gut zu bewältigen“, so Hellingers persönliches Fazit.
Steigende Nachfrage nach klimaneutralen Kälteanlagen
Eingebunden in ein durchdachtes Gesamt-Energiekonzept für den Neubau des Biomarktes (siehe Infokasten) versorgt die Anlage heute nicht nur zuverlässig 34 Kühlstellen, sondern gleichzeitig über die Abwärme den Markt selbst sowie die darüber liegenden 14 Wohnungen mit Brauchwasser und Heizung.
Laut Umweltbundesamt waren im deutschen Lebensmitteleinzelhandel in 2006 etwa 30.000 Kälteanlagen installiert, meist mit Direktverdampfer mit R134a oder R404A. Aber da sich bei Modernisierung oder Neubau immer mehr durchsetzt, den Supermarkt als energetisches Gesamtsystem zu betrachten, rücken Wärmerückgewinnungssysteme für Brauchwasser oder Heizung in den Vordergrund. Mit CO2-Anlagen erreicht man hier bis zu 90 °C. Vom Anlagenbetreiber kann zudem eine Förderung im Rahmen des vom Bundesumweltministeriums aufgelegten Klimaschutz-Impulsprogramms für gewerbliche Kälteanlagen beantragt werden. Durch die Novellierung der „Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen an Kälte- und Klimaanlagen“ zum 1. Oktober 2015 werden künftig auch Anlagen gefördert, die Kühlung und Heizung in einem integrieren Gerät oder System ermöglichen. Im Rahmen der Basisförderung sind die folgenden vier Anlagenklassen förderfähig:
·Kompressions-Kälteanlagen mit 5 bis 150 kW elektrischer Leistungsaufnahme,
·Kompressions-Klimaanlagen mit 10 bis 150 kW elektrischer Leistungsaufnahme,
·Sorptionsanlagen mit 5 bis 500 kW Kälteleistung und
·Anlagen mit 5 bis 150 kW elektrischer Leistungsaufnahme, die Kühlung und Heizung in einem integrieren Gerät oder System ermöglichen.
Stromeinsparungspotenziale und Abwärmenutzung
Bei der Modernisierung von Lebensmittelmärkten liegen nach Angaben des Umweltbundesamtes die Einsparungspotenziale (reine Stromeinsparung) bei gleicher Dienstleistung bei fast 50 %. Heute ist bereits üblich, den Supermarkt als energetisches Gesamtsystem zu betrachten. Dabei wird auch die bei der Kälteerzeugung entstehende Abwärme zur Brauchwassererwärmung oder Heizung des Gebäudes genutzt. Aktuelle Zahlen der Anlage in Weilheim zeigen, dass die Strom-Einsparung im individuellen Fall sogar noch wesentlich höher sein kann. So stieg der Strombedarf trotz einer Verdopplung der Brutto-Fläche nur um 20 %. „Bei der Planung des Neubaus haben wir unsere Brutto-Fläche von 600 m² auf 1200 m² erweitert. Unsere alte Anlage war gerade mal 13 Jahre alt. Was wir heute – nach einem Jahr Betrieb der neuen CO2-Anlage aber schon sehen: Unser Strombedarf ist nur um 20 % gestiegen. Und dabei betreiben wir in den neuen Räumen eine zusätzliche große Küche. Dabei haben wir bei dieser Rechnung den Warmwasserverkauf im Hause aus der Abwärme und die zusätzliche Küche noch gar nicht berücksichtigt“, freut sich Anlagenbetreiber Michael Sendl.
Fazit
CO2-Anlagen sind umweltfreundlich und die Nachfrage wird zukünftig steigen. Der Bau selbst ist keine Frage der Größe des Betriebs oder der Beherrschbarkeit, sondern primär eine Frage der Bereitschaft eines Anlagenbauers (oder des Drucks eines Kunden), sich Know-how anzueignen und sich grundlegend damit auseinanderzusetzen. Auch kleine Betriebe haben die Chance, gemeinsam mit dem Großhandel und dem Hersteller, sich CO2-Know-how anzueignen und erfolgreich besonders umweltfreundliche Anlagen zu bauen. Vor dem Hintergrund einer beschlossenen Verknappung bestimmter Kältemittel wird sich hier zukünftig der Weg zum natürlichen Kältemittel wie CO2 hin weiter verschieben.
