Drastische Auswirkungen für die Kältebranche
Vorschlag für eine Verordnung über fluorierte Treibhausgase
Der „Vorschlag für eine Verordnung über fluorierte Treibhausgase“ des Europäischen Parlaments und des Rats vom 7. November 2012 ist für die Branchen, die F-Gase verwenden, von erheblicher Bedeutung. Auf die Kälte-, Klima- und Wärmepumpentechnik entfällt knapp 30 % der nationalen F-Gas-Verwendung in CO2-Äquivalenten – dieser Bereich wird daher mit besonderer Sorgfalt betrachtet. Um eine gemeinsame Marschroute zu dem genannten Vorschlag zu erarbeiten, luden DKV und IZW am 10. Januar 2013 Branchenvertreter nach Darmstadt.
Mit der gemeinsamen Veranstaltung in Darmstadt wollten DKV (Deutscher Kälte- und Klimatechnischer Verein) und IZW (Informationszentrum Wärmepumpen und Kältetechnik) dazu beitragen, den interessierten und betroffenen Kreisen die Möglichkeit zu geben, sich sachlich zu informieren und die möglichen Auswirkungen gemeinsam zu diskutieren. Trotz des sehr kurzfristig angesetzten Termins waren 66 Branchenvertreter erschienen. Sie erhielten von sieben Referenten einen detaillierten Einblick in den Vorschlag der Verordnung und die darin enthaltenen Fallstricke.
Leckageraten falsch berechnet
Jörn Schwarz (Ice-TeX) stellte in seinem Referat vor, dass die zur Abschätzung der direkten Kältemittelemissionen herangezogenen Modelle, die aber immer noch Grundlage vieler Rechenspiele sind, in vielen Bereichen falsche bzw. nicht mehr aktuelle Daten verwenden. Die von der Politik betrachteten Leckraten von Kälteanlagen würden auf einer Studie aus dem Jahr 1999 basieren, die von Emissionsraten in der Größenordnung von 10 % ausgingen. Die Ermittlung der Leckagemengen sei mathematisch nicht korrekt – tatsächlich lägen die Leckraten deutlich unter den verwendeten Werten. Jörn Schwarz rief daher dazu auf, dass eine Neuberechnung dringend erforderlich sei. Statt nur auf die direkten Emissionen zu schauen, betonte Jörn Schwarz, dass eine systematische Steigerung der Energieeffizienz, die Nutzung und Speicherung von Abwärme, die Integration von Smart Grids in KWK-Systeme, die Verwendung „anwendungsoptimaler“ Kältemittel sowie ein weitestgehender Verzicht auf das treibhauswirksamste Kältemittel R404A viel zielführender als eine rigorose Reglementierung der F-Gase seien, um die Umweltschutzziele zu erreichen.
Hersteller benötigen längere Entwicklungszeiten
Dr. Thomas Tomski, Emerson Climate Technologies, beleuchtete die Kältemittelsituation aus Sicht eines Verdichterherstellers. Emerson stellt weltweit ca. 10 Mio. Verdichter her. Bei solchen Mengen ist es verständlich, dass der Einsatz – vor allem der kurzfristige – eines neuen Kältemittels enorme Auswirkungen auf Entwicklung und Produktion hat. Es sei ein sehr aufwändiger Prozess erforderlich, damit im praktischen Einsatz keine Probleme entstünden. Schnellschüsse mit nicht ausreichend erprobten Kältemitteln und entsprechend nicht ausgereiften Produkten könne sich ein Hersteller nicht erlauben. Es sei eine ganzheitliche Betrachtung erforderlich, die neben Umweltgesichtspunkten auch Aspekte der Effizienz und der Sicherheit mit in Betracht ziehe. Neue Kältemittel, die die Industrie entwickelt habe, seien zum Großteil noch im Versuchsstadium. Erste Tests hätten zwar ergeben, dass sie z.T. als Ersatz für R404A verwendbar seien. Tomski stellte aber auch fest, dass dies nur für Neuanlagen gelte, die für die neuen Kältemittel konzipiert seien. In bestehenden Anlagen müsse man mit Effizienzverlusten rechnen. Grundsätzlich machte er aber deutlich, dass ein Phase-Down – also ein langsamer Ausstieg – aus der Verwendung von R404A bei Neuanlagen möglich sei, für Retrofit-Lösungen und im Servicefall bei Bestandsanlagen gäbe es aber noch Probleme mit den Alternativ-Kältemitteln. Natürliche Kältemittel seien in bestimmten Segmenten eine optimale Lösung, aber eben nicht in allen Einsatzbereichen. Die neuen HFO-Blends bezeichnete er als mögliche Option für die Zukunft – die Verfügbarkeit sowie die erforderlichen Komponenten seien zurzeit aber nicht absehbar.