Technische Daten der Anlage
Transkritische CO2-Anlage mit: MT 36 kW; Mitteltemperatur über zwei Kompressoren, die beide mit Frequenzumformer gesteuert werden
LT 9 kW; Tiefkühltemperatur über zwei Kompressoren, davon einer über Frequenzumformer gesteuert, der zweite wird bei Bedarf zugeschaltet
34 Kühlstellen
Besonderheiten: Wärmerückgewinnung über 2 x 1000 Liter Pufferspeicher mit integrierter Brauchwasserbereitung (bis 90 °C) und Heizung für Supermarkt und 14 Wohnungen
Winterbetrieb der Anlage über Gaskühler (regulärer Betrieb). Zur Steigerung der Effizienz wird im Sommerbetrieb das für die Klimatisierung benötigte Brunnenwasser parallel dazu geschaltet, um die Verflüssigung über Grundwasser zu realisieren.
Einstellungsmöglichkeiten der Zentralsteuerung
- Zentrale Steuerung an allen einzelnen Kühlraumreglern
- INT-Diagnose zum Auslesen der Verdichter-Daten
- Auslesen der Maschinendaten vom CO2-Booster - Automatisierte Stör-Weiterleitung über Mail an Betreiber und Anlagenbauer
- Ferneinwahlmöglichkeit für den Anlagenbauer
Biomichls individuelles Energiekonzept
Biomichl setzt auf ein komplettes ökologisches Energiekonzept (www.biomichl.de). Vom Bodenbelag aus Rapsöl mit Kreide, über die LED-Beleuchtung bis hin zur Schaffung eines natürlichen Raumklimas durch Brunnenwasser und zur Bereitstellung von Brauchwasser und Heizung, abgesichert mit einem Vertrag für die hausinterne Lieferung des Warmwassers. Auf 1200 m² Brutto Grundfläche inkl. Küche & Bistro, mit darüberliegenden 14 Wohnungen hat Biomichl seine ganz persönliche Vorstellung von nachhaltigem Bauen realisiert.
Wissenswertes für Anlagenbauer zum Bau von CO2-Anlagen
-Grundlegendes Anlagenbauer Know-how ergänzt durch besondere CO2-Kenntnisse sind erforderlich.
-CO2-Know-how kann sich jeder Anlagenbauer beim Hersteller oder dem Großhandel aneignen.
-Selbst für Ein-Mann-Betriebe mit grundsätzlicher Bereitschaft zur Weiterbildung problemlos erreichbar.
-Großhändler und Hersteller bieten spezielle Schulungsprogramme.
-Hersteller verfügen zum Teil über Testlabore, in denen Kälteanlagenbauer den Umgang mit CO2-Anlagen lernen können (Schulungen z.B. bei Bitzer / SCM Frigo sind für Beijer Ref-Kunden kostenlos).
-Der Großhändler ist insbesondere für kleine und mittlere Betriebe ohne eigene Planer erster Ansprechpartner bei Beratung, Auslegung und Planung.
-Verrohrung, Regler, Ventile usw. sind reguläre Lagerware.
-Ersatzteilversorgung problemlos.
-Kein TÜV-Schweißer erforderlich, da i.d.R. keine Edelstahlverrohrung notwendig.
-Verrohrung z.B. durch reguläres lötbares K65-Kupferrohr.
-CO2-Anlagen sind aufwendiger und teurer als klassische Verbundanlagen. Dafür ist die Anlage förderfähig und (wenn richtig geplant) besonders energieeffizient. Dies bedeutet mehr Umsatz mit einer Anlage.
Die CO2-Booster-Verbundanlage von SCM Frigo
Die Booster-Reihe „MWT DX + UMCE“ von SCM Frigo ist für Maschinenraumaufstellung gebaut, aber mit der Möglichkeit des Containertyps auch realisierbar für Außenaufstellung. Diese Verbunde können bis zu sechs transkritische Verdichter in Parallel-Verbund für Hochtemperatur und bis zu vier subkritische Verdichter in Parallel-Verbund für Tieftemperatur haben. Alle CO2-Booster-Verbundanlagen sind komplett mit elektrischen Schaltschrank und Mikroprozessor.
Gebaut für Maschinenraumaufstellung, bestehen sie aus:
• Offener Rahmen aus lackiertem, verzinktem Stahlblech
• Verdichter in Parallel-Verbund
• Inverter für MT-Verdichter
• Standard Druckwerte: PS HP 120 bar; PS MP 42 bar; PS LPMT 40 bar; PS LPLT 25 bar
• Optionale Druckwerte: PS HP 120 bar; PS MP 60 bar; PS LPMT 52 bar; PS LPLT 25 bar
• Gas-Kühler für NT-Einheiten
• Kontroll- und Sicherheitselemente
• Schaltschrank mit Mikroprozessor
Die Einheiten können mit Gaskühler und mit Wärmerückgewinnung System für MT geliefert werden.