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Andrea Voigt, EPEE, durch die räumliche Nähe zu den Entscheidungsträgern in Brüssel bestens im Bilde, berichtete über die rechtlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen der F-Gase-Verordnung. Wann die überarbeitete Verordnung komme, hinge davon ab, wie schnell sich EU-Parlament und Rat einigen könnten, was und wann vom Vorschlag der Kommission umgesetzt werden könne. Wenn es zu einer zweiten oder gar dritten Verhandlungsrunde kommen sollte, könne es noch länger dauern. Derzeit gebe es regelmäßige Sitzungen, im Juni wolle der Rat ein Konzept stehen haben; die Plenarsitzung des Parlaments sei dann für September zu erwarten. Erst dann werde sich zeigen, ob die Meinungen des Rats und des Parlaments übereinkämen. Kernprinzip der überarbeiteten Verordnung sei ein sogenannter Phase-Down mit klaren Prozentangaben für den stufenweisen Ausstieg aus den F-Gasen. Flankiert werde dies durch klare Verbote für die Verwendung in bestimmten Anwendungen und andere Maßnahmen wie Trainings/Schulungen. Andrea Voigt bewertete die Absichten der Kommission prinzipiell als den richtigen Weg, die Umsetzung sei aber fragwürdig. Ein Phase-Down sei generell richtig und wichtig, allerdings sei er viel zu schnell bzw. zu steil angesetzt. Ein Service- und Wartungsverbot für bestimmte Kältemittel, wie in der Verordnung genannt, sei zudem extrem schwer umsetzbar. Ganz wichtig war Andrea Voigt darauf hinzuweisen, dass eine enge Zusammenarbeit mit den nationalen Verbänden erforderlich sei, um zu einer für alle (auch für die Umwelt) tragbaren Lösung zu kommen.
Unstimmigkeiten im Entwurf
Dr. Rainer Jacobs, IZW, stellte in seinem Vortrag weitere Aspekte des Kommissionsvorschlags vor und bewertete sie z.T. äußerst kritisch. Grundsätzlich machte er noch einmal deutlich, dass der Bereich des Periodensystems, aus dem man bei der Kreation von Kältemitteln schöpfen könne, begrenzt sei – es gebe nicht unendlich viele Alternativen. Wichtig war ihm zu betonen, dass man nicht Kältemittel mit höheren direkten GWP-Werten (Global Warming Potential) verteufeln dürfe, wenn die Alternativen aber durch die indirekten Emissionen aufgrund niedrigerer Energieeffizienz höher lägen. Hier müsse man genau hinschauen und entsprechend bewerten. Er wies in seinem Vortrag auf zahlreiche Unstimmigkeiten und Denkfehler im neuen Verordnungsvorschlag hin, verbunden mit der Hoffnung, dass sie nicht den Weg in die tatsächliche Verordnung fänden.
Ein Beispiel ist die Forderung nach Dichtheitskontrollen. Künftig sollen Dichtheitskontrollen und ihre bislang bekannten Prüfintervalle nicht mehr von der Kältemittel-Füllmenge, sondern von den sogenannten CO2-Äquivalenten abhängig gemacht werden. Ein Kilogramm Kältemittel mit hohem GWP hat dann mehr CO2-Äquivalente als ein Kältemittel mit niedrigem GWP. Durch die Umstellung auf CO2-Äquivalente muss mit erhöhten Kosten für den Endanwender gerechnet werden, da er jetzt in vielen Fällen jährlich prüfen lassen muss, obwohl er ein hermetisches System besitzt. Der Bestand ist hiervon betroffen und hier muss besonders auf die Wärmepumpen hingewiesen werden. Die zusätzlichen Kosten für eine Prüfung von jährlich rund 100 Euro machen dieses umweltfreundliche Heizsystem für den Verbraucher nicht unbedingt attraktiver – ein Punkt, der nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus umweltpolitischer Sicht zu überdenken sei. Hier sollte ein Bestandsschutz eingeführt werden, da der Verwender nur die Mengen in Kilogramm in seiner Anlage auf den Typenschildern erkennen könne – nicht aber CO2-Äquivalente.
Serviceverbot von Kältemitteln mit GWP >2500
Felix Flohr, Solvay Fluor GmbH, beleuchtete das Thema aus Sicht eines Kältemittel-Herstellers. Er stellte die verschiedenen Kältemitteltypen, ihre Verfügbarkeit und ihre Einsatzgrenzen vor. Scharf kritisierte er das geplante Serviceverbot von Kältemitteln mit einem GWP über 2500 ab dem Jahr 2020. Ein besonderer Knackpunkt ist dabei der Tieftemperaturbereich unter -55 °C. Das geplante Serviceverbot würde die Verwendung azeotroper A1-Kältemittel in der Tiefkälte ausschließen. Hierfür gebe es aber keine Alternative, so dass dies einem Verbot kältetechnischer Anwendungen unter -55 °C gleichkäme. Das Phase-Down-Szenario sei auch aus Sicht von Solvay zu ambitioniert, betonte Felix Flohr. Konkret ist geplant, dass die in den Markt gebrachten CO2-Äquivalente bis zum Jahr 2030 auf 21 % der Menge sinken sollen, die 2015 verwendet wurden. Auch die angedachten Verwendungsverbote sehe er kritisch, da sie bestimmte Technologien zementieren und kontraproduktiv seien, wenn es darum gehe neue Alternativen zu entwickeln.
Gefahr für die Verwendung von Wärmepumpen
Volker Weinmann, BWP, kritisierte das geplante Verbot von vorbefüllten Systemen. Aus Gründen der Sicherheit, Energieeffizienz, Leistungsfähigkeit und Umweltaspekten (Emissionsminderung) sei das Vorbefüllen von Geräten in vielen Bereichen allgemeiner und notwendiger Standard: Nach der Fertigung der Geräte würden diese noch beim Hersteller mit Kältemittel exakt befüllt und intensiven Qualitätsprüfungen unterzogen. Nach den bisherigen Plänen müsste diese Füllung noch im Werk wieder entfernt, das Gerät leer ausgeliefert und vor Ort erneut befüllt werden. Dies würde in der Produktion hohe Kosten verursachen. Beim Einsatz vor Ort könnten durch nicht ausreichend geschultes Personal Fehler bei der Befüllung gemacht werden, die zu ungewollten Emissionen führen. Dies gefährde dann auch die hohen Qualitätsstandards der Hersteller und führe zu Engpässen bei der Inbetriebnahme. Auch die geforderten Dichtheitskontrollen betrachtete Weinmann mit Sorge. Durch die Änderung der Bezugsgröße Kilogramm in CO2-Äquivalente änderten sich auch die Schwellenwerte bei Dichtheitsüberprüfungen. Wärmepumpen, die beispielsweise mit 2,95 kg R410A befüllt seien und damit derzeit nicht jährlich auf Dichtheit geprüft werden müssten, müssten künftig jährlich geprüft werden. Hier forderte er zumindest einen Bestandsschutz für bestehende Anlagen. Ansonsten würden Endkunden unwissentlich eine Ordnungswidrigkeit begehen, da die Wärmepumpen bislang die Kilogramm-Menge an Kältemittel auf dem Typenschild ausweisen und nicht die Menge an CO2-Äquivalenten.
Das angestrebte Szenario der Reduzierung der F-Gase ab 2021 um 55 % und ab 2030 um 79 % sei auch aus seiner Sicht deutlich zu ambitioniert. Es sei nicht sichergestellt, dass Kältemittel mit geringem GWP und darauf ausgelegte Anlagen und Komponenten in dem kurzen Zeitraum zur Serienreife gelangten. Sicherheitsstandards zur Verwendung von natürlichen – aber brennbaren – Kältemitteln stünden aber der Verbreitung der Wärmepumpen im Wege. Dies könne von der Politik sicher nicht gewollt sein, da gerade die Wärmepumpe eine ausgezeichnete Lösung sei, um die Klimaschutzziele im Gebäudesektor, der mit 40 % den größten Anteil am Gesamtenergieverbrauch in der EU aufweist, zu erreichen. Der derzeit vorliegende Entwurf stelle eine Gefahr für die weitere Existenz der Wärmepumpe in der EU dar.
Keine Alternative für Klimaprüfschränke
Jürgen Bitzer, Weiß Umwelttechnik GmbH, stellte im letzten Vortrag eine besondere Anwendung von F-Gasen vor, für die der vorliegende Entwurf der F-Gase-Verordnung das Aus bedeuten würde. Sein Unternehmen stellt Sonderanlagen für Temperatur-, Klima-, Korrosions- und Langzeitprüfungen her. In den Prüfschränken werden Temperaturen von -80 bis +250 °C simuliert, in manchen Schockprüfkammern wird dabei innerhalb von 10 Sekunden ein Temperaturbereich von -80 bis +70 °C bzw. in darüber liegenden Wärmekammern von +50 bis +250 °C durchlaufen – und das in einem kombinierten Gerät. Aufgrund des hohen Temperaturbereichs und der hohen Änderungsgeschwindigkeit werden meist direkt gekühlte und direkt elektrisch beheizte System verwendet. Am Heizkörper können dabei Temperaturen bis 600 °C entstehen. Da es sehr häufig vorkomme, dass Prüflinge während der Klimaprüfungen aktiv betrieben werden müssten, bestehe bei brennbaren Kältemitteln Zündgefahr durch Funkenbildung, wenn Kältemittel in den Prüfraum austrete. Eine Gefahr von Leckagen der bislang verwendeten fluorhaltigen Kältemittel R23 und R404A sei aufgrund kurzer Leitungswege und der extremen Sorgfalt bei der Produktion der komplexen Prüfkammern quasi ausgeschlossen. Ein Verwendungsverbot der genannten Kältemittel (GWP > 2500) hätte also keinen positiven Effekt auf die Umwelt, sondern nur den, dass die Geräte gar nicht mehr hergestellt werden könnten.
Eine CD mit den Vorträgen ist beim DKV () und IZW () erhältlich.